Geplatzter Paukenschlag: Microsoft und SAP wildern weiter im Revier des anderen
Das Oracle-Peoplesoft-Gezeter ist doch zu etwas gut: Immerhin hat die Welt erfahren, dass Microsoft und SAP fusionieren wollten, es aber dann doch nicht taten.
Die geheimen Fusionsgespräche um die größte IT-Übernahme aller Zeiten sind geplatzt. Der Abschluss eines solchen Vorhabens und die daraus resultierenden Integrationen seien “zu komplex” gewesen, heißt es aus der Microsoft-Konzernzentrale. SAP und das Redmonder Unternehmen gehen weiterhin getrennte Wege. Vorerst, wenn man Analysten glauben darf.
Die nämlich erwarten, dass die abgebrochenen Sondierungsgespräche möglicherweise wieder aufgenommen werden könnten, wenn sich die ganze Sache etwas beruhigt hat. “Man weiß nie, ob die Übernahmegespräche irgendwann wieder hochkommen, aber im Moment ist es gelaufen”, zitiert die Financial Times Deutschland einen Experten. Hinsichtlich dessen hat sich noch keines der beteiligten Unternehmen geäußert. Ein Zusammengehen würde aber beiden auch Vorteile bringen. Das war offenbar zumindest schon Microsoft aufgefallen: “Auf der SAP-Hausmesse Sapphire kam Microsoft bei Partnerschaftsgesprächen auf die Idee, man könnte die Firmen doch zusammenlegen”, sagte ein SAP-Sprecher gegenüber dem gleichen Blatt. Die Enthüllung um einen Merger mag überraschend gekommen sein, andererseits aber auch wieder nicht.
Bekannt ist, dass Microsoft schon seit einiger Zeit nach neuen Wegen sucht, um sein Portfolio zu erweitern und in dem Markt für Unternehmenssoftware Platz zu nehmen. Im Kerngeschäft, Betriebssysteme und Büro-Software, geht es derzeit nur langsam voran, die Marktdominanz von 90 Prozent ist halt auch kaum mehr zu steigern. Deshalb gab es 2002 die Übernahmen von Great Plains und Navision, zwei kleinere Unternehmen mit Know-how im Bereich Business-Software. Der Wink war klar, es sollte gegen SAP gehen.
Das Walldorfer Software-Unternehmen hat sich im Gegenzug im Microsoft-Revier breit gemacht mit einer Business-Software-Sparte für den Mittelstand. Microsoft war ursprünglich eher für die Kleinen zuständig, SAP für die Großen. Das könnte man doch ändern, dachten wohl beide. Statt allein zu versuchen, den Markt umzukrempeln, kam schließlich die Idee, als ein Konzern aufzutreten. Ganz aus der Luft gegriffen, ist das also nicht. Zumal sich die Firmen schon lange kennen und zusammenarbeiten. Die Partnerschaft gründet sich rund um dieWeb-Services-Technologie und darum, dass die beiden Systeme besser interoperieren könnten. Wahrscheinlich haben auch deshalb Bill Gates und Hasso Plattner direkt miteinander verhandelt.
SAP-Chef Henning Kagermann spielte die mögliche monströse Fusion herunter und erklärte, man prüfe immer wieder Möglichkeiten, die eigene Stellung auszubauen. Aus dem Hause Microsoft ist nur zu hören, die Gespräche seien gescheitert und eine Wiederaufnahme sei nicht geplant.
Rauf auf den Tisch, runter vom Tisch
Die Sache ist also erst einmal vom Tisch. Dabei hätte sie gar nicht aufgetischt werden sollen. Eigentlich, so die Redmonder, führe man solche Gespräche, ohne die Öffentlichkeit zu informieren. Das hat dieses Mal aber nicht geklappt. Schuld daran ist der Prozessauftakt im Kartellverfahren gegen Oracle. Weil dort nämlich “mögliche vertrauliche und interne Informationen hätten bekannt werden können”, so begründete es SAP, habe man sich gemeinsam zum Schritt in die Öffentlichkeit entscheiden.
Vor Gericht – das wohl auch Microsoft-Mitarbeiter, brisanterweise allen voran den Chef der Business-Solutions-Sparte Douglas Burgum als Zeugen hören will – kämpft Larry Ellisons Unternehmen Oracle um die Rechtmäßigkeit seines Übernahmeangebots für den Konkurrenten Peoplesoft. Das jetzt eröffnete Kartellverfahren soll klären, ob das Angebot rechtens war, oder ob dabei wettbewerbsrechtlich etwas zu beanstanden ist. Das amerikanische Justizministerium hält die geplante Akquise für rechtswidrig. Bei einer Fusion gäbe es nurmehr SAP und Oracle und das ginge nicht. Kleinere Unternehmen hätten dann keine Chance mehr, auf dem Markt für Unternehmenssoftware Fuß zu fassen und die beiden Mächtigen könnten gegenseitig die Preise hochtreiben und letztlich diktieren. Diese Sichtweise hält Oracle wiederum für zu engstirnig. Oracles Meinung zufolge müssten auch Firmen wie IBM oder eben Microsoft als Mitbewerber miteinbezogen werden.
Die Enthüllung um Microsoft und SAP verschafft Oracle einen entscheidenden Vorteil, so glaubt Ellison jedenfalls. Die Rechtsanwälte auf der Seite von Oracle argumentieren nämlich jetzt, dass Microsoft sehr wohl in der Liga um die Business-Software mitspiele, sonst hätten sie die geplante Akquise zwischen Oracle und Peoplesoft nicht als so bedrohlich empfunden, dass sie gleich einen Merger mit SAP in Betracht gezogen hätten, soll ein Oracle-Anwalt einem Richter laut der US-Wirtschaftagentur ‘Bloomberg’ gesagt haben. Ob und wie die Gesetzeshüter auf die neue Situation reagieren ist noch nicht klar.
Unterdessen hat der Redmonder Softwareriese seine Abteilung Business Solutions (MBS) neu strukturiert. Die für Unternehmenssoftware zuständige Sparte brauche neuen Schwung. Und weil das abgelaufene Geschäftsjahr kein überzeugendes Ergebnis in diesem Bereich geliefert hatte, will man laut Financial Times Deutschland neue Versionen von unter anderem Great Plains und Navision herausbringen. Wie wichtig Microsoft offenbar der Markt ist, in den der Hersteller durch eine Fusion mit SAP ganz oben hätte einsteigen können, zeigt auch, dass Konzern-Chef Steve Ballmer direkte Reporting-Station für Abteilungsleiter Douglas Burgum wird.
Auch SAP macht weiter als hätte es die Gespräche mit Gates nicht gegeben. Bereits vergangene Woche hatte das Unternehmen bekannt gegeben, eine neue Strategie für sein gesamtes Portfolio zu fahren. Die Integrationssoftware ‘Netweaver’ soll künftig die Basis für alle Firmenanwendungen werden, hieß es aus Walldorf. In einem Interview mit der Wirtschaftwoche hatte SAP-Oberer Kagermann gesagt: “Wir stehen vor dem tiefgreifendsten Umbruch seit mehr als zehn Jahren, als wir R/2 durch SAP R73 ersetzt hatten.”
Ein noch größerer Coup wäre die Fusion mit Microsoft gewesen. Ob über einen Preis verhandelt worden ist, weiß niemand außer die Beteiligten selbst. Er wäre voraussichtlich galaktisch gewesen.