Kampf um den Netzwerkmarkt voll entbrannt – Cisco präsentiert seine SDN-Alternative
Nachdem die Diskussion über SDN lange hauptsächlich um OpenFlow, OpenStack und die mögliche Entmachtung des Netz-Nestors Cisco durch neue Konkurrenten kreiste, hat der Marktführer mit ACI (Application Centric Infrastructure) inzwischen seine eigene Alternative präsentiert.
Mitte November präsentierte Cisco seine SDN-Strategie ACI (Application-Centric Infrastructure). Wie andere meint Cisco, dass es darauf ankomme, Anwendungen in den Fokus zu rücken und für deren Beschleunigung Infrastrukturen radikal zu vereinfachen und zu automatisieren.
Dafür hat Cisco den APIC (Application Policy Infrastructure Controller) als Herz der ACI-Strategie erfunden, der über allen durch OpenFlow kontrollierten unteren Netzwerkschichten thront und das Nadelöhr zu den auf virtuellen Maschinen lagernden virtualisierten Netzfunktionen bilden soll.
Anders als viele Netzwerkanbieter behauptet Cisco gar nicht, man könne funktionierende SDNs (Software Defined Networks) ausschließlich auf OpenFlow, OpenStack oder anderen Softwaretechnologien aufbauen. “Das ist viel zu langsam” betont Ulrich Hamm, Technical Solutions Architect bei Cisco. Der Last vielen kritischen Anwendungen auf den Netzen seien reine Open-Source-Implementierungen schlicht nicht gewachsen.
Deshalb enthält der APIC auch einen Cisco-ASIC, der diesen Controller zum unentbehrlichen Element in einer durchgängigen SDN-Infrastruktur machen soll. Konventionelle SDN-Controller sieht Cisco viel weiter unten im Stack eines SDN-Netzwerks. Selbstredend wird Cisco die eigenen Geräte schnellstens mit den nötigen Schnittstellen und Chips ausstatten, um reibungslos mit dem APIC zu kommunizieren. Ein APIC kann 65.000 angeschlossene Mandanten versorgen, eine Million IP-Endpunkte, 8000 Multicast-Gruppen, 576 40G-Ports und 60 TBit/s pro Netzwerkzweig. Das dürfte für viele Netze mehr als ausreichend sein. Gleichzeitig mit dem APIC kündigte der Hersteller einen neuen Nexus-Switch an, der bereits entsprechend ausgerüstet ist. Die ACI-Strategie garantiere endlich, dass der Transportweg einer Applikation in allen seinen Schritten im Detail vordefiniert, bei Bedarf geändert und überwacht werden könne, meinte Hamm.
Damit findet sich Cisco plötzlich, betrachtet man die Konzeption, an der Seite von Enterasys (von Extreme Networks aufgekauft) wieder, wo man der Open-Flut ebenfalls mit einem ASIC begegnet. Freilich hat Cisco bessere Karten, um sich durchzusetzen. Die ACI-Partnerliste ist umfangreich, so dass es schon bald viele Geräte und Managementtools geben wird, die mit ACI kompatibel sind.
Offenheit versus proprietäre Technik
Natürlich ist der Versuch, Anwender an die eigene Infrastruktur zu binden, ein legitimes Mittel im Kampf um Marktanteile. Mehr oder weniger versuchen das alle Hersteller, wenn auch die meisten in erster Linie die Offenheit ihrer SDN-Strategien betonen. War doch zu teure, aufwändige proprietäre Technologie letztlich der Grund dafür, dass SDN als Konzept überhaupt entstand.
Dell beispielsweise setzt große Hoffnungen auf seinen neuen Top-of-the-Rack-Switch mit 32 Ports, der angeschlossene Geräte mit 10 und 40 GBit/s-Ethernet versorgt. “Der Switch passt zu VMwares NSX respektive VDS. Er arbeitet als Gateway zwischen virtualisierten Rechnern und physikalischer Welt”, erklärt Dominique van Hamme, Executive Director EMEA Networking bei dem Hersteller. Das neue Dell-Gerät soll ab 75.000 Dollar kosten und ist inzwischen zu haben. Zur Erinnerung: NSX ist ein virtueller SDN-Controller, mit dem VMware sich tiefer in den Netzwerk- und SDN-Markt verankert, VDS (Virtual Distributed Switch) ein virtueller Netzwerkswitch vom selben Hersteller. Dell legt derzeit im Netzwerkbereich einen Zahn zu, im zweiten Quartal 2013 wuchs der Umsatz hier um 19 Prozent.
In der Defensive steckt derzeit HP fest. Aufwind sollen unter anderem das SDN-Konzept nebst zugehörigen Lösungen bringen. Dabei betont HP wie kein anderes Unternehmen Offenheit – kein Wunder, hat man doch OpenFlow mit begründet. Dort wo Cisco auf seinen APIC setzt, propagiert HP die Outputs einer neuen ONF (Open Networking Foundation)-Arbeitsgruppe, welche die sogenannten Northbound-Schnittstellen zu den virtualisierten Netzanwendungen definieren soll.
Neu im HP-SDN-Gesamtsystem mit den Ebenen Infrastruktur, Steuerung (VAN SDN Controller), Anwendung (Sentinel, ConvergedControl und anderes) und Management (VAN Network Resource Automation/VAN Server Connect) sind seit kurzem ein SDN-Developer-Kit und ein App-Store. Unterstützt von HP können Anwender mit dem Kit neuartige Netzwerkanwendungen schreiben, die dann über den App-Store verkauft werden. Dabei sieht HPs Konzept unterschiedliche Kooperationsstufen vor: Softwarefirmen können wählen, ob sie ihre zertifizierten Apps in eigener Verantwortung, zusammen mit HP oder als OEM mit HP-Logo anbieten – je nachdem werden Kosten, Verantwortung und Gewinne unterschiedlich verteilt.
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