Die meisten Rechenzentren sind heute schon virtualisiert; auch beim Storage und Netzwerke ist diese Technologie aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken. Virtualisierung und Cloud sind im Backend etablierte Technologien. Warum aber tut sich beim Desktop noch so wenig?
“Das Thema ist gerade erst im Kommen”, erklärte Matthias Kraus, Analyst bei IDC. Zahlen aus der IDC-Studie “Virtualized Client Computing in Deutschland 2011” belegen aber, dass viele Unternehmen die Client-Virtualisierung als Option ins Auge gefasst haben. Es gibt also noch große Wachstumschancen. Etwa 60 Prozent der von IDC befragten Unternehmen gehen davon aus, dass sich in den nächsten Jahren der virtuelle Desktop auf dem Markt etablieren wird. 17 Prozent sehen damit sogar eine grundlegende Änderung der Bereitstellung von IT einher gehen.
Bis es so weit ist, wird aber wohl noch eine gute Zeit verstreichen und dafür gibt es – derzeit – für die meisten Unternehmen einen triftigen Grund: Laut IDC-Studie sind für 6 Prozent der 235 befragten Unternehmen virtuelle Desktops bereits Standard, sei es in Form von Virtual Desktop Infrastructure (VDI) oder Distributed Virtual Desktop (DVD). Die restlichen 94 Prozent setzen sich lediglich am Rande mit dem Thema auseinander.
VDI oder DVD aber starten nicht auf der grünen Wiese, sondern stoßen meist auf eine gewachsene Client-Infrastruktur, und hier hat um den traditionellen Fat-Client (Desktop oder Laptop) in den vergangenen Jahren kein Weg herum geführt. Das bedeutet, virtualisierte Arbeitsplätze stehen in Konkurrenz mit traditionellen Infrastrukturen.
“Der größte Feind des VDI ist der gemanagte Desktop”, erklärt daher Gernd Wörn, Head of Competence Center Desktop Services bei T-Systems. Führt ein Unternehmen also in einem Geschäftsbereich eine VDI ein, dann bedeutet das für das Anwenderunternehmen zunächst mehr Komplexität und höhere Kosten.
Der Administrationsaufwand, der mit einer VDI eigentlich reduziert werden sollte, steigt plötzlich wieder. Auch Themen wie schnelle Wiederherstellung nach einem Systemausfall, Steigerung der Sicherheit, oder die Senkung der Gerätekosten lassen sich dann eben nur in einem Teilbereich realisieren.
Wörn geht davon aus, dass die deutschen IT-Arbeitsplätze zwischen 10 und 15 Prozent virtualisiert sind. Vor allem in Unternehmen mit 500 bis 999 Mitarbeitern sind virtuelle Arbeitsplätze vertreten. Laut IDC-Studie liegt in dieser Größenordnung der Anteil derer, die mindestens einen virtuellen Desktop verwenden bei 78 Prozent. Je kleiner die Unternehmen werden, desto weniger ‘Anwenderunternehmen’ sind zu finden. Bei Unternehmen unter 100 Mitarbeitern beispielsweise nutzen nur noch 22 Prozent in irgendeiner Form diese Technologie.
Bei Unternehmen mit 1000 oder mehr Mitarbeitern aber, sinkt der Anteil der Unternehmen mit virtuellen Arbeitsplätzen ebenfalls wieder. “Solche Unternehmen müssen ihre IT-Landschaften in der Regel erst einmal konsolidieren und standardisieren, bevor sich eine Client-Virtualisierung für diese Organisationen auch aus der Kostensicht rechnet”, fügt IDC-Analyst Kraus an.
Ein weiterer Grund könnte auch sein, dass bei Unternehmen in dieser Größenordnung eben auch die technischen Schwierigkeiten ein vernünftiges Maß überschreiten. Wörn: “Man hat das Problem, dass es sich bei einer virtualisierten Anwendung, um einen dedizierten Stream handelt.” Das bedeute in der Praxis, dass man nicht wie gewohnt aus einer Anwendung wie Word heraus einen Text kopieren und in eine andere Anwendung pasten kann. Eine Abhilfe biete das so genannte Sandboxing, bei dem mehrere Anwendungen zusammengefasst werden können. Doch auch hier gebe es laut Wörn natürliche Grenzen.
Daher seien in den Unternehmen Thin Clients nicht so häufig anzutreffen, vermutet Wörn. Laut IDC ist noch immer der Fat Client das wichtigste Endgerät bei der Desktop-Virtualisierung. Thin Clients jedoch holen auf: 45 Prozent der Unternehmen setzen diese bereits ein und 27 Prozent planen den Einsatz. Starkes Interesse gibt es auch beim Thema Mobility: 28 Prozent planen den Einsatz oder die Anbindung von Smartphones oder mobilen Thin Clients.
Ein weiterer Themenkomplex, der die Verbreitung von virtuellen Desktops behindert, ist die Sicherheit. Einerseits lassen sich zwar die zentral vorgehaltenen Desktops im Alltag deutlich sicherer halten als ein Fat Client. Doch steigen natürlich auch die Ansprüche und es tun sich, zum Beispiel in Form von Hypervisor-Attacken neue Bedrohungen auf. “Die bestehende Sicherheitsinfrastruktur muss unbedingt überprüft und an die neuen Gegebenheiten angepasst werden”, fasst Kraus zusammen.
Kosteneinsparungen stehen für die meisten Unternehmen an erster Stelle, wenn man sie nach der Motivation für den Einsatz einer virtuellen Destkop-Infrastruktur befragt. Doch die, so hält Kraus fest, lässt sich meist erst mittelfristig umsetzen. Von einer Amortisation gehen 34 Prozent der Unternehmen innerhalb von 13 bis 18 Monaten aus. Nur 16 Prozent erwarten sich bereits innerhalb von 12 Monaten eine Amortisation. 40 Prozent sehen Kostenvorteile ab 19 Monaten. Immerhin 10 Prozent der Unternehmen gaben an, dass die Kosten nicht ausschlaggebend für Investitionen in Client-Virtualisierung waren.
Kosteneinsparungen können sich zum Beispiel durch Administrations- und Supportkosten realisieren lassen. Aber auch bei den Endgeräten kann eventuell gespart werden. Auch Einsparungen bei Softwarelizenzen werden genannt. Allerdings, so schränkt Kraus ein, haben viele Hersteller noch nicht in ihrer Lizenzpolitik auf die neuen Anforderungen virtueller Desktops reagiert. Ob eine VDI also Nutzen bringt, hängt sehr stark von der “individuellen Situation der Unternehmen ab”, fasst Kraus zusammen. Die Experten von IDC gehen jedoch davon aus, dass in den nächsten Monaten die Nachfrage zunehmen wird.
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