Braucht HP ein neues Board?
Die fortgesetzte Führungskrise bei HP wirft die Frage auf, ob das Problem weniger an der Spitze, sondern vielmehr im Board von HP zu suchen ist. Denn Kunden wie Investoren wollen vor allem eines und das ist Stabilität.
Nachdem sich das Board bei der Ernennung des nur wenige Monate später wieder entlassenen Leo Apothekers jede Menge Zeit gelassen hat, soll der nahtlose Austausch Apothekers gegen die ehemalige Ebay-Chefin Meg Whitman den Anlegern wie auch den Kunden ein erstes Signal in Richtung Stabilität geben.
Und so wertet das auch Crawford Del Prete, VP und Chief Research Officer bei IDC. Er sieht diesen Schritt, als Versuch, “die Glaubwürdigkeit bei Kunden, Angestellten und den Investoren wieder herzustellen”. In naher Zukunft soll zudem ein neuer unabhängiger Lead Director ernannt werden.
Sicher, Whitman stand ja offenbar bereits als Übergangs-CEO zur Debatte und war wohl auch auf der so genannten Shortlist bei der Ernennung Apothekers, daher konnte diesmal die Entscheidung schneller fallen, als nach der Neubesetzung von Mark Hurd.
Trotz aller Befähigungen, über die Whitman zweifelsohne verfügt, lässt sie manchen Beobachter doch mit einer gewissen Skepsis zurück. Was will denn HP nun eigentlich? Whitman hat in erster Linie ein Handelsunternehmen geführt, und keinen Technologie-Riesen, der seine eigentlichen Stärken im Enterprise-Geschäft hat oder vielleicht besser gesagt, haben sollte.
Mark Hurd hatte HP zwar zu einem gewissen finanziellen Erfolg verholfen, doch seine Strategie ging auf Kosten der Innovationskraft des Unternehmens und zwar bis zu dem Punkt, an dem das Unternehmen nur noch durch Übernahmen wachsen konnte. Das hat auch der neue starke Mann bei HP, Ray Lane, vor einigen Tagen vor Analysten so erklärt. Er ist jetzt Executive Chairman und damit vielleicht die eigentliche Nummer eins bei HP. Schon unter Apothekers Führung war er beinahe häufiger anzutreffen als der eigentliche CEO.
Lane nannte vor Analysten auch die wichtigsten Gründe für die Entlassung Apothekers: So habe er kein geschlossenes Führungsteam bilden können. Auch habe er sich die einzelnen Geschäftsbereiche nicht tief genug erschlossen und habe daher auch ein Führungsproblem gehabt. Aber der vielleicht wichtigste Grund sei das Versagen in der Außenkommunikation gewesen. Und Lane meint damit die Ankündigungen, die PC-Sparte auszugliedern, das TouchPad aufzugeben, WebOS auf Eis zu legen aber dennoch weiter zu entwickeln und Autonomy zu kaufen.
Lane erklärte, man habe Apotheker wegen seiner strategischen Fähigkeiten als CEO berufen. “Leos Aufgabe bestand darin, eine Vision zu entwickeln. Wir haben ihm für seine wertvollen Beiträge für die Zukunft des Unternehmens zu danken”, so Lane. Nur leider konnte Apotheker seine Ideen für HP nicht nach außen tragen. Und wie seine Absetzung beweist, konnte er auch das Board nicht überzeugen.
Aber es war schließlich das Board, das all diese Schritte vorab genehmigte, für die jetzt Apotheker die Konsequenzen tragen muss. Das wirft natürlich Fragen nach der Mitverantwortung des Boards auf. Diese aber weist Lane brüsk zurück. Es handle sich längst nicht mehr um das gleiche Gremium, das Mark Hurd gefeuert habe. Er betonte, dass in diesem Jahr acht neue Mitglieder in den Rat berufen worden sind – unter ihnen Meg Whitman, früherer Ebay-CEO und neue Chefin von HP, sowie erfolgreiche CEOs anderer Unternehmen. Aber eben jenes Board war es doch auch, das Apotheker berufen und seinen Kurs lange mit getragen hat. Die Forderung des Kollegen Martin Ottomeier von der FTD aber, das gesamte Board schnell auszutauschen, dürfte etwas zu weit gehen und wird sich wohl auch nicht von den Aktionären durchsetzen lassen.
“It’s time to get to work”, erklärte Meg Whitman bei ihrem Antritt. Trotz aller Zweifel an den Fähigkeiten Whitmans ist man sich in der Branche darin einig: Die Milliardärin wird es in den nächsten Jahren sicherlich nicht leicht haben. Oder wie Del Prete es ausdrückt: “Sie erbt ein Unternehmen, das in einer nie da gewesenen Weise durch Chaos und Tumult gegangen ist.”
Apotheker wollte HPs Software-Umsätze steigern. Derzeit erwirtschaftet HP lediglich einen Bruchteil der Umsätze mit Software. Vielleicht hat Apotheker hier einfach zu viel und zu schnell sein Ziel erreichen wollen. Del Prete glaubt, “das kann sich über die Jahre ändern, aber es setzt weitere Übernahmen, komplexe Integrationen von Geschäftsbereichen und deutlich neue Produktentwicklungen voraus.” Wie gesagt, es wird kein leichter Weg und vor allem kein kurzer für Whitman. Die Übernahme von Autonomy kann hier durchaus ein erster wichtiger Schritt sein, auch wenn er vielleicht für HP deutlich zu viel kosten wird.
Whitman muss dafür aber schnell ihr Team wieder auf Trab bringen. Allerdings dürfte das keine Unmöglichkeit sein, denn das Executive Team, etwa mit Ann Livermore, ist weitgehend intakt. Eine stärkere Führungspersönlichkeit und vermehrte Aufmerksamkeit durch den CEO sollte hier schnell zum gewünschten Ergebnis führen.
Dann muss Frau Whitman, darin ist man sich in der Branche einig, schnell entscheiden, wie es mit der Personal Systems Group weiter geht. Die Digitimes berichtet, dass sich Original Design Manufacturer (ODM) wie Quanta Computer, Inventec, Wistron oder Foxconn Electronics für einen Verbleib der PC-Sparte bei HP aussprechen und setzen die neue Chefin damit zugleich unter Druck. Auch der Forrester-Analyst Frank Gillett spricht sich dafür aus.
HP ist zwar eine starke Marke im Endverbraucher-Segment, aber die Produkte sind nicht so ‘sexy’ wie die von Apple. Daher sollte Whitman HPs Position bei den Verbrauchermarken noch einmal prüfen. Doch Forrester sieht noch einen ganz anderen guten Grund, warum HP die PC-Sparte halte sollte:
“Forrester geht davon aus, dass wir uns am Anfang eines neuen Trends der Consumerization der IT befinden. Hier werden Fähigkeiten bei Consumer-Produkten immer wichtiger und relevanter werden, um an KMUs und Enterprise-Kunden zu verkaufen”, so Gillett in einem Blog. Den Consumer-Markt jetzt aufzugeben, würde für HP bedeuten, einen “strategischen Vorteil in der sich rasch verändernden Business-Technologie, den HP jetzt gegenüber IBM und Dell hat, aufzugeben.” Gillett würde eher die gesamte Druckersparte versilbern, wenn HP Geld braucht, denn hier seien die Synergien mit anderen Bereichen nicht so hoch.
Lane und Whitman müssen sich zudem Gedanken machen, wie sie HPs schwächelndes Unix-Geschäft weiterführen wollen. Dass sich Itanium-Server heute kaum mehr verkaufen lassen, ist nur eine Seite des Problems, wie Barclays Capital-Analyst Ben Reitzes erklärt: “Whitman und Lane haben noch nicht darüber gesprochen, wie man die Margen und die Umsätze in wichtigen Bereichen wie Services verbessern will. Ein weiteres Problem, das immer wichtiger scheint, ist der steile Rückgang in Server-Verkäufen, vor allem bei Unix-Servern, die profitable Maintenance-Umsätze nach sich ziehen.”
Nach wie vor verfügt das HP-Portfolio über die gleichen soliden Produkte und Services, wie auch vor dem Führungswechsel. Eine der wichtigsten Aufgaben Whitmans dürfte jetzt sein, auch die Öffentlichkeit davon zu überzeugen. Jetzt gilt es, das komplexe und stark diversifizierte Geschäft “in einer klaren, konzisen und vertrauenserweckenden Weise zusammenzufassen”, wie Del Prete fordert, damit auch die Mitarbeiter wieder wissen, welcher Vision sie folgen. Die Kunden müssen die “einzelnen Punkte verbinden können” und Investoren müssen ebenfalls wieder Vertrauen gewinnen. Angesichts der Komplexität des HP-Angebotes dürfte das vielleicht eine der schwierigsten Aufgaben sein, die auf Meg Whitman warten. Doch, auch davon ist Del Prete überzeugt, bringe Whitman genau das nötige Rüstzeug mit.