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Rückwärts over TCP/IP

Über Liberale etwa liest man dort, sie zeichneten sich dadurch aus, dass sie für die Evolutionslehre, gleichgeschlechtliche Beziehungen, die Umverteilung von oben nach unten, für öffentliche Gesundheitsfürsorge und gegen das Schulgebet seien. – Ein paar Online-Publikationen sind darauf gestoßen und haben darüber berichtet.

Und seitdem ist die Site vor allem bei besagten Liberalen beliebt, die sich den grauen Alltag gerne durch ein hämisches Lachen aufhellen lassen. Unter der Last dieses RfL-Verkehrs (Request for Laughter) sind die Rechner, die den digitalen Schenkelklopfer hosten, diese Woche gleich mehrmals eingeknickt. Sodass die Site nur schwer zu erreichen war. So populär ist Conservapedia inzwischen.

Was deutsche Surfer aber etwas kränkt: Ihr Land wird von den amerikanischen Patrioten doch recht stiefmütterlich behandelt. Gerade mal drei Sätze ist jenen Nachkriegsdeutschland wert.

Dabei gäb’s doch auch aus Deutschland viel zu berichten, was die Rückwärtsgewandten aller Länder interessieren könnte. Dass hierzulande derzeit gerade eine aufgeregte familienpolitische Debatte geführt wird beispielsweise.

In der hat sich der Augsburger Bischof Walter Mixa besonders hervorgetan. Den erinnern die Pläne der christdemokratischen Familienministerin Ursula von der Leyen, zusätzliche Krippenplätze einzurichten, an “die Ideologie der staatlichen Fremdbetreuung von Kindern in der untergegangen DDR”. Frauen würden dadurch zu “Gebärmaschinen” degradiert.

Also wenigstens der Mann müsste doch in Conservapedia lobend erwähnt werden. Aber nein.

Der Liberale wiederum ist angesichts Mixas Philippika geneigt, auszurufen: “Obacht geben, Exzellenz, obacht!” Der Christenmensch sollte kein vorschnelles Urteil fällen, wenn’s um Krippen geht.

Warum benennt man denn bei uns Kindertagesstätten nach Futtertrögen für’s Vieh? Nein, nicht weil sie so schlimm wären. Vielmehr gibt’s doch da so eine Geschichte in der Heiligen Schrift.

Gut, der Junge hat später seinen Eltern viel Kummer bereitet. Aber man kann nicht behaupten, dass aus dem Buben nichts Rechtes geworden wäre.

Mixa hätte es allein schon deshalb verdient, in Conservapedia aufgenommen zu werden, weil er ein äußerst moderner Konservativer ist. Ein öffentlichkeitsbewusster Konservativer.

Eigentlich würde ja kaum jemand in Deutschland seinen Namen kennen und sich um seine verqueren Ansichten scheren. Deshalb wahrscheinlich hat er für etwas Aufregung gesorgt. Und seitdem kennt jeder ihn und seine Meinung.

Bischof Mixa ist so eine Art Eva Herman, nur nicht so blond halt. Jedenfalls deren “Eva-Prinzip” (264 Seiten, 18 Euro) beherrscht er aus dem Effeff: Wenn man Dummheiten sagt, dann muss man das laut tun. Nur so hat man Erfolg.

Eva Herman hätte es ebenfalls verdient, dass ihr Conservapedia einen Artikel widmet. Auch sie kritisiert, dass von der Leyen Müttern die Berufstätigkeit in einen Ausmaß ermöglichen will, wie es nach Ansicht von Herman nicht gottgewollt sein kann: “Wir müssen uns dem beugen, der uns gemacht hat.”

Nur wenige Wochen nach ihrem “Eva-Prinzip” hat sie jetzt ein weiteres Buch nachgeschoben. Dessen Erlös geht an den Verein “Familien e.V.”.

Der propagiert, dass Kinder zuhause individuell auf’s Töpfchen gesetzt werden, anstatt kollektiv und unter staatlicher Fremdbetreuung wie in der untergegangenen DDR. Und er begründet dies in einer Sprache, wie sie ansonsten vor allem Zoologen geläufig ist, mit der “für die Bestandserhaltung notwendigen Reproduktionsrate von 2,1 Kindern pro Frau”. Eigentlich ist ja eher das der Begriffsbaukasten, in den Wörter wie “Gebärmaschine” passen.

Liberale argumentieren derweil mit den Zukunftschancen, die in der frühkindlichen Erziehung stecken: “Eine Krippe, so sehen es viele junge Eltern, kann ein guter Start der Bildungskarriere sein, auch wenn es beim Abschied morgens manchmal Tränen gibt.” So dieser Tage ein Kommentar der Süddeutschen Zeitung.

Das hört sich zwar auch drollig an. Es ist aber mehr von dieser Welt als die DDR-Erinnerungen des Gottesmannes oder der Ausflug in die Genesis durch die Ex-Tagesschau-Sprecherin.

Allerdings, was die dazu meinen, um die es geht, darüber kann man nur spekulieren. Denn die sitzen in der Kinderkrippe auf dem Töpfchen und weinen.

Aber wer weiß, vielleicht denkt auch ein besonders kluges unter den kleinen Köpfchen – wenn die Tränen wieder getrocknet sind, versteht sich – doch schon mal über seine Bildungskarriere nach. Oder über die Reproduktionsrate der deutschen Bevölkerung. Oder darüber, ob man Eva Herman und Walter Mixa nun besser in Conservapedia oder in Kamelopedia würdigen sollte.

Silicon-Redaktion

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