Wettbewerber: Telekom blockiert Breitbandausbau auf dem Land
Der Bonner Konzern zwinge Konkurrenten an langwierige Regulierungsverfahren, behaupten die Verbände Breko und Vatm. Verfügt die Hälfte der Bürger im Ausbaugebiet über eine Versorgung mit 1 MBit/s, kann die Telekom den Breitbandausbau verhindern. Aus der Sicht der Verbände reicht das allerdings nicht aus.
Erneut werfen die Branchenverbände Breko und Vatm der Deutschen Telekom vor, den Breitbandausbau auf dem Land zu behindern. Die Verbände vertreten die Mitbewerber des Bonner Konzerns. “Während die Politik einen flächendeckenden Breitbandausbau mit 50 MBit/s fordert, blockiert die Deutsche Telekom den Ausbau in ländlichen und unterversorgten Regionen schon bei 1 MBit/s”, heißt es in einer gemeinsamen Erklärung. Die Telekom verhindere neue Förderprogramme und Anstrengungen der Kommunen für einen schnellen Anschluss für möglichst viele Bürger mit Bezugnahme auf eine inzwischen veraltete Verfügung der Bundesnetzagentur.
Die Telekom kann aufgrund dieser Verfügung, Konkurrenten vom Breitbandausbau abhalten, wenn die Hälfte der Bürger in einem Ausbaugebiet mit 1 MBit/s versorgt ist. Die Telekom verweigert den Geschäftsführern der Wettbewerberverbände, Stephan Albers und Jürgen Grützner, zufolge neue Kabelverzweiger mit Glasfaseranbindung näher zum Kunden zu errichten oder sie entsprechend zu verlegen.
Aus diesem Grund hatte die EWE Tel ein Regulierungsverfahren bei der Bundesnetzagentur gegen die Telekom angestrengt. Die erste Anhörung bei der Bundesnetzagentur fand bereits vergangenen Freitag statt. “Zu solchen Verfahren sollte es aber eigentlich erst gar nicht kommen. Inklusive der vorher geführten Verhandlungen haben wir schon wieder fast zwei Jahre verloren”, schimpfen Albers und Grützner. Das Beispiel lege dar, dass Wettbewerbsbehinderung auch Behinderung des Breitbandausbaus sei. Politik und auch der Bund als stärkster Miteigentümer der Telekom müssten hier eingreifen.
“Es sollte unser gemeinsames Ziel sein, die Glasfaser so weit wie möglich in die Nähe der Bürger auch auf dem Land zu bekommen. Wer hier auf Wettbewerbsbehinderung und lange Regulierungsverfahren setzt, muss sich wirklich fragen lassen, ob so nicht Breitbandgipfel von Ministern und Ministerpräsidenten zur Farce gemacht werden”, sagte VATM-Chef Jürgen Grützner.
Im firmeneigenen Blog bezog die Telekom bereits gestern Stellung zu den Vorwürfen. Seit Jahren tätige man mehr Investitionen als andere Unternehmen in den Breitbandausbau auf dem Land. Dennoch sei die Telekom auch ein privatwirtschaftlich geführtes Unternehmen: “Wir können nur dort investieren, wo wir die Chance haben, unser Geld zurück zu verdienen. Wir investieren jedes Jahr über drei Milliarden Euro in unser Netz in Deutschland. Das ist viel Geld für ein einzelnes Unternehmen. Und trotzdem können wir nicht überall sein.”
Man versuche deshalb, mit Kommunen Kooperationen zu schließen. Bislang hätten fast zwei Millionen Haushalte mit insgesamt 5000 Kooperationsverträgen zusätzlich zum Regelausbau der Telekom schnelles Internet erhalten. Fast 24.000 Kilometer Glasfaser seien dafür verlegt und etwa 14.000 Verteilerkästen aufgestellt worden. Der Konzern will den Vorwurf, sich nur die Rosinen auf dem Land herauszupicken, nicht stehen lassen. Die Wettbewerbsverbände warfen der Telekom dies bereits im Herbst 2013 vor.
Wie die Telekom erklärt, richte sich der aktuell abgeschlossene, fünftausendste Kooperationsvertrag für schnelles Internet, dem Ausbau des 560 Einwohner zählenden Ortes Maria Thalheim in Bayern. Damit zeige es, dass man sich nicht nur um die Großen auf dem Land kümmere. Auf einer eigens dafür eingerichteten Website stellt die der Bonner Konzern eine Übersicht über die aktuellen Ausbaupläne bereit.
In Europa belegt Deutschland in Bezug auf Breitbandversorgung Rang fünf und liegt drei Prozentpunkte hinter Spitzenreiter Finnland. Das zeigen Daten die Bitkom im Januar vorgelegt hatte. Demnach verfügen 88 Prozent der finnischen Haushalte über einen Breitbandanschluss. Deutschland rangierte 2008 noch auf Platz neun, abgeschlagen hinter dem damalige Spitzenduo Dänemark und Niederlande (je 74 Prozent). Hierzulande verfügen mittlerweile 85 Prozent der Haushalte über einen Breitbandanschluss. Vor fünf Jahren waren es erst 55 Prozent.
Rund drei Viertel (76 Prozent) der Haushalte verfügen im EU-Durchschnitt über Breitbandanschlüsse. Vor Deutschland liegen neben Finnland aktuell Dänemark, Großbritannien sowie die Niederlande (je 87 Prozent). In Bulgarien, Griechenland und Rumänien ist die Breitbanddurchdringung am geringsten. Dort nutzen 56, 55 beziehungsweise 54 Prozent der Haushalte Breitbandverbindungen.
Die Forderung des Bundesministers für Verkehr und digitale Infrastruktur, Alexander Dobrindt, Anfang des Jahres hat gezeigt, dass weiterhin Handlungsbedarf besteht. Er hatte sich für eine “Netzallianz Digitales Deutschland” stark gemacht und einen “gemeinsamen Kraftakt von Industrieunternehmen und Politik” gefordert. Der Breitbandausbau sei der erste Schritt dabei, damit Deutschland und Europa gegenüber den USA und Asien wieder Boden gut mache.
[mit Material von Peter Marwan, ITespresso.de]