US-Gericht erklärt Regeln für Netzneutralität für ungültig
Die US-Telekommunikationsaufsicht FCC kann laut einem Urteil die Netzneutralität nicht durchsetzen. Die Internet-Service-Provider können nun selbst entscheiden, ob sie Inhalte gegen Bezahlung bevorzugen oder sogar Inhalte blockieren.
Die von der US-Telekommunikationsaufsicht FCC aufgestellten Regeln für die Netzneutralität hat ein US-Bundesberufungsgericht in Washington für ungültig erklärt. Die Richter entschieden, dass die Federal Communications Commission (FCC) in diesem Bereich zwar regulatorische Befugnisse habe, aber die Netzneutralität nicht durchsetzen könne – aufgrund der von ihr selbst vorgenommenen Einstufung der Breitbandanbieter als Informationsanbieter.
Die Regulierungsbehörde bringt mit dem inkompetenten Vorgehen die Netzneutralität in Gefahr. Marktbeherrschende Internet-Service-Provider wie Verizon, das erfolgreich gegen die Regeln klagte, und Time Warner können Abmachungen mit Inhalteanbietern wie Netflix, Disney, Amazon oder Google treffen, um Angebote gegen Bezahlung zu bevorzugen und schneller sowie verlässlicher als andere Sites zu übermitteln.
Kritiker befürchten, dass die Auswahl für Verbraucher sinken wird und kleinere Websites bedroht werden, die eine “schnellere Fahrspur” nicht bezahlen können. Zudem könnten Mobilfunkanbieter Datentarife mit reduzierten Zugangsmöglichkeiten weiter auffächern.
Im Open Internet Order hatte die FCC 2010 die Regeln für die Netzneutralität festgelegt. Demnach muss die Netzwerkverwaltung transparent sein und Provider dürfen Inhalte nicht blockieren sowie Traffic nicht “unangemessen diskriminieren”. Das Regelwerk beruht auf den Rechtsprinzipien für “Common Carrier”. Diese gelten bereits lange für Transportdienste, die öffentliche Verkehrswege nutzen, aber auch Telekommunikationsfirmen wurden so eingestuft. Die FCC stufte allerdings Jahre vor der Einführung der Regeln für die Netzneutralität die Breitbandanbieter nicht als “Common Carrier”, sondern als Informationsdienste ein. Aus diesem Grund entschied das Berufungsgericht, könne die Aufsichtsbehörde eben nicht die Common-Carrier-Regeln auf sie anwenden.
Als “alarmierend für alle Internetnutzer” schätzt Mozilla die Entscheidung ein. “Dank einer rechtlichen Formalität ist es vorbei mit wesentlichen Schutzvorkehrungen für die Wahlfreiheit der Nutzer und die Online-Innovation”, heißt es in der Erklärung weiter. “Indem die Internet Service Provider legal jeglichen Dienst blockieren und den Endnutzern vorenthalten können, wird das einst freie und unverzerrte Internet untergraben. Um Offenheit, Innovation und Chancen im Internet zu fördern, fordert Mozilla die FCC und den Kongress dringlich auf, diesen Fehler unverzüglich zu korrigieren.”
Die FCC will alle möglichen Optionen im Interesse der Amerikaner prüfen und erwägt Berufung beim Supreme Court zu beantragen. Allerdings erlaubt das Urteil der Behörde, die Regeln neu zu definieren. An den Fähigkeiten und Absichten der Regulierungsbehörde sind jedoch in der amerikanischen Öffentlichkeit erhebliche Zweifel aufgekommen. Sie werden genährt durch öffentliche Äußerungen des erst vor kurzem zum neuen FCC-Vorsitzenden berufenen Thomas Wheeler, einem früheren Lobbyisten der Telekombranche.
Vor ein paar Wochen befürwortete Wheeler selbst nicht etwa eine kompromisslose Netzneutralität, sondern “einen zweiseitigen Markt, bei dem Netflix sagen könnte: ‘Gut, wir bezahlen, um sicherzustellen, dass unsere Abonnenten die bestmögliche Übertragung dieses Films erfahren.’ Ich denke, wir sollten zulassen, dass sich solche Dinge entwickeln.”
[mit Material von Bernd Kling, ZDNet.de]