IBMs Power-Chip: Mit offenen Strukturen den Markt aufrollen

Was haben das Marsmobil Spirit, eine Nintendo-Spielekonsole und der iMac gemeinsam? Richtig, in allen steckt eine CPU der Power-Familie von IBM. Obwohl Big Blue auch ganz bewusst bei der Konkurrenz einkauft, wie zum Beispiel Intels Centrino für Thinkpads, hegt und pflegt das Unternehmen seit den 80er Jahren die eigene Power-Architektur. Offenbar ist die nach wie vor frisch genug, so dass auch Unternehmen wie AMD sich das Wissen von der Konkurrenz etwas kosten lassen.
Wie es scheint, hat der Computer-Dinosaurier IBM mit der CPU jedoch mehr vor, als nur Geld aus Lizenzen zu schlagen. Sehr viel mehr. Um den Markt wirklich großflächig angehen zu können, hat IBM jetzt ‘Power.org’ ins Leben gerufen, eine Allianz um den Power-Prozessor, der sich neben den Marktgrößen Sony, Novell und Red Hat elf weitere Unternehmen angeschlossen haben. Die Gemeinschaft will Spezifikationen und offene Schnittstellen für die Power-Architektur entwickeln. Durch die Öffnung erschließt sich IBM neue Partner, verpasst sich ein offenes Image und sichert sich dadurch auch neue Absatzmärkte für die Power-CPUs.

Power-Power auch für den Consumermarkt

Innerhalb der Gruppe wollen sich die Unternehmen absprechen, welchen Anforderungen das Design der Chips gerecht werden muss, und welche Standard-Features bei Architektur und Design sinnvoll sind. Das Ganze hat zum Ziel, der Architektur zu größerer Verbreitung zu verhelfen. “Über offene Schnittstellen sollen Hersteller, die meist aus dem Consumer-Bereich kommen, in der Lage sein, schneller Geräte entwickeln zu können”, erklärt IBM-Sprecher Hans Jürgen Rehm. Auch Entwicklungen für Desktop-Rechner seien “ausdrücklich eingeschlossen, allerdings nicht im Sinne eines PC-Desktops”.

Ein Analyst bringt es auf den Punkt: “IBM erstellt eine umfassende Strategie, um weltweit für Chiphersteller einen Brennpunkt für die Chip-Entwicklung bieten zu können”, kommentiert Dan Hutcheson, President des Halbleiter-Branchenbeobachter VLSI Research, die Initiative. Das soll vor allem durch flexible Design-Möglichkeiten und Partnerschaften mit anderen Unternehmen ermöglicht werden. “Gleichzeitig öffnet sich IBM, um solche Partnerschaften zu ermöglichen”, erklärt der Prozessorexperte. Neben den Halbleiterunternehmen Chartered Semiconductor und AMCC finden sich auch die Computer-Hersteller Wistron, Jabil Circuit und Bull sowie die Softwareunternehmen Cadence Design Systems und Synopsys in der Allianz. Zudem hat IBM angekündigt, sein Entwicklerteam für die Power-Architektur in der Niederlassung Shanghai um 150 Mitarbeiter aufzustocken.

Bald auch schon in Microsofts X-Box … ?

Und Power.org ist nicht das einzige Beispiel für IBMs starkes Engagement für seine CPU. Erst vor kurzem lehrte Big Blue Intel das Fürchten, indem das Unternehmen ‘Cell’, einen Multimedia-Sprössling der Power-Familie, vorstellte. Die Gemeinschaftsentwicklung mit Sony und Toshiba ist ein leistungsstarker aber energiesparender Prozessor, der zuerst High-end-Workstations von Media-Designern antreiben wird. Ab 2006 soll er sich auch im digitalen Wohnzimmer der Verbraucher breit machen, etwa in Form von hochauflösenden Fernsehgeräten oder der Playstation. Gerüchten zu Folge könnte sich auch Microsoft bei seiner X-Box von Intel verabschieden. “Microsoft hat die Power-Technologie lizenziert und es würde sich nicht ausschließen, aber noch gibt es keine Vereinbarungen über Cell”, kommentiert IBM-Sprecher Rehm gegenüber silicon.de die Spekulationen.

Bei der Kooperation mit Microsoft wird es aber vorerst bei der X-Box bleiben. Sieht man von den Apple-PCs einmal ab, gibt es derzeit offenbar noch keine konkreten Pläne bei IBM, auch Desktops und Rich Clients mit dem Power zu bestücken, schlicht aus dem Grund, weil Microsoft in Windows keinen Power-Support will. Und doch scheint IBM in der nächsten Zeit abseits des PC-Marktes mit seiner Eigenentwicklung einiges vor zu haben. Derzeit unterstützt Big Blue seine Prozessoren in drei Bereichen: Das sind Apple-Rechner, Embedded-Anwendungen und die eigenen Servermodelle.

Vertreter der Power-Familie finden sich bereits zu Millionen in Spielkonsolen, DVD-Spielern oder Set Top-Boxen. Auch hier unterstützt IBM die CPU gründlich mit der Initiative ‘Power Everywhere’, einer Entwicklergemeinschaft für die Power-Architektur. Und mit der Bestückung dieses Marktes lastet der Hersteller seine Fabriken aus. In weniger großen Stückzahlen werden die Hochleistungschips wie etwa der Power 4 oder Power 5 in Servern der e-, i- und p-Series verlötet. IBM führt zudem die Liste der 500 schnellsten Supercomputer mit dem Blue Gene/L an. Hier sind es knapp 33.000 PowerPC 440-Prozessoren, die mit 0,7 GHz rechnen. Im Supercomputing hat IBM derzeit einen mächtigen Fuß in der Tür und bietet die Mega-Rechenpower auch als Dienstleistung an.

Auf dem Weg zum Linux-Darling

Auch das quelloffene Betriebssystem Linux unterstützt IBM nach Kräften. Und das macht in den Augen von IBM durchaus Sinn. Ein erster Schritt in diese Richtung ist mit dem OpenPower 720 getan. Dabei handelt es sich um einen Server, der auf Power-5-Basis nur Linux-Betriebssysteme von Red Hat und Novell Suse Linux unterstützt und daher auch günstiger angeboten werden kann als zum Beispiel Unix-Server von IBM.

In Punkto Umsatzzahlen stehen Linux-Server derzeit hinter anderen Systemen noch zurück, dennoch sind bei dem quelloffenen Betriebssystem die Wachstumszahlen nach wie vor immens. Die kürzlich vorgelegten Zahlen von Gartner und IDC belegen, dass Linux-Server im dritten Quartal 2004 zum ersten Mal die Grenze von einer Milliarde Dollar Umsatz durchstoßen haben und etwa neun Prozent des Marktes ausmachen. Mit dem OpenPower kann IBM jetzt in besonderer Weise von dem Boom bei Linux auch mit der hauseigenen CPU profitieren.

“Wir wollen jetzt beide Welten zusammenbringen und ein 64-Bit-System zu einem 32-Bit-Preis verkaufen”, so beschreibt Hubert Harrer, Senior Engineer bei IBMs Server-Gruppe, die Strategie des OpenPower-Servers. Viele Kunden würden immer mehr Linux auch in sehr großen Serverlandschaften einsetzen. Aber zumeist auf Intel- oder AMD-Rechnern. “Linux entwickelt sich zu einem Standard”, und löse mehr und mehr Unix-Systeme ab, so Harrer weiter.

Ein anderer Wachstumsmarkt, den IBM seit dem Power 3 adressiert, sind 64-Bit-Anwendungen. Der neue Linux-Kernel 2.6 mit 64-Bit-Support ist bereits in die wichtigsten Linux-Distributionen portiert, Microsoft arbeitet noch an der Beta-Version des XP für 64-Bit. Auch hier könnten sich für den Prozessor von IBM zusätzliche Synergieeffekte ergeben. Die Frage nach kompatibler Software, die der 64-Bit-CPU von Intel, dem Itanium, so viele Probleme gemacht hat, sind für Linux auf Power kein Thema. So sind es nur wenige Programme, die den Itanium direkt unterstützen und eine Emulation schlägt gehörig auf die Performance. Für 64-Bit-Linux aber gibt es genügend Anwendungen, um für die Unternehmen als Plattform interessant zu sein.

Trotz aller Vorteile, die in der Architektur stecken, wird IBM aus den drei genannten Bereichen nicht ausbrechen können. Und bei Desktop-CPUs wird Apple auf absehbare Zeit zunächst der einzige IBM-Kunde bleiben. “Die Power-Architektur ist sehr hoch entwickelt aber nicht wirklich für den Massenmarkt zugeschnitten,” erklärt Ian Brown, Research Director bei dem Marktforschungsunternehmen Gartner. Daher sei die Verbreitung der Architektur nicht besonders hoch. “Softwarehersteller müssen natürlich ihre Anwendungen für Plattformen zuschneiden, für die es einen möglichst großen Markt gibt.” Auch dadurch sei eine großflächige Durchdringung der Power-Architektur nicht sonderlich wahrscheinlich.

Die Zunkunft: Technisch ohne Grenzen, wirtschaftlich beschränkt

“Derzeit konkurriert Power vor allem in Bereichen, in denen Sun mit Sparc/Solaris und Hewlett-Packard mit HP-UX stark sind. Konkurrenzdruck für x86-Server halte ich für nicht sehr wahrscheinlich”, so der Marktforscher weiter. Dazu müsse IBM erst noch weitere Hardware-Hersteller an Bord hohlen, “mehr als nur Apple”. Aber bei IBM hat man das offenbar auch nicht vor. So erklärte Simone Rohde, Direktorin für IBM pSeries, dass es “derzeit keine Pläne gebe”, in den Gewässern eines Pentium mit einem Vertreter der Power-Familie zu fischen.

“Technisch ist vieles machbar, aber ob es wirtschaftlich sinnvoll ist, ist eine andere Frage”, erklärt Carl Tengwall, Channel Manager Deep Computing EMEA bei IBM im Gespräch mit silicon.de. Damit kommentiert er die Tatsache, dass es eigentlich ein logischer Schritt für IBM sei, zum Beispiel einen Desktop-Rechner unter Linux mit IBM-CPU auszustatten, anstatt Produkte von Dritten zu kaufen. Erschwerend komme hinzu, dass es von Microsoft eben keinen Support für den IBM-Chip gebe. Und ein Linux-Desktop-Produkt erscheine derzeit noch zu speziell.

Mit dem Engagement bei Linux und der Community ‘Power Everywhere’, die nach der Vorlage von Open-Source-Gemeinschaften gestrickt ist, verfolgt IBM aber auch noch andere Ziele. Die Zeiten als man Microsoft als Chance für mehr Pluralität auf dem Markt gesehen hat, sind lange vorbei. Von dem Softwarehersteller erhoffte man sich einst, ein Gegengewicht zu dem Monopolisten IBM. Nun will Big Blue den Spieß offenbar umdrehen.

“IBM will als offener Hersteller wahrgenommen werden, daher auch der Schritt zu dem offenen Entwicklerforum für die Power-Architektur. Da ist auch eine gute Portion Marketing dahinter”, erklärt Gartner-Analyst Brown. Zudem könne IBM so die Entwicklungskosten für die vielen speziellen Wünsche und Bedürfnisse seiner Kunden senken. Außerdem verstärke IBM so auch den Eindruck, dass die Power-Architektur häufig nachgefragt wird und sich großer Akzeptanz erfreue. Schließlich müssten sich ja auch der Aufwand für Entwicklung und Herstellung rechnen.

Silicon-Redaktion

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