Microsoft hat unter dem Motto “One Microsoft” eine bereits im Vorfeld kolportierte umfangreiche Neuausrichtung der Unternehmensstruktur vorgestellt. Die einsitigen “Fürstentümern” im Konzern soll es künftig nicht mehr geben. Und damit gehen auch einige personelle Veränderungen mit einher. Doch nicht alles ändert sich. Doch was bringt die Reorganisation. “Wird Microsoft wieder zu einem führenden Unternehmen, oder bleibt es ein ‘fast Follower’?”, fragt Forrester-Analyst David Johnson in einem Blog.
Microsoft-Chef Steve Ballmer nennt es eine “Neuaufstellung des Unternehmens, die uns zu schnelleren, effizienteren und wirkungsvolleren Innovationen in einer sich rasch verändernden Welt befähigen wird”. Beim Konzernumbau schreckt Ballmer offenbar davor zurück, sich selbst eine neue Rolle zuzuschreiben. Ballmer bleibt weiterhin an der Unternehmensspitze, und an seiner Seite steht weiterhin Kevin Turner als Chief Operating Officer.
Aufgelöst werden jedoch die fünf Geschäftssparten – Windows, Server and Tools, Microsofts Business Division, Entertainment and Devices sowie Online Services. Diese Bereiche verfügen jeweils über eigene Präsidenten und Finanzchefs. Künftig will Microsoft auch nicht mehr zwischen gewerblichen oder Angeboten für Privatkunden unterscheiden.
Vereinheitlichen will Microsoft auch die Entwicklung der Betriebssystseme: Diese werden künftig in einer einzigen Sparte entwickelt, um mehr gemeinsame Technologien und Komponenten einzubringen. Die Marketing- und Geschäftsstrategie für alle Produktlinien wird aus den einzelnen Geschäftssparten herausgelöst und zentral für das gesamte Unternehmen organisiert. Die Veränderungen sollen über die nächsten Monate umgesetzt werden. Als wahrscheinlich gilt zudem auch, dass sich Microsoft im Zuge der Neuausrichtung von einigen der rund 100.000 Mitarbeiter trennen wird. Jedoch scheint das Mittelfristig noch nicht zur Debatte zu stehen.
An Ballmer berichten die Chefs der vier neuen Engineering-Sparten. Terry Myerson, bisher für die Windows-Phone-Entwicklung zuständig, übernimmt die neue Operating Systems Group. Sie entwickelt Windows, Windows Phone sowie das Betriebssystem der Xbox. Qi Lu wechselt von Microsofts Online Services Division zur neuen Sparte Applications and Services und ist dort für die Entwicklung von Bing, MSN, Office, Office 365, Dynamics CRM, ERP, Skype, Yammer sowie Lync verantwortlich.
Chef der Sparte Cloud and Enterprise wird Satya Nadella, zuvor zuständig für Server and Tools. Eine besonders herausgestellte Rolle in Microsofts neuer Aufstellung kommt der bisherigen Windows-Chefin Julie Larson-Green zu. Sie leitet jetzt die neue Sparte Devices and Studios und ist damit für die Entwicklung von Geräten verantwortlich – von den Surface-Tablets über die Xbox bis zur PC-Peripherie. Sie hat damit einen entscheidenden Teil der neuen Strategie umzusetzen, mit der sich Microsoft von einem Softwarekonzern zu einem Anbieter von Geräten und Diensten wandeln will.
Das zentrale Marketing wird Tami Reller leiten, bisher für Marketing und Finanzen der Windows-Gruppe zuständig. Für die neue Finanzsparte wird die gegenwärtige Finanzchefin Amy Hood verantwortlich sein. In den Ruhestand verabschiedet sich Kurt Delbene, der bisherige Präsident von Microsofts Business Division.
Steve Ballmer begründet den Konzernumbau in einer ausführlichen internen E-Mail an die Mitarbeiter. Das Wort Software kommt darin ein einziges Mal vor – und das nur im Zusammenhang mit der bisherigen abgepackten Vertriebsform. “Die Auslieferung verlagert sich zu einer breiteren Palette von Geräten und Diensten anstelle abgepackter Software”, schreibt er.
“Mit dieser Re-Org versucht Microsoft den Graben zu überwinden, der sich zwischen unberechenbaren Verbrauchern und von Geldsorgen geplagten IT-Einkäufern in Unternehmen, die den Anforderungen ihrer Mitarbeiter um Jahre hinterher sind auftut. Zudem sind diese launenhaften Mitarbeiter ja zu Hause auch selbst launenhafte Verbraucher”, so der Forrester-Analyst David Johnson. Das Beispiel Windows 8 zeige, dass Microsoft noch nicht alle Hausaufgaben gemacht. “Doch wir bei Forrester sind auch der Ansicht, dass Microsofts Arbeit bei Server, Cloud und der Hybrid-Cloud excellent ist und dass auch die Langzeitstrategie durchaus viable ist”, so Johnson weiter. “Wir sehen diese Reorganisation sehr positiv.”
Microsoft führe bei Server, Tools und auch bei der Cloud, Im Talet- und Smartphone-Markt sei Microsoft laut Forrester hinterher. Aber das könne sich laut Forrester noch bessern. “Wir sehen in dieser Reorganisation eine verbesserte Positionierung für Devices, Services und Software. Dadurch bleibt Microsoft in einer guten Position, durch die sich schnell ändernde Landschaft zu navigieren”, so Johnson weiter. Allerdings warnt er vor überzogenen Hoffnungen bei gewerblichen Anwendern: “Erwarten sie nicht, dass ihre Vertragsverhandlungen dadurch einfacher werden. Microsoft schafft substantielle neue Werte und die werden nicht billig werden. Werfen sie ihre iPads noch nicht weg!”
[mit Material von Bernd Kling, ZDNet.de]
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