Bernd Hilgenberg

nimmt für unseren Blog immer wieder aktuelle IT-Trends unter die Lupe und testet, wie tauglich diese für den CIO-Alltag sind.

Ist der aktuelle Smartphone Hype am Ende?

Ich kann mich noch sehr gut erinnern, als Apple das erste iPhone auf den Markt brachte. Ein völlig neues Erlebnis das Telefon zu benutzen war die Folge. Neben den sogenannten Apps, die das Handy weit über die Funktionalität eines normalen Telefons hinaus erweiterten, gab es auch völlig neue Bedienkonzepte.

Wie habe ich es zu Anfang geliebt über mein iPhone zu streicheln, um eine dieser für mich neuen Funktionen zu nutzen. Mit dem iPhone hat Apple eine völlig neue Bedienwelt und ein völlig neues Konzept geschaffen, Telefone zu benutzen. Lange Zeit war Apple mit dem iPhone allein auf weiter Flur, da kein anderer Hersteller in der Lage war, die Eingängigkeit und die Leichtigkeit der Bedienung auch nur ansatzweise nachzuahmen. Doch dies hat sich seit einiger Zeit geändert.

Google hat es mit dem Betriebssystem Android geschafft, nicht nur die Funktionalität des iPhones nachzuahmen, sondern auch die Idee des Bedienkonzepts umfassend zu erweitern. So sind in den letzten Jahren dem ursprünglichen Konzept des iPhones zusätzliche Funktionalitäten hinzugefügt worden. Es gab neue Bedienkonzepte, die Handys wurden leichter, die Bildschirme wurden größer und die Akkulaufzeit verbesserte sich zusehends.

Mittlerweile haben wir die Situation, dass einige der Innovationen einen Zustand erreicht haben, an dem eine technische Weiterentwicklung dem normalen User kaum noch ins Auge sticht. So werden etwa die Bildschirme immer schärfer. Doch es stellt sich die Frage, ob eine Pixeldichte von 360 dpi oder mehr als 400 dpi tatsächlich ein unterschiedliches Nutzererlebnis generiert.

 

 

Meine Einschätzung ist, dass dieses Streben nach immer besseren Bildschirmen im jetzigen Status nur noch dem Zweck dient, die eigene technische Kompetenz zu beweisen, dem Nutzer selbst aber keinen Mehrwert mehr bietet. Gleiches gilt auch bei dem stetigen Zuwachs an Funktionalitäten.

Aktuell überschlagen sich die Anbieter von Smartphones mit neuen Funktionalitäten, um Käufer für sich zu gewinnen. Mir kommt dieser Wettlauf um immer mehr Funktionen ein bisschen so vor wie der Wettlauf, den es vor einiger Zeit im Bereich der Officepakete gegeben hat. Dort wurde versucht, mit immer neuen und ausgefalleneren Funktionen Kunden zum Kauf neuer Systeme oder zum Wechsel auf ein System zu bewegen. Die Folge eines solchen Wettbewerbs um neue Funktionen ist das Verschwinden von Einfachheit.

Wir haben heute einen Status erreicht, dass ein Smartphone so unglaublich viele Funktionen hat und sich damit ähnlich verhält wird wie aktuelle Officepakete. Der Nutzer kauft 100 Prozent Funktionalität und nutzt nur einen Bruchteil davon. Ein gutes Beispiel, dass den Machern der Smartphones die Ideen ausgehen ist das aktuelle Galaxy S4.

Gut, der Bildschirm ist größer und schärfer geworden, das Telefon ist schmaler geworden, die Akkulaufzeit hat sich verbessert. Auch ist die Kamera leistungsfähiger geworden und das Telefon bietet neue Funktionalität. Eine tolle Ingenieurleistung ist das alle Male. Doch es stellt sich die Frage, benötigt der Nutzer diese neuen Funktionen wirklich? Bieten Sie ein besseres Nutzererlebnis als beim Vormodell? Brauchen wir noch stärkere Prozessoren um in den Terminkalender zu schauen oder eine SMS zuschreiben?

Meine Vermutung ist, dass wir bei den Smartphones eine Grenze erreicht haben. Selbst Apple ist aktuell nicht in der Lage innerhalb der iPhone-Produktlinie wirklich neue Impulse zu setzen. Apple hat hier stattdessen den gleich Pfad beschritten, wie die anderen Hersteller. Besserer Bildschirm, bessere Kamera, höhere Geschwindigkeit. Bei der Akkulaufzeit ist Apple noch kein echter Durchbruch gelungen.

Das iOS-Ökosystem wird zunehmend als wenig innovativ und unnötig restriktiv wahrgenommen. Google hat mit dem Problem der Fragmentierung und mit Malware zu kämpfen. Dass krampfhaft nach neuen Ideen gesucht wird zeigt sich in verschiedenen Punkten. Ungefragt von Apple lassen etwa Designer im Web ihrer Fantasie freien Lauf und machen dort Vorschläge für Erweiterungen des strikt abgeschotteten iOS-Systems.

Bei Android scheint sich jeder Hersteller berufen zu fühlen das originale System mit eigenen Funktionen zu erweitern. Damit ist eine einheitliche Bedienung über die Grenzen der einzelnen Hersteller hinweg nur noch teilweise möglich.

Die aktuellen Neuerscheinungen bei den Smartphones erscheinen mir wie immer mehr vom Gleichen. Zwar in besseren und ausgefeilteren Funktionalitäten, aber nichts strukturell wirklich Neues. Schaut man sich die aktuellen Neuerscheinungen an, hat man den Eindruck, dass alle Smartphones einen ähnlichen Weg einschlagen. Fast so, wie im Automobilbereich, als nach der Entdeckung des Windkanal alle Hersteller auf stromlienenförmig umgestellt hatten.

Dies hat zwangsläufig eine Angleichung des Designs und der Funktionen zur Folge. Ich bin daher der Auffassung, dass der Smartphone Hype bald enden wird. Es sei denn, es werden neuen bahnbrechende Funktionalitäten, die auch einen wirklichen Mehrwert beim Nutzer herbeiführen, auf dem Markt erscheinen. Ich befürchte nur, wir werden jetzt eine Phase erleben, bei der sich die Smartphone Hersteller mehr mit technischen Spezifikationen versuchen abzugrenzen denn mit wirklichen Innovationen. Selbst Apple traue ich in der aktuellen Situation keine wirklich bahnbrechenden Innovationen beim iPhone mehr zu.

So werden wir uns in der nächsten Zeit an noch schnelleren Prozessoren, noch besseren Bildschirmen und einer weiteren Möglichkeit des kabellosen Aufladens des Akkus erfreuen können. Ich bin nur gespannt, wie viele Nutzer diese Innovationen zum Anlass nehmen, sich tatsächlich für viel Geld ein neues Handy zu kaufen.

Schon jetzt sehe ich in meiner Umgebung, dass der Wunsch stets das neueste Handy zu haben, abflaut. Viele meiner Bekannten sind mit dem iPhone 4 oder dem Galaxy 2 durchaus zufrieden. Warum, die “alten” Geräte reichen völlig aus, um die aktuellen Ansprüche dieser Nutzer zu erfüllen. Das wird den Herstellern sicherlich noch Probleme bereiten, da sich zudem eine Marktsättigung abzeichnet. Also bleibt nur viel Marketing, um das “haben wollen-Gefühl” nachhaltig ins Bewusstsein der Nutzer zu massieren.

Mit besten Grüßen
Bernd Hilgenberg