Im rechtlichen Bereich der gebrauchten Softwarelizenzen ist die Diskussion nach dem Urteil des LG München vom 19. Januar 2006 (Aktenzeichen 7 O 23237/05) neu eröffnet. Bei gebrauchten Lizenzen handelt es sich in der Regel um Standard-Software. Wie aber sieht es bei Individual-Software aus?
Zunächst gelten auch hier die vertraglich vereinbarten Bedingungen zwischen den Parteien. Eines der wesentlichen rechtlichen Probleme bei Individual-Software war und ist, was passiert mit der Software im Insolvenzfall des Auftragnehmers (Programmierers). Bisher galt es als schwierig die Vereinbarung so zu formulieren, dass sie auch im Falle der Insolvenz des Auftragnehmers dem Auftraggeber noch zu seinem Recht verhalf. Nun hat der IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH Az: IX ZR 162/04) einige Dinge klargestellt.
Der Fall:
Im März 1998 schlossen die Parteien einen Vertrag über die Nutzung, die Weiterentwicklung und den Vertrieb der Software X der Firma Y und aller darauf basierender Zusatzmodule. Bei dieser Software handelte es sich um die Version 3 der Software. Zum Zeitpunkt der Insolvenz war bereits die Version 6 im Markt. Die hier relevante Klausel im Vertrag lautete:
“Dieser Vertrag kann von jedem Vertragsteil nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes – ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist – gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt vor, wenn Tatsachen gegeben sind, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen der Vertragsteile die Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zugemutet werden kann.
Bei Kündigung dieses Vertrages durch die Vertriebsfirma gehen die Source-Codes von X in der zum Zeitpunkt der Kündigung aktuellen Version einschließlich der Nutzungs- und Vertriebsrechte dieser Version auf die Vertriebsfirma über. Für den Übergang der Source-Codes sowie der Nutzungs- und Vertriebsrechte zahlt die Vertriebsfirma eine einmalige Vergütung in Höhe des Umsatzes der letzten sechs Monate vor Ausspruch der Kündigung.”
Im Oktober 2001 wurde über das Vermögen der Softwarefirma Y das Insolvenzverfahren eröffnet. Es wurde ein Insolvenzverwalter bestellt. Dieser erklärte gegenüber der Vertriebsfirma den Nichteintritt in den Nutzungsvertrag gemäß § 103 Insolvenzordnung.
§ 103 Insolvenzverordnung lautet:
Wahlrecht des Insolvenzverwalters
(1) Ist ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt, so kann der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil verlangen.
(2) Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab, so kann der andere Teil eine Forderung wegen der Nichterfüllung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen…
Daraufhin kündigte die Vertriebsfirma den Vertrag und forderte vom Insolvenzverwalter die Übergabe der Source-Codes in der nunmehr aktuellen Version 6. Der Insolvenzverwalter lehnte dies ab und verwies die Vertriebsfirma darauf ihren Anspruch zur Insolvenztabelle anzumelden. Die Vertriebsfirma habe die Rechte wegen § 91 Insolvenzverordnung nicht erworben.
§ 91 Insolvenzverordnung lautet:
(1) Rechte an den Gegenständen der Insolvenzmasse können nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht wirksam erworben werden, auch wenn keine Verfügung des Schuldners und keine Zwangsvollstreckung für einen Insolvenzgläubiger zugrunde liegt.
Schon das Berufungsgericht hatte ausgeführt, der vertraglich vereinbarte Rechtserwerb sei durch § 91 Insolvenzverordnung nicht ausgeschlossen gewesen. Das von der Vertriebsfirma beanspruchte Nutzungsrecht an dem Computerprogramm X in der inzwischen vorhandenen Version 6 sei nicht Bestandteil der Insolvenzmasse, vielmehr bereits mit Abschluss des Vertrages im März 1998, somit lange vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, wirksam und unwiderruflich aus dem Vermögen der Softwarefirma X ausgeschieden. Es sei aufschiebend bedingt für den Fall der Vertragskündigung auf die Vertriebsfirma übertragen worden.
Im Insolvenzfall seien bedingte Rechte wie bereits bestehende zu behandeln. Ob die Bedingung vor oder nach Insolvenzeröffnung eintrete, sei unerheblich. Dass seinerzeit nur die Version 3 vorgelegen habe und diese dann mehrfach bis zur aktuellen Version 6 überarbeitet worden sei, habe keine Bedeutung. Es handele sich um dieselbe Software in verschiedenen Bearbeitungsversionen. Das Recht zur Überarbeitung und Anpassung der Version 3 an den technischen Fortschritt sei der Vertriebsfirma mit übertragen worden.
Nicht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei als Bedingung vereinbart worden, sondern die Kündigung des Vertrages aus wichtigem Grund. Zweck der Regelung sei die Absicherung der Vertriebsfirma im Falle einer vorzeitigen Beendigung des langfristig angelegten Nutzungsvertrages und nicht eine Benachteiligung der Insolvenzgläubiger gewesen. Die Beklagte habe die Möglichkeit erhalten sollen, die begonnene Entwicklungs- und Vertriebstätigkeit fortzusetzen. Dieser Auffassung hat sich der BGH nunmehr angeschlossen.
Damit hat der BGH wieder ein Stück mehr Rechtssicherheit geschaffen, indem er den bei Vertragschluss vereinbarten Parteiwillen auch über die Insolvenz hinaus akzeptiert hat.
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