Banken-IT enttäuscht Regulierungsbehörden
Eine deutliche Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Regulierungsbehörden und den technischen Möglichkeiten der Banken für die Einhaltung von Vorgaben und Berichtspflichten stellen mehrere Studien fest. Doch scheint in vielen Instituten eine auf längere Sicht angelegte Strategie zu fehlen.
Bereiche wie Kundenzufriedenheit und auch die Einhaltung von regulatorischen Vorgaben könnten sehr wohl von modernen technologischen Errungenschaften profitieren. Laut der aktuellen Untersuchung “The Benefits of Innovative Information Technology in the Banking Industry“, gehen 77 Prozent der befragten Institute davon aus, dass moderne IT in den genannten Bereichen den größten Einfluss haben wird. Dennoch zeigt die Studie auch, dass die befragten Institute offenbar den Erwartungen der Regulierungsbehörden nicht immer gerecht werden. Auch im Dialog mit Kunden scheint es noch Raum für Verbesserungen zu geben.
Die Studie wurde von der Frankfurt School of Finance & Management, der New York University Stern School of Business and Management, der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, der Business Transformation Academy (Basel, Schweiz) und von dem Software-Anbieter SAP durchgeführt.
Die Studie belege neben anderen Trends im Bankwesen auch eine deutliche Diskrepanz zwischen den Erwartungen der Regulierungsbehörden und der Fähigkeit der Banken in Bezug auf die Einhaltung regulatorischer Vorgaben und Berichtspflichten. Es zeige sich auch, dass zahlreiche Banken bereits eine Erhöhung ihrer IT-Budgets einplanen. Diese Mehrinvestitionen sollen die entsprechenden Banking-Lösungen auf die neuen Anforderungen heben.
Ein Studienteilnehmer erklärt: “Bislang tendieren viele Banken zum Einsatz von Behelfs- und kleinteiligen Lösungen. Dies wird es für sie jedoch sehr schwer machen, den Anforderungen von morgen gerecht zu werden.”
65 Prozent der Befragten erklären, dass mobile Lösungen der wichtigste Trend der Zukunft sei. In-Memory Computing und Cloud-Technologie folgen mit 48 beziehungsweise 47 Prozent auf den Rängen zwei und drei.
Die Befragten würden laut Studie auch das Potenzial erkennen, das Big Data und Analysen für das Bankwesen besitzen. Auch werden in vielen Häusern heute ein deutlich größerer Wert auf umfassende Informationen als in der Vergangenheit gelegt. Die Vollständigkeit der Aggregation wird daher von 84 Prozent und die Verfügbarkeit von Echtzeitinformationen von 62 Prozent als wichtigste Eigenschaften von Lösungen genannt.
Die Ergebnisse der obigen von SAP finanzierten Untersuchung werden durch eine Studie des Beratungshauses PPI AG gestützt. So zeigt eine Untersuchung des auf die Finanzbranche spezialisierten Beraters, dass Banken den Aufwand etwa für die EU-Vorgabe “Markets in Financial Instruments Directive (MiFID)” unterschätzen. Mit diesem Regularium reagierte die EU auf die Finanzkrise. Gleichzeitig soll damit der europäische Finanzmarkt harmonisiert werden. Zwar würden bereits alle Unternehmen Informationen dazu sammeln, aber nur etwa ein Drittel habe mit der Projektplanung begonnen und weniger als 10 Prozent habe demnach mit der Umsetzung begonnen.
Ursula Besbak, Managing Consultant der PPI AG erklärt zudem in einem Interview mit silicon.de, dass viele Unternehmen sich mit Themen wie Big Data und Analystics auseinandersetzen. Doch hier scheint es noch wenige ganzheitliche strategische Ansätze zu geben. “Die meisten Strategien zielen auf Fragestellungen ab, wie etwa, welche Tools nutzen wir, welche Data-Warehouse-Architektur sollen wir einsetzen”, kommentiert Besbak. Es scheint den Banken, so eine der Schlussfolgerungen aus den Studienergebnissen, derzeit also mehr noch um technische Fragestellungen zu gehen, und weniger darum, was man mit diesen Technologien schlussendlich erreichen will.
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Was aber ergibt die Studie “The Benefits of Innovative Information Technology in the Banking Industry” über die Big-Data-Strategien der Banken? Demnach sollen sollen Big-Data-Lösungen Angebote auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden zuschneiden, die Handelsstrategien der Banken verbessern, mehr Transparenz hinsichtlich der Marktdynamik bieten und Marktforschung optimieren, die Fähigkeit der Banken verbessern, auf interne und externe Probleme reagieren zu können, qualifizierte Entscheidungsprozesse zu beschleunigen und schließlich Ansätze finden, über die sich Umsatzsteigerungen und Kostensenkungen aufdecken lassen.
Dafür müssen laut Studie Backoffice-Support-Systeme verbessert werden. Gerade Angebote mit Kunden-Schnittstelle müssen über alle Kanäle hinweg Dienstleistungen optimieren und konsistente Qualität gewährleisten.
Die Autoren der Studie raten darüber hinaus: “Durch die Synchronisierung klassischer und neuer Banking-Kanäle können moderne Banken alle vorhandenen relevanten Informationen über sämtliche Kundenschnittstellen abrufen. Zukünftig kommen Banken nicht umhin, einen optimierten Online-Service anzubieten und Kunden zum Beispiel per Online-Chat statt per Telefon zu beraten. Ferner müssen die Themen Datenschutz und Datensicherheit kompetent und gewissenhaft angegangen werden, um das Vertrauen der Kunden zu erhalten.”
Mobile ist ein weiteres Thema, das die Untersuchung “The Benefits of Innovative Information Technology in the Banking Industry” bleuchtet. Ein US-Vertreter etwa erklärt, dass rund ein Viertel aller Nutzer mobile auf Dienstleistungen der Bank zugreifen.
In so genannten Schwellenländern wie China, Indien, den Vereinigten Arabische Emiraten oder Brasilien ist die mobile Nutzung noch höher. Mobilgeräte erlauben Bevölkerungsgruppen, die zuvor nur eingeschränkt Zugang zu Banken hatten, Zugriff auf Finanzdienstleistungen. Einer der Studienteilnehmer stellt fest: “Mobilgeräte haben im lateinamerikanischen Markt eine höhere Durchdringung als PCs. Daher ist der mobile Kanal entscheidend, um diesen wichtigen und wachsenden Teil der Bevölkerung zu erreichen und zu bedienen.”
Was sind die Anforderungen und Erwartungen der Regulierungsbehörden?
Unter den Befragten herrschte Einigkeit darüber, dass regulatorische Anforderungen den Hauptantriebsfaktor für die Weiterentwicklung von Geschäftsmodellen darstellen. Nach Ansicht der Regulierungsbehörden sind Banken mit der bestehenden IT-Infrastruktur nicht in der Lage, ihren Anforderungen an das Risiko-Reporting zu entsprechen. Ein Sprecher einer Regulierungsbehörde teilt mit: “Banken werden IT-Budgets deutlich erhöhen müssen, um aktuelle und künftige Anforderungen zu erfüllen.”
Die Regulierungsbehörden wurden im Rahmen der Studie gebeten, die größten künftigen Kostentreiber der IT-Infrastruktur von Banken zu bewerten. Laut der Studie stellen die Richtlinien des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht für effektive Risikodatenaggregation und Risikoberichterstattung (BCBS 239) den größten Kostentreiber dar, gefolgt von Basel III, dem Dodd-Frank Act, den Empfehlungen des Liikanen-Reports, der Richtlinie über Märkte für Finanzinstrumente, der Verordnung über Märkte für Finanzinstrumente, der Verordnung über europäische Marktinfrastrukturen sowie Multi-Curve-Bewertungen.
Darüber hinaus haben die Regulierungsbehörden Merkmale definiert, die eine moderne IT-Infrastruktur aus regulatorischer Sicht aufweisen sollte. Demnach müssen Banken vor allem in der Lage sein, automatische Ad-hoc-Stresstests durchzuführen sowie aktuelle, vollständige und detaillierte Bilanzdaten und Daten bezüglich Geschäftspartnern für die gesamte Bank zu generieren.
Um eine nachhaltige Infrastruktur zu schaffen, empfehlen Regulierungsbehörden und Wirtschaftsprüfer:
• Implementierung eines zentralen Data Warehouse
• Optimierung der Daten- und Prozess-Governance
• verstärkte Einführung automatisierter Prozesse
• Implementierung von Modulen für automatische Analysen und Stresstests
• erweiterte Datenanalysen für Produktbewertung und Risikomanagement
• Funktionen für auf spezifische Personen und Rechtssysteme ausgelegte Analysen
Über die Studie:
Die Studie basiert auf drei Säulen: Sekundäranalysen, ausführliche Interviews mit Spitzenmanagern verschiedener weltweit tätiger Banken, Regulierungsbehörden, Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen in den USA, Europa und Afrika sowie einer Online-Umfrage unter mehr als 1500 Mitgliedern des Alumni-Netzwerks der Frankfurt School of Finance & Management. Lediglich Mitglieder der oberen und höchsten Führungsebene der jeweiligen Institution oder des betreffenden Fachbereichs wie etwa Risikomanagement, Front Office oder der IT sind für diese Studie befragt worden.