FIT-CEO Reichardt: “Industrie 4.0 eine vorwiegend deutsche Entwicklung”

Horst Reichardt, CEO Freudenberg IT (FIT). Quelle: FIT

silicon.de: Herr Reichardt, die FIT ist ein Partner für Unternehmen in der Fertigungsindustrie. Wo sehen Sie derzeit den strategischen Schwerpunkt bei Ihren Kunden?

Reichardt: Die Fertigungsindustrie ist geprägt von mittelständischen Unternehmen und gerade hier ist Industrie 4.0 eines der wichtigsten Leitthemen. IT-basierte Technologien ermöglichen moderne Automatisierungsprozesse und führen Fertiger in eine dezentrale, selbststeuernde Produktion und damit in die vierte industrielle Revolution. Drehscheiben für den Datenaustausch der Produktionsprozesse werden zunehmen Manufacturing Execution Systeme (MES) sein. Als IT Full-Service Anbieter beraten wir unsere Kunden auf dem Weg in eine intelligent vernetzte Produktion, klären auf, welche Lösungen und Infrastrukturen im jeweiligen individuellen Kundenmodell implementiert werden müssen, um für eine nachhaltige Wettbewerbsstärkung Sorge zu tragen.

silicon.de: Big Data und Mobility sind allgemein heiße und viel diskutierte Trends, aber was kann man sich unter Industrie 4.0 vorstellen?

Reichardt: Die Themen Big Data, Mobility und Industrie 4.0 greifen alle ineinander. Industrie 4.0 ist aktuell noch eine vorwiegend deutsche Entwicklung. Letztendlich geht es darum, dass intelligente Produkte ihre eigene Produkthistorie speichern. So wissen sie in jeder Situation selbst, welcher Arbeitsgang der nächste ist. Was wir heute noch Lieferkette nennen, entwickelt sich mit Industrie 4.0 zu einem selbstorganisierten Supply-Netzwerk. Moderiert vom MES steuert das Werkstück dann selbstständig seinen eigenen Fertigungsverlauf. Derzeit fehlen allerdings noch interoperable Geräte und Lösungen sowie Standardschnittstellen, um Industrie 4.0 vollständig und flächendeckend zu implementieren.

silicon.de: Spielen dabei die oben genannten Bereiche Big Data und Mobility auch eine Rolle?

Reichardt: Ja, denn Industrie 4.0 verzahnt Big Data und Mobility aber auch Cloud Computing miteinander. Gerade in Produktionsbetrieben fallen große Datenmengen an, daher spielt Big Data dort eine große Rolle. Und wenn Daten von einem Ende der Produktionsstätte zur anderen gelangen, ist Mobility Grundvoraussetzung. Zudem müssen die dabei anfallenden Daten gespeichert und verarbeitet werden, hier bietet sich dann die Cloud an.

silicon.de: Es ist immer wieder die Rede davon, dass der CMO (Chief Marketing Officer) künftig wichtiger wird als der CIO. Trifft das auch auf Unternehmen aus der Fertigungsbranche zu?

Reichardt: Das Gleichgewicht der Macht verlagert sich. IT-Budgets geraten zunehmend unter Druck, während andere Geschäftsbereiche wachsen. Dies bedeutet aber in keiner Weise, dass der CIO eine schwindende Macht im Unternehmen ist.  Vielmehr ist er weit davon entfernt, denn seine Erfahrung und Einsicht ist wichtig, wenn es um die Auswahl neuer Technologien geht, die von unschätzbarem Wert für das Unternehmen sind. Ich kenne die Zahlen von Gartner, die für das Jahr 2017 dem CMO ein größeres Budget als dem CIO vorausgesagt haben, dieser Trend ist in der Fertigungsbranche bislang aber noch nicht spürbar.

silicon.de: In wie weit verändert der Megatrend Industrie 4.0 die Rolle des CIO?

Reichardt: Die Hauptaufgabe des CIOs ist es, einem Unternehmen Informationen bereitzustellen und mittels IT entscheidende Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, sowie die Produktivität zu steigern. Dies wird sich auch im Zeitalter von Industrie 4.0 nicht ändern. Allerdings wird der CIO von Morgen zunehmend zum Integrator, Innovator und Einkäufer. Er muss die jeweils für sein Unternehmen passenden Technologien und Lösungen heraussuchen. Der CIO von Morgen wird daher der Manager von IT-Services sein.

silicon.de: In einer aktuell im Auftrag von FIT und PAC durchgeführten Studie hat sich gezeigt, dass gerade einmal 15 Prozent der Hersteller selbststeuernde Prozesse in ihren Produktionen etablieren. Hat Sie dieses Ergebnis überrascht?

Reichardt: Nein, derzeit befinden wir uns noch in der Phase der “Early Adopters” von Industrie 4.0. Bei unseren Kunden gehören vor allem die Automobilzulieferer zu diesen Vorreitern. Hier sind bereits seit längerem intelligente Produktionsanlagen etabliert. Denn gerade in diesem Sektor verlangt der Wettbewerb eine schnelle Umsetzung von Kundenanforderungen und eine bedarfssynchrone Produktion. Dementsprechend müssen im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit IT-Verantwortliche in der Produktion und den benachbarten Disziplinen potenzielle Einsatzszenarien von Industrie 4.0-Technologien prüfen.

silicon.de: Einer der wichtigsten Schwerpunkte der FIT ist die Automobilbranche. Gerade hier herrscht international ein sehr scharfer Wettkampf. Wie können sich deutsche Unternehmen auf lange Sicht auch international behaupten?

Reichardt: Wir machen die Erfahrung, dass große Automotive-Unternehmen und -Zulieferer verstärkt auf flexible Just-in-Time- und Just-in-Sequenze-Produktionen setzen. Dadurch steigt der Flexibilisierungsdruck in der gesamten Lieferkette. Die Technologien hinter Cloud Computing und Industrie 4.0 und damit der selbstorganisierende Fertigungsprozess auf Basis vernetzter Maschinen bieten viele Möglichkeiten, durch die sich deutsche Unternehmen international behaupten können.

silicon.de: Nachdem Sie als CEO einige Zeit im Amt sind: Welches sind Ihre wichtigsten Ziele in den nächsten Monaten?

Reichardt: Unser Ziel ist es, uns in den nächsten drei Jahren zu einem führenden IT-Dienstleister in der Fertigungsindustrie für den Mittelstand zu entwickeln. Dazu werden wir unsere operativen Einheiten Infrastructure Services und Solution Consulting optimieren. So will sich die FIT bei ihren Kunden als IT-Provider mit dem besten Service positionieren, in globaler Aufstellung und auf Augenhöhe mit unseren Kunden – eben IT Solutions. Simplified.

silicon.de: Wollen Sie das aus eigener Kraft schaffen oder setzen Sie dabei auch auf externes Know-How?

Reichardt: Um unsere Ziele zu erreichen, geht die FIT eine Vielzahl an strategischen und technologischen Partnerschaften ein. Um unsere Kunden noch besser zu betreuen, arbeiten wir sehr eng mit unserem Partner-Netzwerk. Seit Mitte August haben wir beispielsweise den offiziellen Cisco-Partnerstatus erreicht, damit können wir unseren Kunden Managed Services in den Bereichen Netzwerk und Sicherheit anbieten. Darüber hinaus wollen wir künftig auf Basis von Cisco UCS auch SAP-HANA-Dienste bereitstellen. Mit Bechtle arbeiten wir sehr eng bei Desktop-Services zusammen und mit NetApp in unseren Rechenzentren.

Redaktion

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