ACTA tritt in Europa wahrscheinlich nicht in Kraft

Neelie Kroes, Vizepräsidentin der EU und Kommissarin für die Digitale Agenda, erwartet, dass das umstrittene Anti-Piraterieabkommen ACTA von der Europäischen Union nicht ratifiziert wird. Auch die Bundesregierung rechnet damit, dass das umstrittene Handelsabkommen scheitern wird.

“Wir sind jetzt wahrscheinlich in einer Welt ohne SOPA und ACTA”, zitiert die britische Zeitung The Guardian EU-Kommissarin Kroes.

Ryan Heath, Sprecher von Neelie Kroes, erklärte dem Bericht zufolge, die Europäische Kommission habe ihre Position in Bezug auf den Nutzen von ACTA nicht geändert. Man arbeite weiter auf eine endgültige Ratifizierung hin. Er ergänzte, Kroes verfolge aufmerksam die “politische Realität”.

Ende Januar hatten Vertreter der EU sowie 22 der 27 EU-Mitgliedsstaaten das internationale Anti-Counterfeiting Trade Agreement (ACTA) unterzeichnet. Aufgrund des öffentlichen Drucks hätten aber einige dieser Länder die Vereinbarung noch nicht ratifiziert, so The Guardian weiter.

Die EU-Kommission selbst arbeitet derzeit an Richtlinien, die die Bezahlung von Musikern und Filmemachern sicherstellen sollen. Zudem soll das Urheberrecht überarbeitet und an das Internet-Zeitalter angepasst werden.

Kritiker werfen der Kommission vor, sie halte die neuen Regeln zurück, weil sie einen ähnlichen Widerstand wie bei SOPA und ACTA erwarte. “Nach der enormen Mobilisierung von Bürgern weltweit gegen ACTA und SOPA wäre es politisch extrem gefährlich für die Kommission, einen neuen repressiven Entwurf vorzulegen”, zitiert die britische Zeitung Jeremie Zimmermann von der französischen Datenschutzgruppe La Quadrature du Net.

ACTA ermöglicht es, Urheberrechtsverstöße international zu ahnden. Auch aufgrund von Protesten und politischem Druck wurde ACTA in einigen Punkten deutlich entschärft – so sehr, dass die USA nun eine ähnliche, aber gesonderte Pazifik-Partnerschaft mit Australien, Chile, Malaysia, Neuseeland, Singapur, Peru und Vietnam anstreben.

Im April hatte die EU den Europäischen Gerichtshof angerufen, um die Rechtmäßigkeit von ACTA prüfen zu lassen. Politiker befürchten, dass die Vereinbarung Firmen erlauben wird, Internetnutzer auszuspionieren. Eine Entscheidung wird frühestens in einem Jahr erwartet.

Auch in Deutschland ist der Widerstand gegen das Abkommen groß. Im Februar hatten deutschlandweit rund 100.000 Menschen gegen ACTA demonstriert. Eine Online-Petition gegen ACTA war zu Jahresbeginn innerhalb von kürzester Zeit mit über 61.000 Unterzeichnern erfolgreich. Aus Berlin hieß es daraufhin, man müsse jetzt vor allem erst einmal das Gutachten des Europäischen Gerichtshofs abzuwarten.

Inzwischen rechnet aber auch das Bundesjustizministerium damit, dass das umstrittene Handelsabkommen im Europaparlament scheitern wird. Das sagte der Parlamentarische Staatssekretär Max Stadler zu Beginn der Woche in einer Sitzung des Bundestagspetitionsausschusses, der zu Gesprächen über die oben erwähnte Petition gegen Acta zusammengekommen war.

[mit Material von Stefan Beiersmann, ZDNet.de]

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