München gibt Open-Source-Projekt LiMux auf
Vier Monate, nachdem der Umzug von Microsoft aus dem Umland in die Stadt München abgeschlossen wurde, beschließt der Stadtrat über den Umweg der Neustrukturierung der IT-Abteilung das Aus für das wohl meistbeachteten und meistdiskutierte Linux-Projekt in Deutschland.
Am Mittwoch hat die Vollversammlung des Münchner Stadtrats mehrheitlich beschlossen, die geplante Umstrukturierung der städtischen IT prüfen zu lassen. Das dürfte letztlich das Aus für das viel beachtete Open-Source-Projekt “LiMux” der bayerischen Landeshauptstadt bedeuten. Zwar soll zunächst lediglich die IT-Abteilung deutlich verschlankt und mit dahinterstehenden GmbHs ausgegliedert werden, das läuft aber auf eine Rumpf-IT-Mannschaft hinaus, die eigene Projekte kaum noch betreuen können wird.
Thomas Ranft von den Piraten, seit jeher LiMux-Befürworter, hat den geplanten Umbau scharf kritisiert. Seiner Ansicht nach ist das IT-Referat kein Referat mehr, sondern nach dem Ausstieg aus LiMux ein “Konkursverwalter, dessen Aufgabe es sein wird, das bestehende System abzuwickeln und ein Neues zu implementieren. Er betonte noch einmal, dass die IT der Stadt München kein Software-Problem, sondern ein Strukturproblem habe. Das rühre daher, dass die einzelnen Referate bislang vor sich “hingewurstelt” hatten.
Die komplette, sehr ausführliche aber nicht immer mit großer Sachkenntnis geführte Diskussion um das Projekt können Interessierte auf der Website der Stadt München hier abrufen.
Dem dabei gefassten Beschluss zufolge soll die Umstellung auf Windows-Clients und marktübliche Office-Programme geprüft werden. Bei den Office-Programmen, das klang bei einigen Redebeiträgen an, sei Microsoft Office gemeint. Das in der Stadtverwaltung eingesetzte Linux-Projekt LiMux dürfte dann bald Geschichte sein.
Der Umbau der städtischen IT soll künftig von einem verantwortlichen Referenten geleitet werden. Die bislang in drei Bereiche aufgeteilte IT-Verwaltung soll in GmbHs ausgelagert werden. Stimmt der Stadtrat den Ergebnissen der Prüfung zu – wovon aber nach der derzeitigen Mehrheitslage auszugehen ist – soll der Umbau bis 2020 umgesetzt werden. Damit wäre dann auch das Ende für Linux auf dem Desktop in der Stadtverwaltung München gekommen. Denn laut Beschluss soll die Umstellung auf Windows-Clients und “marktübliche Office-Programme” geprüft werden.
Stadtrat Ranft appellierte in der Sitzung erfolglos an seine Amtskollegen, den Antrag abzulehnen, indem er sie an den Umstieg der Stadt Freiburg von offener Software auf Microsoft-Produkte erinnerte. Den bereue man heute in Freiburg aufgrund der dadurch entstandenen Kosten und Probleme “bitter”.
Grünen-Stadtrat Florian Roth argumentierte gegen den Umstieg mit einer Passage aus dem im vergangenen Herbst von der Stadt bei Accenture in Auftrag gegebenen Gutachten. Darin heiße es sinngemäß: Das Betriebssystem ist nicht der entscheidende Punkt. Vielmehr gelte es, die IT insgesamt zu ertüchtigen und zu modernisieren. Diese Modernisierung lediglich am Linux-Client festzumachen, gehe am Ziel vorbei.
Befremden löste bei Beobachtern unter anderem aus, dass die Kosten für den neu zu entwickelnden Client nicht genannt werden dürfen. Auch wurde insbesondere der SPD vorgeworfen, den Beschluss in einer Art Nacht- und Nebelaktion herbeigeführt zu haben. Sowohl Stadträte anderer Fraktionen als auch die IT-Mitarbeiter hätten von den Plänen kurzfristig aus der Zeitung erfahren müssen.
Vergangene Woche hatten die Fraktionen von CSU und SPD im Münchner Stadtrat über den Verwaltungs- und Personalausschuss einen Antrag (PDF) eingebracht, der neue Leitlinien für die Neuorganisation der kommunalen Informations- und Kommunikationstechnik festlegen soll. Darin wurde zwischen den Zeilen auch der Abschied vom Open-Source-Projekt LiMux angedeutet.
München stellte einst als erste deutsche Großstadt 2003 von Windows auf Linux um. Damals hatte die Stadt rund 15.000 Computer. Das Projekt mit Linux und Open Source war in der Stadtverwaltung lange und heftig umstritten. Auch Microsoft opponierte intensiv dagegen. Sogar Steve Ballmer reiste damals extra an, um den damaligen Bürgermeister Christian Ude umzustimmen. Als das nicht gelang, opponierte der Konzern teils mit recht durchsichtigen und fadenscheinigen Argumenten. Offenbar fürchtete er, dass das Beispiel Schule machen könnte.
Das hat es dann auch – zumindest teilweise. Beispiele dafür sind Mannheim, Schwäbisch Hall, Turin, Valencia und Toulouse.
Bereits 2014 prüfte die Stadt München eine Rückkehr zu Microsoft. Begründet wurde das damit, dass die Nutzer mit der Bedienung unzufrieden seien. Eine Expertengruppe sollte daraufhin den Wechsel zurück zu Windows überprüfen. Allerdings stand der Stadtrat damals noch hinter LiMux und lehnt das ab. Auch der nun ins Visier geratene LiMux-Basis-Client, der im Wesentlichen aus OpenOffice, Thunderbird und Firefox besteht, wurde von der TÜV-IT allerdings schon zuvor einmal als “gebrauchstauglich” zertifiziert.
Im selben Jahr ergab eine Anfrage des Stadtrats, dass München allein für Windows-7-fähige Hardware über 3 Millionen Euro ausgeben müsste. Dazu kämen noch Kosten für Lizenzen und Infrastruktur. Auch Oberbürgermeister Reiter führt die Probleme in der IT der Stadt damals nicht auf Linux zurück.
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