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Sharing Economy: die neuen Leitlinien der EU

Uber, Airbnb, DriveNow, Car2Go, Flinkster, BlaBlaCar et cetera – über diese noch jungen Unternehmen liest man fast täglich in den Zeitungen – allerdings nicht nur Positives. Manche dieser Unternehmen werden in der Öffentlichkeit gerne als Ursache für Mietsteigerungen in Ballungsräumen oder als Vernichter des Taxigewerbes dargestellt. Die teils milliardenschweren Start-ups, unter anderem aus dem Silicon Valley, gelten aber auch als Revolutionäre der Mobilitäts- und Hotelbranche.

Dr. Thomas Grünvogel, der Autor dieses Gastbeitrags für silicon.de, ist Rechtsanwalt bei der internationalen Kanzlei CMS Hasche Sigle und spezialisiert im Vertriebs- und Kartellrecht (Bild: CMS Hasche Sigle).

Als solche sind sie ernstzunehmende Wettbewerber etablierter Unternehmen und prominente Beispiele für das seit Jahren wachsende Geschäftsfeld der sogenannten “Sharing Economy” (deutsch: “kollaborative Wirtschaft”). Der Bruttoumsatz von Plattformen und Anbieter der Sharing Economy in der EU wird für das Jahr 2015 auf 28 Milliarden Euro geschätzt.

In fünf Schlüsselbranchen der EU hat sich ihr Umsatz im Vergleich zum Vorjahr somit fast verdoppelt. Schätzungen einiger Experten zufolge könnte die EU-Wirtschaft durch die Sharing Economy um 160 bis 572 Milliarden Euro zunehmen. Deshalb bestehen hier nach Ansicht der Europäischen Kommission große Chancen für neue Unternehmen, diese schnell wachsenden Märkte zu erschließen.

Was ist die “Sharing Economy”?

An der Sharing Economy kann jeder ohne großen Aufwand teilnehmen und mit seinen verfügbaren Kapazitäten oder Ressourcen Geld verdienen. So vermieten Privatpersonen während eines Urlaubs ihre Wohnung an andere Urlauber oder beim täglichen Pendeln werden die freien Plätze im Auto anderen unter Beteiligung an den Kosten zur Verfügung gestellt (sogennantes Ride-Sharing).

Für die Vermittlung solcher Leistungen haben sich bereits einige große Portale etabliert, wie Airbnb oder BlaBlaCar. Andere Plattformen werden von den Unternehmen, die ihre “Sharing Dienstleistungen” anbieten selbst oder jedenfalls mittelbar betrieben, so zum Beispiel beim Carsharing durch BMW/Sixt (DriveNow) oder Daimler/Europcar (Car2Go).

(Bild: Prathan Chorruangsak / Shutterstock.com

Der Grundgedanke der Sharing Economy basiert auf einem einfachen Prinzip: Das Eigentum rückt in den Hintergrund und die reine Nutzungsmöglichkeit in den Vordergrund. So wird beispielsweise in Innenstädten das eigene Auto immer mehr zur Last (kaum Parkplätze, hohe Kosten). Viele kaufen sich deshalb durch eine Mitgliedschaft bei einer oder mehreren Carsharing-Plattformen “Mobilität” anstatt ein eigenes Auto.

Die Sharing Economy bewirkt unter anderem eine effizientere Ressourcennutzung als bisher. Viele verbinden dies auch mit Umweltschutzaspekten. Vor allem Großstädte leiden unter der Luftverschmutzung, die durch die schiere Masse an Fahrzeugen täglich entsteht. Carsharing-Konzepte, wie mit Elektroautos in Paris, scheinen die Zukunft zu sein.

Die rechtlichen Herausforderungen für die Sharing Economy

Aufgrund des wachsenden Erfolgs der Sharing Economy werden die Stimmen lauter, die rechtliche Rahmenbedingungen fordern. Dies führte in jüngster Vergangenheit beispielsweise zu Demonstrationen von Taxifahrern in mehreren Ländern gegen den Fahrdienst Uber oder zum Erlass von Regelungen gegen die Zweckentfremdung von Wohnraum, beispielsweise in Berlin, um das Vermieten von Privatwohnungen über die Plattform Airbnb einzudämmen.

Die rechtliche Herausforderung ist neben dem Schutz der Teilnehmer die Wahrung der öffentlichen Sicherheit durch die im Rahmen der Sharing Economy angebotenen Leistungen und insbesondere die Vermischung des privaten und unternehmerischen Tätigwerdens der Anbieter der Leistungen. Nun hat sich erstmals auch die Europäische Kommission zum Thema Regulierung der Sharing Economy in einer Mitteilung vom 2. Juni 2016 geäußert. Danach ergeben sich rechtliche Herausforderungen derzeit insbesondere noch in den folgenden Bereichen:

1. Marktzugangsanforderungen

Da die Teilnehmer der Sharing Economy in Märkten tätig werden, auf denen bisher herkömmliche Dienstleistungsanbieter vorherrschten, stellt sich die Frage, ob und – falls ja – in welchem Maße Plattformen und Dienstleistungsanbieter Marktzugangsanforderungen unterliegen sollen. Dies kann Genehmigungen für eine Geschäftstätigkeit (zum Beispiel Lizenz für Taxigewerbe), Zulassungspflichten oder Mindestanforderungen für Qualitätsstandards (zum Beispiel Größe der Räume, Art der Fahrzeuge, Versicherungs- oder Einlagepflichten) einschließen. Dadurch soll zum einen ein gewisser Schutz für die Nutzer von Leistungen der Sharing Economy, zum anderen aber auch Gleichberechtigung zu den herkömmlichen Anbietern geschaffen werden.

Solche Marktzugangsanforderungen müssen nach EU-Recht gerechtfertigt und verhältnismäßig sein, wobei die Besonderheiten der Geschäftsmodelle und der betreffenden innovativen Dienstleistungen zu berücksichtigen sind und ein Geschäftsmodell nicht gegenüber anderen bevorzugt werden darf.

Da die Grenzen zwischen privatem und gewerblichem Handeln fließend sind, ist derzeit unklar, wann solche Anforderungen auch Privatpersonen treffen, die über eine Sharing Plattform Leistungen anbieten. Die Mitgliedstaaten wenden unterschiedliche Bewertungsmaßstäbe zur Ermittlung des Vorliegens einer gewerblichen Tätigkeit an.

In ihrer Mitteilung “Europäische Agenda für die kollaborative Wirtschaft” vom 2. Juni 2016 berichtet die Europäische Kommission, dass im Verkehrssektor einige Mitgliedstaaten planen, in geringem Umfang erbrachte Personenbeförderungsdienste – unterhalb einer bestimmten Jahresumsatzschwelle – von den Zulassungsanforderungen auszunehmen. Was vorübergehende Unterkünfte anbelangt, erlaubten einige Städte die Kurzzeitvermietung und das Teilen von Wohnraum ohne vorherige Genehmigung oder Anmeldung, sofern diese Dienste gelegentlich erbracht werden, das heißt bis zu einem bestimmten Schwellenwert von beispielsweise weniger als 90 Tagen im Jahr.

Blablacar (Screenshot: silicon.de)

Daneben stellt sich die Frage, ob auch die Plattformen selbst den Marktzugangsanforderungen entsprechen müssen. Entscheidend ist hierbei, ob die Plattform selbst Erbringer der zugrundeliegenden Leistungen ist oder diese lediglich vermittelt. In letzterem Falle liegt eine bloße Dienstleistung der Informationsgesellschaft vor, auf welche insbesondere die Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr Anwendung findet. Zulassungs- oder sonstigen Anforderungen entsprechend den vermittelten Leistungen unterliegt sie aber grundsätzlich nicht.

2. Haftungsausschluss für reines “Hosting”

Die Plattformen der Sharing Economy können zudem unter bestimmten Voraussetzungen von einer Haftung für die von ihnen gespeicherten Informationen ausgenommen werden. Ein solcher Haftungsausschluss kann nur im Einzelfall bewertet werden und hängt von der rechtlichen und sachlichen Einordnung der Tätigkeit der Plattform ab. Ist die Rolle der Plattform rein technisch, automatisch und passiv spricht allerdings vieles für ihre Einordnung als reiner Hosting-Dienst mit einer entsprechenden Haftungsbefreiung.

3. Schutz der Nutzer

Eines der meistbeachteten Schauplätze, in denen neue Firmen und alteingesessene Anbieter um ihren Platz in der Sharing Economy” kämpfen ist das Transport- und Taxigewerbe. (Bild: Shutterstock / Lisa S.)

Die Vorschriften der EU zum Verbraucher- und Marketingschutz sind darauf ausgelegt, eine “schwächere” Partei zu schützen. Dies ist in der Regel der Verbraucher. Ist Anbieter der Leistung ein Unternehmer (so regelmäßig beim Carsharing) besteht in den Mitgliedstaaten bereits ausreichender Schutz für die die Nutzer.

Bei der Sharing Economy ist jedoch nicht zwangsläufig ein Unternehmen oder ein gewerblich Tätiger der Anbieter der Leistung. Oftmals (beispielsweise bei der Vermietung von Privatwohnungen) ist der Anbieter gerade nicht gewerblich tätig und deshalb selbst Verbraucher. Für diese Konstellation besteht derzeit kein dem EU-Recht für Verbraucher- und Marketingschutz adäquater Rechtsrahmen.

4. Steuern und Soziales

Auch in den Bereichen Steuern und Soziales gibt es derzeit noch Defizite. Da die Leistungen auf den Plattformen häufig von Privatpersonen angeboten werden, ist nicht gewährleistet, dass die Finanzbehörden ausreichend darüber informiert werden. Einzelne Plattformen bieten hierfür bereits Hilfestellungen (zum Beispiel Ausweis der Umsatzsteuer, et cetera) und kooperieren mit Finanzbehörden.

Durch die Vermischung von privatem und gewerblichem Handeln werden auch die Grenzen zwischen Angestelltem und Selbständigem verwischt. Auch dieser Bereich bedarf noch weiterer Konkretisierung durch die Mitgliedstaaten.

Fazit

Als gesichert gilt, dass die Umsätze der Sharing Economy weiterhin steigen werden. Die Herausforderungen an das Recht und an die Innovationskraft der herkömmlichen Wettbewerber steigen damit ebenfalls. Entsprechend der Ansicht der Europäischen Kommission ist eine Überreglementierung der Sharing Economy jedoch zu vermeiden. Auch wenn einzelne Regelungen der EU (zum Beispiel zum Verbraucherschutz) auch auf die Sharing Economy Anwendung finden, gibt es insbesondere dann, wenn Privatpersonen Leistungen anbieten, rechtliche Defizite.

Im Sinne eines einheitlichen Umgangs mit der Sharing Economy sollten die Mitgliedstaaten mit Augenmaß und wirtschaftlicher Weitsicht dort Anforderungen aufstellen, wo dies notwendig ist. Nur so können zukünftig die herkömmlichen Anbieter und die Sharing Economy parallel existieren und auch Synergieeffekte schaffen. Dies zeigt sich insbesondere im Bereich der Sharing Mobility. Dort könnte beispielsweise in einem ländlichen Gebiet die letzte Meile ab der Endstation des öffentlichen Nahverkehrs mit einem Ride-oder Carsharing-Konzept abgedeckt werden.

Redaktion

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