IoT-Anwendungen realisieren, ohne Code zu schreiben

PTC gibt es bereits seit Mitte der 1980er Jahre, bekannt wurde das Unternehmen als Anbieter von Programmen, die bei der Produktentwicklung eingesetzt werden. Ein Start-up ist das 6000-Mann-Unternehmen nicht mehr: Es setzte 2015 rund 1,3 Milliarden um und arbeitet mit einem Netzwerk von rund 230.000 Entwicklern weltweit zusammen. In den vergangenen fünf Jahren hat PTC allerdings gezielt rund 700 Millionen Dollar in den IoT-Markt investiert, um letztlich sein IoT-Softwareportfolio rund um die IoT-Plattform ThingWorx aufzubauen. Das Investment hat sich bislang gelohnt: Das Marktforschungsunternehmen BCC, das den weltweiten Markt für IoT-Technologieplattformen im Jahr 2015 auf ein Volumen auf 221 Millionen Dollar beziffert, weist PTC 27 Prozent davon zu.

Dem ging eine gezielte Anstrengung voraus: In den Jahren 2014 und 2015 kaufte PTC gleich mehrfach ein. Zunächst als Kernkomponente für seine zukünftige IoT-Umgebung die IoT-Plattform der Firma ThingWorx, ergänzt durch die schon einige Jahre alte Axeda, deren wichtigstes Produkt eine Remote-Service-Plattform mit repräsentativen Kunden war. Dazu kamen das Start-up ColdLight mit einem Analytik- und Maschinenlernen-Entwicklungskit und Vuforia, ein Spezialist für Augmented und Virtual Reality, für die interaktive Anreicherung visueller Darstellungen durch zusätzliche Informationen, etwa auf dem Screen einer Datenbrille. Als letztes folgte Kepware mit einer maschinennahen Connectivity-Plattform. Damit positioniert sich PTC nun auch als Anbieter von Lösungen für “Edge Computing

Insgesamt entstand ein rund 800 Mitarbeiter starker neuer Unternehmensbereich, die Technology Platform Group. PTCs Idee war dabei, nicht wie bisher vor allem beim Produktdesign stehen zu bleiben, sondern den gesamten Produktlebenszyklus in den Blick zu nehmen, einschließlich vorbeugender, digital unterstützter Wartung aus dem Hintergrund.

Plattformdesign

So entstand PTCs aktuelles IoT-Angebot unter der Marke ThingWorx, das von Gartner und Experton in ihren aktuellen Untersuchungen des IoT-Plattformmarktes als eines der besten bewertet wird. Die Kernumgebung, ThingWorx Foundation, besteht aus vier Ebenen, die wiederum unterschiedliche Module haben. Dazu kommen Analytik, Connectivity und Virtual Reality, welche die Kern-Plattform mit ihren Modulen gewissermaßen umlagern. Diese Bereiche können bei Bedarf beziehungsweise Kundenwunsch durchaus gegen andere Lösungen von Drittherstellern ausgetauscht werden.

Die unterste Ebene von ThingWorx bildet wie üblich die Connectivity-Schicht. Sie beheimatet diverse Funktionen und Optionen, um das Datenmodell der angeschlossenen Geräte einzubinden, Dazu gehören Komponenten wie der ThingWorx Edge Micro Server, verschiedene SDKs oder proprietäre Datenkonnektoren, mit deren Hilfe vielfältige Endgeräte und ihre Controller eingebunden werden. Die zugekaufte Software KEPServerEx von Kepware bietet mit über 150 verschiedenen Protokoll-Adaptern und Treibern Echtzeit-Zugriff auf industrielles Equipment und Automatisierungssysteme.

Der KEPserverEx bietet nach oben zu den Applikationen und nach unten zu den Endgeräten sehr vielfältige Schnittstellen (Bild: PTC)

Daten aus den angebundenen Endgeräten werden in KEPServer Ex konsolidiert und können dann über verschiedene Anwendungsschnittstellen an Applikationen und Plattformen, inklusive ThingWorx Foundation weitergegeben. Außerdem ist die Connectivity-Schicht für die Entdeckung der Endgeräte zuständig, enthält Tools für die Festlegung von Connectivity-Sicherheitsregeln und Diagnosewerkzeuge. Das ThingWorx Edge Connectivity Protokoll liefert alle Komponenten für eine sichere und bandbreitenoptimierte Übertragung. Kunden können aber für die Connectivity auch eine andere Lösung wählen.

Das gilt auch für die nächste Schicht, die Device Cloud. Sie lässt sich je nach Kundenwunsch in der PTC-Cloud, beim Kunden, über AWS, Microsoft Azure oder andere Provider realisieren. Wählt man die PTC-Variante, realisiert direkt beim Kunden oder in der Cloud des Anbieters, finden sich auf dieser Schicht beispielsweise Rollen- und Autorisierungsfunktionen und die applikationsseitigen Adapter für Protokolle wie CoAP, MQTT und so weiter, die man auch hier terminieren kann. Nutzt man andere Cloud-Provider, ist man hier auf deren Funktionen verwiesen.

Modellierung und Visualisierung ohne Java-Kenntnisse

Die Kernkomponente der PTC-Lösung ist die Application-Enablement-Schicht. Hier können Anwender oder deren Softwarehäuser auf einer visuellen Oberfläche ohne Programmierkenntnisse mit dem ThingWorx Composer Datenmodelle für spezifische Systeme und Endgerätetypen erstellen, sogenannte ThingModels, eine digitale Repräsentation der Gerätedaten, der damit verbundenen Business Logic und des Event Processing.

Die Prozesse, die als Dienste eines digitalen Objekts beschrieben werden, lassen sich ohne Programmierkenntnisse erstellen. Sie können aber auch eigenen Software Code verwenden und einbinden. Auf Basis der Datenmodelle und der Dienste, kann man mit einem grafischen Oberflächeneditor, dem so genannten Mashup Builder, auch gleich individualisierte, ansprechende und leicht verständliche Oberflächen bauen – ebenfalls ohne Programmierung.

Die IoT-Plattform ThingWorx von PTC setzt sich aus diversen Modulen zusammen, die eingekauft und zu einer Lösung zusammengefügt wurden (Grafik: PTC)

Weiter findet sich in diesem Kernbereich der ThingWorx-Lösung die Verbindungsmöglichkeit zu externen Diensten und Applikationen. Hier werden also beispielsweise Daten an SAP, Salesforce.com oder andere Services übergeben.

Die oberste Schicht ist das Device Management, wo Workflows definiert, und die einzelnen Assets und Benachrichtigungen verwaltet werden. Außerdem kann man auf diesem Level beispielsweise Pakete zusammenfassen, mit denen digitaler Content wie Software, Konnektoren oder Skripte gebündelt an einzelne Endgeräte oder Endgerätetypen ausgeliefert werden. “Das Besondere dabei ist, dass unsere Technologie auf Verbindungen ausgelegt ist, die auch mal während der Übertragung zusammenbrechen können”, erklärt Dr. Philipp Kesten, Partner Enablement Manager, Technology Platform Group, EMEA.

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Optional können PTC-Kunden von den vorhandenen Analytik-Funktionen der Plattform profitieren, die ColdLight eingebracht hat und die nun als ThingWorx Analytics angeboten werden. Dazu gehören beispielsweise Algorithmen mit Prognosecharakter, die etwa voraussehen, wenn Geräte bald ausfallen, eine Empfehlungs-Engine und die Analyse von Echtzeitdaten mit dem ThingWatcher Modul.

Zudem gehören zum ThingWorx-Angebot auf der Visualisierungsschicht die von Vuforia entwickelten Augmented-Reality-Tools. Mit ihnen können Entwickler beim Kunden oder spezialisierte Softwarehäuser entsprechende Lösungen bauen, die sich auch auf mobilen Geräten bereitstellen lassen und zum Beispiel analysierte und konsolidierte Endgerätedaten direkt auf reale Elemente bezogen darstellen.

“Die vielfältigen Modellierungsmöglichkeiten über einfache, visuelle Tools, ohne dass man programmieren muss, sind unser wichtigstes Alleinstellungsmerkmal. Damit erledigen tatsächlich viele unserer Kunden diese Aufgaben selbst”, betont Kesten. Kunden können den Umgang damit in einer einwöchigen kostenpflichtigen Bassisschulung lernen, wobei der Preis nicht kommuniziert wird. Dazu kommen nach Wunsch Spezialmodule zu Einzelthemen. Es gibt aber auch eine kostenlose Variante: das Online Angebot der ThingWorx Developer Community. Sie eröffnet den Zugang zu Demosystemen, Quick Starts, Tutorials und zu den ThingWorx E-Learning Inhalten, dei helfen sollen, sich das ThingWorx-Wissen anzueignen.

Preisgestaltung: Höchst individuell

Hinsichtlich seiner Preisgestaltung gibt sich PTC im Interview ziemlich bedeckt. “Wir haben eine Einstiegsebene, wo Entwickler einen Server und Tutorials kostenlos nutzen können, um die Lösung erst einmal kennenzulernen bis es dann kommerziell wird”, sagt Kesten. Die Software wird im Abomodell vertrieben und in verschiedenen Editionen angeboten. Die kommerziell nutzbare “Standard Edition” kostet ab 2000 Euro monatlich, dazu kommen weitere optionale Komponenten, wie ThingWorx Analytics oder auch Cloud Services.

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Die verschiedenen Plattform Editionen enthalten eine gewisse Anzahl von Nutzern (Geräten) und Datenpunkten, die an die Plattform gesendet werden. Die Kunden können dann flexibel weitere Nutzer und Datenpunkte erwerben, je nachdem wieviele benötigt werden.

Über seine Wachstumsaussichten und Zukunftspläne schweigt sich das Unternehmen, das an der Technologiebörse NASDAQ registriert ist, im Interview aus. Doch man darf davon ausgehen, dass sie vor allem darin bestehen, den derzeitigen Vorsprung bei den Marktanteilen zu halten oder noch auszubauen – was bei der Vielfalt von Wettbewerbern und der Unübersichtlichkeit des Marktes schon schwer genug werden dürfte.

Anwender und Partner

Zu den Anwendern der Lösung gehören in Europa beispielsweise Leica, wo man mit ThingWorx Hochleistungsmikroskope überwacht. Auch der Waagen-Spezialist Mettler Toledo verwendet ThingWorx. Er hat beispielsweise das Eichdatum als Property ins Datenmodell einfließen lassen, so dass bei einer fälligen neuen Eichung ein Alert erzeugt wird. Heidelberger Druck ein Spezialist für Druckmaschinen, integriert PTC Software mit der Software seiner Druckmaschinen, um deren Steuerung und Wartung zu erleichtern. Fehlermeldungen werden beispielsweise von der Druckmaschine über einen Konnektor von ThingWorx direkt an SAP weitergeleitet und dort verarbeitet. Zudem analysiert das Unternehmen in Abstimmung mit seinen Kunden die relevanten Maschinendaten und bietet auf dieser Basis intelligente Datenprodukte für Zusatzdienstleistungen rund um Betrieb und Service der Maschine.

Die Partnerlandschaft von PTC ist vielfältig: Sie beginnt mit der Zertifizierung von Connectivity-Hardware zur Kommunikation mit der Plattform, was beispielsweise bei Herstellern wie HPE, Cisco oder Intel auf klassische “Cooptition” hinausläuft.

Nach Ansicht von PTC reichen konventionelle Gateways nicht mehr aus, wenn Rechenleistung und analytische Verarbeitung am Rande des Netzwerks vonstatten gehen sollen – oder aus Sicherheits- und Geschwindigkeitsgründen – dort vonstatten gehen müssen (Bild: PTC).

Telekommunikationsanbieter wie Portugal Telecom, Telefónica oder Vodafone beginnen heute über die reine Transportleistung hinaus selbst Applikationen zu bauen und bieten ihren Kunden wiederum komplette Services an, die auf diesen Lösungen basieren. “Ein sehr interessantes Feld ist hier der Bereich der Smart-City-Lösungen, wie um Beispiel Wasserzählermanagement”, weiß Kesten. Auch große Systemintegratoren wie Accenture, Infosys, TechMahindra oder Wipro realisieren mit PTC ganze Serviceprozesse, die sie gelegentlich auch für Kunden betreiben und verwalten.

Außerdem gibt es viele Anbieter komplexerer Softwarelösungen, die Teile von PTCs Lösung in ihre Produkte und Umgebungen einbinden oder nutzen. Das gilt beispielsweise für GE mit seiner Plattform Predix oder den Softwarezweig von Bosch.

Interessant ist das Feld der Software-Kooperationspartner. Hier unterhält PTC im Internet eine App-Plattform. Aktuell sind die dort direkt erhältlichen Apps noch kostenlos, wer ein kostenpflichtiges Angebot hinterlegt, darf nur auf die eigene Website verweisen. “Wir werden aber künftig auch direkt auf der Plattform ein Erlösmodell hinterlegen”, sagt Kesten, ohne sich hinsichtlich eines Termins festzulegen.

Auf der Plattform gibt es nicht nur Softwareerweiterungen für ThingWorx, sondern auch Referenzdesigns und anderes Nützliche, sauber nach Stichworten geordnet und suchbar. Auch einige deutsche KMUs, die sich auf IoT-Software spezialisiert haben, tragen hier etwas bei, beispielsweise Doubleslash einen CoAP-Adapter. “Hier gibt es aktuell erst eine Handvoll derartiger Spezialisten, aber es sollen mehr werden”, sagt Kesten.

Redaktion

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