Electronic Data Interchange – die Chance für den Mittelstand
Eine Möglichkeit den Datenaustausch mit Kunden und Lieferanten zu automatisieren sind unter anderem Cloud-basierte Electronic-Data-Interchange-Lösungen (EDI). Doch auch hier bleibt die Entwicklung nicht stehen.
Bis 2017 werden 75 Prozent aller Interaktionen mit Kunden ohne das Zutun eines Menschen ablaufen. Das gilt ganz besonders für Themen wie Rechnungsstellung und Bestellungen und Nachrichten, so die Marktforscher von Gartner. Die Veränderungen in den einzelnen Branchen geht unterschiedlich schnell voran, allen gemeinsam ist aber, dass ein effektiver Dokumentenaustausch in Zukunft ein wichtiger Baustein für den Unternehmenserfolg im Bereich B2B-Comerce ist.
Menschliche Interaktion kann schnell zu Fehlern führen. Die wiederum erschweren es, Kunden zu gewinnen, diese zufriedenzustellen und vor allem sie zufrieden zu halten. Neben Lieferanten- und Branchennetzwerken (PO/Invoice Networks) spielen hier Lösungen für Electronic Data Interchange (EDI) natürlich eine große Rolle, weil sie in komplexen Kunden/Lieferantenbeziehungen höhere Flexibilität bieten. Papierbasierte Prozesse und mehrstufige Verfahren, etwa für die Bestellung eines Artikels, werden dabei durch ein standardisiertes Messaging zwischen zwei Rechnersystemen übernommen.
B2B-Commerce – Mehr als Datenaustausch
Das eliminiert nicht nur menschliche Fehlerquellen, sondern beschleunigt den Vorgang erheblich, vor allem auch dann, wenn Rechnungen oder Nachrichten über verschiedene Regionen und Sprachbarrieren hinweg ausgetauscht werden. Der Austausch struktuierter Nachrichten über den EDI-Prozess wird durch Formate wie ANSI, VDA, CSV oder XML standardisiert. Dadurch wird der Austausch von Dokumenten über Fax oder Email automatisiert und die manuelle Interaktion weitgehend ersetzt.
Doch wie Andrew Bartels in der Forrester-Studie “Vendor Landscape: B2B Business Networks” festhält, ist ein Kaufprozess im B2B-Umfeld deutlich komplexer: “Anders gesagt, B2B-Commerce ist nicht nur der elektronische Austausch von Daten, sondern es ist elektronischer Dokumenten-Austausch und Koordination.” Schließlich muss jeder Schritt in einem Bestellvorgang nachvollziehbar dokumentiert sein.
Wie auch in anderen Bereichen setzten sich auch bei EDI immer mehr Cloud-basierte Angebote durch. Dadurch sinken, was gerade für kleinere Mittelständler interessant ist, die Einstiegsinvestitionen erheblich. Die meisten Web-EDI-Lösungen haben eine Grundgebühr, zu der dann Kosten für einzelne Transaktionen und Lieferantenbeziehungen hinzukommen. So lassen sich vergleichsweise schnell EDI-Projekte realisieren.
Vor allem Unternehmen, die größere E-Commerce-Plattformen wie Ebay oder Amazon oder auch Konzerne mit einem umfassenden Lieferantennetzwerk in die Vertriebsstrategie einbeziehen, werden um geeignete Lösungen nicht umhinkommen. EDI bietet damit nicht zuletzt auch die Möglichkeit, neue Kunden zu gewinnen.
EDI-Delle im Mittelstand?
Bei größeren Unternehmen sind daher solche Lösungen meist bereits gesetzt, denn damit lassen sich die immer umfangreicheren udn komplexeren Geschäftsbeziehungen standardisieren. Auch kleinere und vor allem junge Unternehmen steigen häufig schnell auf diesen Zug auf, weil sie dadurch schneller größere Verträge abschließen können. Und in einigen Bereichen geht schließlich ohne EDI gar nichts mehr: Wer nicht dazu in der Lage ist, kommt als Lieferant gar nicht mehr in Frage.
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Größere Zurückhaltung aber scheint es vor allem bei bereits etablierten Mittelständlern zu geben, wie in Branchenkreisen immer wieder zu hören ist. Aufgrund eingespielter Geschäftsbeziehungen, einem übersichtlichen Lieferanten- und Kundennetz verspüren sie derzeit offenbar noch wenig Druck, in neue Lösungen zu investieren. Denn das Business läuft nach wie vor.
Doch das ist eine riskante Haltung. Denn so vergeben etablierte Unternehmen Chancen und möglicherweise Wettbewerbsvorteile gegenüber Marktbegleitern und potenziellen Abnehmern. Gerade große Handelspartner, die mehrere Tausend oder Zehntausende Lieferanten haben, müssen auf eine Standardisierung pochen, und die gibt EDI vor.
Die standardisierte Schnittstelle ist nur der Anfang
Stellt man eine standardisierte Schnittstelle zu Lieferanten und Kunden über EDI her, dann ist das sicherlich ein wichtiger erster Schritt. Allerdings sollte es damit nicht getan sein, denn auf diese Weise lassen sich auch weitere Prozesse im Backend wie auch in der Lieferkette optimieren und auf Effizienz trimmen.
Doch wie der Supply-Chain-Experte Christian Titze vom Beratungshaus Gartner im silicon.de-Blog erklärt, unterliegen ERP-Systeme im Backend gewissen Einschränkungen: “Bekannte Applikationen wie ERP (Enterprise Resource Planning) erlauben meist nur eine interne Sicht auf Prozesse mit limitierten Möglichkeiten eines Gesamtüberblicks innerhalb des Ökosystems. Es bedarf daher dieser zentralen Technologieplattform, welche folgende Leistungsfähigkeiten besitzt: Supply-Chain-Sichtbarkeit, Planung und Ausführung im Multi-Enterprise-Netzwerk auf Basis einer Cloud-Lösung mit spezieller Betonung auf Ereignismanagement (Event Management) und Reaktionsplanung (Response Planning)”.
Mit diesen Möglichkeiten lassen sich Vertriebsprozesse nicht nur hinsichtlich der Quantität sondern auch qualitativ optimieren. Prozesse können dank des standardisierten Austauschs von Daten schlanker und transparenter gestaltet werden.
Die Transparenz etwa lässt sich für die Kundenbindung einsetzen. Wer zu jeder Zeit den Status einer Bestellung kennt, muss nicht im Kunden-Support nachfragen, wo das Bestellte bleibt. Der Kunde wird automatisch benachrichtigt, wenn sich der Versand verzögert.
Königsdisziplinen: Fehlertoleranz und Flexibilität
Doch genau bei dieser Behandlung von Ausnahmen oder falschen Informationen stoßen ‘klassische’ EDI-Web-Konnektoren an ihre Grenzen. Das Ziel sollte sein, dass ein Bestellprozess oder eine Rechnungslegung auch dann möglichst ohne manuelle Hilfe auskommt, wenn eine Bestellnummer, ein Preis oder Lieferdatum nicht richtig eingegeben wurde.
Diese Standardisierung kann aber auch den gesamten Prozess im Unternehmen optimieren. Nämlich dann, wenn beispielsweise eine Bestellung – in welcher Form auch immer sie das Unternehmen erreicht – in Formate umgewandelt wird, die dann an die an der Bestellung beteiligten Unternehmensbereiche, Abteilungen und IT-Systeme weitergeleitet wird.
Durch einen digitalen Workflow können Unternehmen die Daten auswerten und verifizieren, wovon unter anderem die Ressourcen-Planung profitieren kann. Die Abteilungen bekommen so eine optimierte Transparenz und können beispielsweise mit Hilfe dieser Daten Bereiche identifizieren, in denen es häufiger Probleme gibt, oder in denen Umsätze stagnieren. Mit Hilfe smarter Analysen lassen sich dann auch längerfristige Forecasts erstellen, worüber sich beispielsweise die Lagerhaltung optimieren lässt.
Für den Gartner-Analysten Titze markieren diese Fähigkeiten den Übergang der Phase des Mulit-Enterprise hin zum “Advanced-Multi-Enterprise”. Seiner Ansicht nach gleichen sich die technologischen Fähigkeiten der Unternehmen immer mehr aneinander an und die Zahl der Teilnehmer an einem Lieferantennetzwerk wächst ständig. Mit Hilfe von Technologien wie In-Memory und hybriden Cloud-Infrastruktren wachsen die Lieferketten immer mehr zusammen.
“Viele Unternehmen wenden den Fokus weg vom strikten Abarbeiten interner Prozesse, hin zu kollaborativen Lieferketten”, erklärt Titze. “Dies erlaubt Firmen nicht nur, auf Ereignisse zu reagieren, sondern vielmehr auch proaktiv zu agieren, das heißt mögliche Probleme frühzeitig zu erkennen und diese gemeinschaftlich mit Geschäftspartnern zu lösen.” Wie gesagt, eine standardisierte Rechnungsstellung kann hier nur ein erster Schritt sein.
Und das hat auch Auswirkungen auf die Produktlandschaft, wie Forrester-Analyst Bartels festhält: “Die alte Trennung zwischen EDI-basierten Netzwerken, PO/Invoice-Networks (Purchase Orders) und vertikalen Branchen-Netzwerken bricht langsam zusammen, statt dessen gibt es immer mehr Konkurrenzkampf zwischen den unterschiedlichen Netzwerkmodellen, die alle ihre Stärken und Schwächen haben.”