Mobilfunker verkommen zu Betreibern von Datenkanälen
Das Handy sollte nach den Plänen der Mobilfunkbetreiber mehr werden als nur ein Gerät zum Telefonieren.
Einer Analyse der Financial Times zufolge sitzen die Netzbetreiber aber schon längst nicht mehr an den Schalthebeln der multimedialen Handywelt. Ihnen drohe vielmehr der Abstieg zu bloßen Betreibern eines Datenkanals – ohne jedes Merkmal zur Differenzierung im Wettbewerb.
Dass die Mobilfunker zu bloßen Lieferanten von Bits verkommen, sei keine theoretische Gefahr mehr, glaubt etwa Roman Friedrich, Telekom-Experte des Unternehmensberaters Booz Allen Hamilton. Zu einer ähnlichen Einschätzung kommt Omar Khorshed, Vorstandschef des Düsseldorfer Abrechnungsdienstleisters acoreus. “Die Annahme der Mobilfunkbetreiber ist falsch, einschätzen zu können, welche neuen Geschäftsmodelle erfolgreich sein könnten und welche nicht. Das funktioniert nicht mehr. Die Vielfalt wird es machen, der Markt wird selbst selektieren, was erfolgreich ist und was nicht”, so Khorshed.
“Generell sollte mehr Kreativität ins Spiel kommen und mehr Offenheit für Trends, die sich im Internet abspielen. Docomo hat das in Japan mit dem Dienst Diamond erfolgreich umgesetzt. Die haben einen offenen Marktplatz geschaffen für Inhalteanbieter. Entweder kostenlos oder als Premium Content. Was sie allerdings gemacht haben – und da steckt der zusätzliche Aufwand drin – sie haben die Inhalte angepasst für mobile Endgeräte”, so der Rat Edgar Schnorpfeil, Inhaber von Schnorpfeil Consulting.
Nach Marktanalysen von acoreus sind die technischen Voraussetzungen für neue Dienste vorhanden. Dennoch werden viele Angebote von der Mehrzahl der Mobilfunkkunden nicht genutzt wie Handy-TV und Videostreaming. Dies liegt zum einen daran, dass solche Anwendungen nicht attraktiv genug sind, zum anderen an den früheren Erfahrungen vieler Kunden, dass bestimmte Dienste nicht netzübergreifend genutzt werden konnten. “Der Ansatz der Mobilfunkbetreiber, alles zu kontrollieren, führt nicht zum Erfolg. Neue Akteure aus anderen Branchen könnten zu einer Belebung des Mobilfunkmarktes beitragen. Dazu zählen Nachrichtenagenturen oder große Medienunternehmen wie Times Warner, die sich als Content-Anbieter für den Mobilfunk profilieren können”, erklärt Khorshed. Content-Enabler seien dabei unverzichtbar für die Verbesserung, Konvertierung, Aggregation und den Vertrieb von Inhalten an mobile Endnutzer – auch durch angepasste Billing-Services. Neue Diensteanbieter wie Banken oder Kreditkartenunternehmen bereicherten den Markt und schaffen neue mobile Zahlungsmöglichkeiten.
Die Mobilfunkbetreiber sollten sich nicht als Medienunternehmer, als Entertainer oder als Logistiker verstehen, nur weil sie Kommunikationsnetze betreiben, warnt Khorshed. Aus Anbietern von Internetzugängen sei auch kein ernst zunehmendes Medienunternehmen hervorgegangen. Die Mobilfunkbetreiber sollten ihre Kreativität und Innovationskraft in die Entwicklung von technischen und kommerziellen Plattformen stecken. “Eine Kannibalisierung halte ich für sehr unwahrscheinlich in solchen Fällen. Ganz im Gegenteil. Die Umsätze der Mobilfunkbetreiber werden bei einer Öffnung ihrer Netze deutlich steigen”, ist sich Khorshed sicher.