Der Europäische Gerichtshof kippt die anlasslose Vorratsdatenspeicherung in der Europäischen Union. Im Schlussplädoyerdes Generalanwalts Henrik Saugmandsgaard Øe heißt es, die massenhafte Speicherung von Daten lasse “sehr genaue Schlüsse auf das Privatleben” zu. Die Urteilsverkündung erfolgte am Mittwoch.
Demnach sieht das Gericht den mit den nationalen Regelungen zusammenhängenden Eingriff in die Grundrechte als besonders schwerwiegend an. Doch das Gericht definiert auch Ausnahmen: Bei einer konkreten Bedrohung der öffentlichen Sicherheit oder für die Bekämpfung schwerer Straftaten dürften auch weiterhin Daten gesammelt und gespeichert werden. Es darf demnach also nach wie vor gezielt für die Bekämpfung schwerer Straftaten gespeichert werden.
Damit erlaubt das EU-Gericht die Datensammlung im Grundsatz. Jedoch müsse diese auf das absolut Notwendige beschränkt werden. Das EuGH schreibt vor, dass die Gesetze auf nationaler Ebene “klar und präzise sein” müssen. Zudem müssen die entsprechenden Gesetze auch Garantien enthalten, damit die gespeicherten Daten nicht missbraucht werden können.
Dazu sollen diese Garantien durch Rechtsvorschriften geregelt sein, die “zugänglich und vorhersehbar sind und einen geeigneten Schutz gegen Willkür bieten”. Des weiteren müsse die Verpflichtung für Provider, Daten zu sammeln, in einem angemessenen Verhältnis zur Bekämpfung schwerer Kriminalität stehen.
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Daher sei auch die erste Richtlinie (2006/24) zur Vorratsdatenspeicherung für ungültig erklärt worden, wie es in dem Schlussplädoyer des Generalanwaltes des EuGH heißt: “Die Richtlinie ging über das absolut Notwendige hinaus wegen des Zusammenwirkens der generellen Vorratsspeicherung und des Fehlens von Garantien, die die Verletzung der in den Art. 7 und 8 der Charta verankerten Rechte auf das absolut Notwendige beschränken.”
Seit Ende 2015 schreibt ein deutsches Gesetz zu “Speicherverpflichtung und Höchstspeicherfristen für Verkehrsdaten” Providern und Telekommunikationsunternehmen vor, dass Informationen zu Telefon- und Internetverbindungen für zehn Wochen gespeichert werden müssen. Dazu zählen gewählte Rufnummern, und Zeitpunkt und Dauer von Gesprächen. Beim Surfen im Internet werden IP-Adressen gespeichert. Inhalte und E-Mails werden nicht vorgehalten.
Daten zum Standort bei Mobiltelefonen hingegen müssen nur vier Wochen gesichert werden. Auch dürfen damit keine Bewegungsprofile erstellt werden. Nach den jeweiligen Sperrfristen aber müssen diese Daten gelöscht werden.
Mit diesen strengeren Auflagen wollte die große Koalition die Kritiker besänftigen, die in dem Ende 2015 beschlossenen Gesetz, einen erneuten Verfassungsbruch sehen. Wie sich jetzt zeigt, sollten diese Recht behalten. Die erste Vorschrift für die so genannte Vorratsdatenspeicherung hatte das Bundesverfassungsgericht 2010 nach einer Laufzeit von drei Jahren für unzulässig erklärt.
Das aktuelle Urteil des EuGH basiert auf Anfragen von Gerichten aus Schweden und Großbritannien (Aktenzeichen: C-203/15, C-698/15). Allerdings wurde bereits im November dieses Jahres vom Verein Digitalcourage e.V. eine Verfassungsbeschwerde gegen das neue Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung eingelegt. Um der Klage (PDF) Nachdruck zu verleihen, wurde auch eine Liste mit Unterschriften von mehr als 32.000 Unterstützern eingereicht.
Nun bekommt das Bündnis aus Bürgerrechtlern, Politikern, Prominenten und Datenschützern Rückendeckung aus Luxemburg, die der umstrittenen Neuauflage des Gesetzes ebenso wie ihren Vorgängern einen Verfassungsbruch attestiert.
Bereits im Sommer hatte der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs in dieser Sache die Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung in einzelnen Mitgliedsländern für zulässig erklärt. Jedoch hatte der Däne dies damals an die Bekämpfung schwerer Kriminalität geknüpft. Die geforderten Garantien scheint aber das in Deutschland 2015 eingeführte Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung in der aktuellen Form nicht zu erfüllen.
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