SAP will es einfach
SAP hat sich den Kampf gegen die Komplexität auf die Fahnen geschrieben. Das gilt für die eigenen Produkte und das Unternehmen selbst. Ein erstes Beispiel dafür zeigt SAP auf der Sapphire Now mit der Cloud-Finanzsuite. Mit der eigenen In-Memory-Strategie sieht man sich gegenüber den Konkurrenten Oracle klar im Vorteil.
“Wissen Sie, was mich schon immer genervt hat?”, fragte SAPs CEO Bill McDermott zu Beginn seiner Keynote auf der Sapphire Now. Die Antwort lieferte er sofort hinterher: “Komplexität”. Komplexität sei überall. Dem hat SAP nun den Kampf angesagt. “Wir haben den Traum von einer einfacheren Welt”, so McDermott.
“Einfach” war eines der meist genannten Worte auf der Kundenveranstaltung in Orlando. SAP-Lösungen sollen sich künftig leichter nutzen lassen. Die Anwender wissen, was damit gemeint ist. Schließlich haben sich die Software-Tools aus Walldorf bisher kaum durch Usability ausgezeichnet.
Doch mit der Datenbank Hana und der eigenen Cloud-Kompetenz glauben die SAP-Leute die Schlüssel in die Welt der Einfachheit zu besitzen. Konkret zeigt sich das in dem Angebot Simple Finance. SAP hat seine komplette Finanzbuchhaltung auf Hana und in die Cloud gestellt. So können die Finanzverantwortlichen in den Unternehmen die Funktionen für Planung, Analyse, Buchhaltung oder Risikomanagement im Abonnement und als Managed Service nutzen.
Die entsprechende Prozesse lassen sich laut Chris Horak deutlich beschleunigen. Monatsabschlüsse ließen sich zum Beispiel von Batch- auf Echtzeit-Bearbeitung umstellen. “Informationen zur Profitabilität sind dann nicht erst am Monatsende, sondern sofort verfügbar”, erklärt Horak, Global Vice President für das Cloud-Produktmarketing.
Anwender müssen laut SAP lediglich mit einer Datenquelle arbeiten – sowohl transaktionale als auch analytische Informationen liegen in Hana. Bestimmte Reporting- und Analysefunktionen lassen sich als Self-Service nutzen. Planungen können durch Predictive Analysis erweitert werden.
“Wir stellen unsere komplette Finanz-Suite in die Cloud”, sagt Rolf Schumann, Leiter Plattform-Lösungen für die Region Mittel- und Osteuropa. Die verschiedenen Anwendungen ließen sich aber auch als Einzellösungen nutzen.
Zielgruppe von Simple Finance sind zunächst große Firmen, da dort die Konsolidierung der Systeme am dringendsten ist. “In diesen Unternehmen ist der Leidensdruck am größten”, meint Horak.
Um den Endanwendern die Arbeit mit Programmen wie denen von Simple Finance zu erleichtern, hat der Walldorfer Softwerker Fiori sowie Screen Personas entwickelt.
Mit Fiori bietet SAP eine Sammlung von Nutzeroberflächen in Form von Apps an, mit denen sich die hauseigenen Software-Tools einfacher bedienen lassen sollen. Mit Screen Personas haben Anwenderunternehmen und Partner die Möglichkeit, die SAP-Software zu personalisieren.
Auf der Sapphire Now gab McDermott bekannt, dass die Anwender Fiori und Screen Personas nun im Rahmen bereits bestehender Lizenzen nutzen können.
Bisher hatte SAP für beide Angebote eine zusätzliche Gebühr verlangt. “Viele Leute sind der Meinung, dass Fiori und Screen Personas nicht kostenpflichtig sein sollten”, berichtet McDermott, “dem stimme ich zu”. Anwender, die bereits für die beiden Software-Produkte gezahlt haben, erhielten eine Vergütung, so McDermott.
Damit reagiert SAP auf Forderungen der deutschen Anwendervereinigung DSAG. “SAP hat erkannt, dass attraktive Oberflächen ein wichtiger Trend bei Anwendern sind, der bedient werden muss – und zwar im Rahmen der Standardwartung”, sagt Andreas Oczko, Vorstand der DSAG für Operations/Service & Support. “Jetzt können Anwender ohne zusätzliche Lizenzkosten evaluieren, ob sich Fiori und Screen Personas für ihr Unternehmen eignen oder nicht”, so Oczko weiter.
Einfachheit und Hana in einem Atemzug zu nennen – damit wird zumindest SAPs Konkurrent Oracle Probleme haben. Der US-Anbieter hat vor kurzem ebenfalls eine In-Memory-Datenbank angekündigt. Und laut Oracle-Deutschlandchef Jürgen Kunz ist für deren Einsatz keine Umstellung der Datenbankstruktur notwendig – im Gegensatz zur SAP-Lösung.
Angesprochen auf das Konkurrenzprodukt bleibt SAP-Mann Schumann aber gelassen. “Es ist schön, dass Oracle erkannt hat, dass In-Memory die Zukunft gehört”, sagt Schumann. Und fügt hinzu: “Aber leider haben sie es nicht verstanden.”
Laut Schumann werden bei Oracles Lösung nur einzelne Tabellen als Kopie von der Festplatte in den Arbeitsspeicher geschoben, um sie dort schneller auswerten zu können. Anschließend werden sie dann wieder synchronisiert.
“In-Memory braucht aber ein völlig neues Konzept”, meint Schumann. Im Gegensatz zu Oracle liegen beim Einsatz von Hana alle Daten – sowohl transaktionale als auch analytische – komplett im Arbeitsspeicher und werden dort auch prozessiert. Das löse das Problem der verschiedenen Datensilos, so Schumann.
Und es bringt deutliche Geschwindigkeitsvorteile: Das Konzept, nach dem Oracle oder auch IBM arbeitet, steigere das Tempo der Datenauswertung lediglich um das Fünf- bis Zwölffache. “Wir schaffen dagegen den Faktor 3000”, sagt Schumann.
Geschwindigkeit sei aber nicht alles, meint der SAP-Manager. “Das Entscheidende ist, dass durch In-Memory neue Anwendungen möglich werden und sich neue Geschäftsmodelle umsetzen lassen.”
Ins gleiche Horn stößt das Marktforschungshaus Gartner. Nach Meinung der Analysten profitieren besonders Anwendungen, die sehr viel IT-Ressourcen beanspruchen, von einer Leistungssteigerung durch In-Memory. Dadurch ließen sich bestimmte Applikationen auf völlig neue Weise nutzen. Bei der Materialbedarfsplanung zum Beispiel könnten Unternehmen quasi interaktiv auf veränderte Geschäftsanforderungen reagieren und müssten damit nicht bis zum nächsten Tag warten.
Schumann nennt einen Anbieter von Toilettenmaterial als Beispiel für die Möglichkeiten, die Hana bietet. Das Unternehmen hat die von ihm ausgestatteten öffentlichen Toiletten mit Sensoren versehen – etwa beim Zutritt oder am Seifenspender. Durch die Korrelation und Analyse der verschiedenen Daten auf Basis von Hana konnte die Firma laut Schumann unter anderem ihre Logistikprozesse verbessern und Lagerkosten einsparen.
Mit der Auswertung von Informationen aus Sensoren bewegt sich SAP auch in Richtung Industrie 4.0. Die Walldorfer sehen ihre Software künftig als wichtigen Bestandteil im Internet der Dinge und somit auch im Industrie-4.0-Konzept. “Wir können uns mit allen Sensoren verknüpfen und die Daten in Echtzeit auswerten”, meint CEO McDermott. Beispiele dafür gebe es schon – etwa im Hamburger Hafen, dessen Verkehr mithilfe von SAP gesteuert wird.
Steve Lucas nennt ein weiteres Beispiel. Er ist President für die Plattform-Lösungen bei SAP. Lucas berichtet, dass etwa John Deere mit Hana arbeitet. Der Landmaschinenhersteller nutzt das System, um Echtzeitinformationen der Geräte zu analysieren, die bei den Kunden im Einsatz sind. So kann das Unternehmen erkennen, wie die Produkte genutzt werden. Das könnte auch Vorhersagen ermöglichen, wann ein Bauteil ausfällt.
Einfachheit will SAP aber nicht nur als Etikett auf eigene Produkte kleben, sondern sich auch auf die eigene Firmentür schreiben. Auch das Unternehmen SAP soll einfacher werden, wie McDermott in Orlando ankündigte.
Zuletzt hatte der deutsche Softwerker mit Veränderungen in der Führungsetage und mit Restrukturierungen für Aufsehen gesorgt. Nun soll laut McDermott die Zahl der Hierarchieebenen im Unternehmen weiter reduziert werden. “Ein großes Unternehmen sollte nicht strukturiert sein wie eine Zwiebel”, so der Vorstandschef.
Die Zahl der Technikchefs wird jedoch erhöht. So ist Bernd Leukert nicht der alleinige Nachfolger des ehemaligen CTO Vishal Sikka, der vor kurzem das Unternehmen verlassen hat. Leukert wird eine Netzwerk aus fünf bis sechs Technikspezialisten leiten, die für für verschiedene Bereiche zuständig sind. “All die Unternehmen, die wir übernommen haben, besitzen tolle IT-Architekten”, so Leukert. “Und deren Expertise wird nun gebündelt.”