Die neue Vielfalt bei Cloud-ERP
Immer häufiger liefern die Hersteller von ERP-Lösungen ihre Produkte auch in Form von Cloud-Angeboten aus. Der Konkurrenzkampf unter den Anbietern verschärft sich, und davon profitieren letztlich die Anwender.
Die Tage, da eine ERP-Installation auf den eigenen Servern im Keller stattfinden musste, oder als gehostete Version bezogen wurde, sind gezählt. Zwar dürfte die Delivery-Form der On-Premises-Installation noch immer maßgeblich sein, aber die Zeichen einer grundlegenden Verschiebung am Markt werden von Woche zu Woche deutlicher. Vor allem dann, wenn man auf die Anbieter-Seite blickt.
Dabei wächst das Angebot nicht nur in der Quantität, sondern auch in der Qualität und – was gerade bei ERP-Lösungen wichtig ist -, in der Tiefe der verfügbaren Funktionen. Der Cloud-Pionier Salesforce.com etwa hat auf seiner DreamForce-Konferenz vor wenigen Tagen auch einige Integrationsschnittstellen zu ERP-Lösungen angekündigte. Salesforce.com aber wird ja nicht wirklich als ERP-Anbieter wahrgenommen. Dennoch gibt es inzwischen eine ganze Reihe von verschiedenen, interessanten Angeboten.
Ein Beispiel etwa ist Kenandy, hinter dem neben Salesforce.com auch die Investoren von Kleiner Perkins Caufield & Byers stehen. Das Unternehmen bietet eine Lösung für Hersteller, die sich von anderen dadurch unterscheidet, dass es mehr um eine Innen- und Außenansicht der Prozesse geht. Derzeit sind einige Lösungen für den Vertrieb und für die Herstellung vorhanden und der erste Kunde soll bereits nach zwei Wochen produktiv gewesen sein.
Das Unternehmen leitet die IT-Veteranin Sandy Kurtzig, die mit Fortran-Programmen in den Kindertagen des Rechners erste Erfolge feierte. Die Lösung lässt sich mit der Finanzlösung FinancialForce.com, einem Salesforce.com-Joint Venture mit Unit4, verbinden.
Infor-CEO Chuck Phillips hatte angekündigt, Infor MRP/ERP mit der CRM-Lösung von Salseforce.com besser zu vernetzen. Dabei werde Infor sich auf das Force.com-Framework stützen. Mit diesem Engagement auf Force.com könnte Infor somit auch weitere Entwicklungen von Dritten anfeuern.
Forrester zeigt in einer Studie zur Software-Nutzung steigendes Interesse an SaaS-ERP. Quelle Forrester
Der Hersteller Workday kümmert sich in der eigenen SaaS-Lösung vor allem um große Datenmengen HR und der Finanzabteilung. Damit lassen sich zumindest einige Bestandteile einer ERP-Lösung abdecken.
Ein weiterer Anbieter, der nicht nur mit Salesforce.coms Force.com arbeitet, sondern auch noch von Salesforce.com finanziert wird, ist RootStock. Die neue Version der Manufacturing-Lösung von RootStock, integriert sich nicht nur mit den Finanzlösungen des SaaS-ERP-Anbieters NetSuite, sondern eben auch mit Force.com. Damit kann RootStock auch an FinancialForce.com und Salesforce.com CRM angebunden werden.
Für Salesforce.com ist dieser Weg wohl derzeit die einfachste Lösung. Über die Partnerschaft mit Infor – der Hersteller ist immerhin im ERP-Weltmarkt die Nummer 3 hinter SAP und Oracle – kann Salesforce.com die Produkt-Lücke schließen, ohne dabei selbst als ERP-Vendor aktiv zu werden. Salesforce.com braucht sozusagen ein Wirtstier für ERP-Angebote, ohne die die Plattform Force.com langfristig nicht auskommen wird.
Schließlich hat das Unternehmen mehrfach klar gemacht, dass es nicht in den ERP-Markt einsteigen werde. Es ist aber auch weit mehr als eine einfache Partnerschaft, schließlich hat Salesforce.com auch eine unbekannte Summe in den Midmarket-Spezialisten Infor investiert.
Doch auch abseits des Salesforce.com-Universums wächst das Angebot mit ERP-Cloud-Lösungen. Das vermutlich prominenteste Beispiel ist SAPs BusinessByDesign. Das neue Feature-Pack erweitert nicht nur Funktionen, die mittelständischen Unternehmen zugutekommen, sondern auch die Anbindung von Filialen und Niederlassungen an die Konzernzentrale erleichtern, wo häufig eine große SAP-On-Premises-Lösung verwendet wird. Doch die Anwenderzahl von ByDesign ist derzeit noch recht übersichtlich.
Einer der absoluten Pioniere in Unternehmenslösungen für den Mittelstand ist das Münchener Unternehmen myfactory. myfactory hat als eines der ersten europäischen Unternehmen Lösungen für ERP, Finanzbuchhaltung, CRM und Produktionsplanung als Service angeboten. Rund 1800 Unternehmen zählt das Unternehmen inzwischen als Kunden, dabei nutzen aber nicht alle das SaaS-Angebot. Neben myfactory gibt es auch andere kleinere ERP-Anbieter wie etwa Godesys oder Comarch, die inzwischen ihre Lösungen auch als Cloud-Version anbieten, um hier nur einige Beispiele zu nennen.
Auf Basis von Microsofts Dynamics bietet das Unternehmen Avanade ERP für eine Private Cloud an. Für das kommende Jahr hat Microsoft ebenfalls eine vollständige Cloud-Version der gesamten Dynamics-Produktreihe angekündigt. Auf der Open-Source-Seite bietet Consona auf Basis der Amazon-Cloud das Open-Source-ERP Compiere ebenfalls als Service an. Aus Deutschland ist Nuclos Open Source ERP eines der Beispiele, die in der Cloud angeboten werden.
Aber was kann diese Entwicklung für die Anwender bedeuten? Natürlich ist nicht für jedes Projekt eine On-Demand-Lösung geeignet. Aber mit den zahlreichen neuen Angeboten wächst natürlich auch die Zahl der Optionen. Wie erste Erfahrungsberichte zeigen, lassen sich Cloud-Lösungen tatsächlich deutlich schneller implementieren als eine Vorort-Installation. Nach wie vor werden Unternehmen meist nicht ohne externe Hilfe durch den Anbieter oder aber durch externe Dienstleister auskommen, aber im Schnitt dürfte die Zeit von einigen Monaten auf einige Wochen zusammenschrumpfen. Somit bekommt man auch für die Verhandlungen mit dem bestehenden Lieferanten neue Argumente für die Preisverhandlungen auf den Tisch, selbst wenn eine Cloud-Lösung keine Alternative ist.
Bei der Entscheidung sollte auch das Ökosystem der Plattform eine Rolle spielen. Einige Anbieter greifen auf Plattform-as-a-Service (PaaS) wie eben Force.com zurück, die ein großes und breit gefächertes Lösungsangebot bieten. Andere tun das nicht.