Die Bild-Zeitung hat diese Woche den Einbürgerungsfragebogen, den Hessen und Baden-Württemberg wollen, ins Internet gestellt. Das Blatt nennt ihn lieber “Ausländertest”. Das ist kürzer.
Außerdem bestünde bei dem anderen – dem längeren – Wort die Gefahr, dass es den Bild-Leser derart verwirrt, dass er meint, er, der er meist schon seit Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, er müsse das alles wissen, und nicht bloß der Ausländer, der von weiß-woher kommt und erst noch Deutscher werden will.
Es ist aber auch schwer. Schon die erste Frage: “Wie viele Einwohner hat Deutschland?” – Antwort: Es wären sehr viel weniger, wenn alle diesen Test machen müssten.
Unsere Besten würden wir dann verlieren, Joschka Fischer beispielsweise. Der sollte am Dienstag mal wieder vor Gericht aussagen über den Straßenkampf damals in Frankfurt. Sagen konnte er aber nur, “dass Erinnerungen nach so langer Zeit wenig belastbar sind”.
Das hat er sehr fein formuliert, der ehemalige Chefdiplomat. Aber den integrationspolitischen Stadt-Land-Fluss-Test bestehen würde er bei seinem schlechten Gedächtnis wohl nicht. Seine Schulzeit liegt schließlich noch länger zurück als der Straßenkampf.
Fischer hat wahrscheinlich alles vergessen. So hält man’s ja überhaupt sehr gerne bei den Grünen, jener Partei, die sich einmal gewaltfrei, sozial und basisdemokratisch nannte.
Einer ganzen Bundestagsfraktion könnten wir verlustig gehen, wenn so ein Test obligatorisch würde. Und für eine zweite würde schon der Einleitungssatz zu Frage 85 das Aus bedeuten: “Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Sozialstaat…”. Derartiges stößt auf unüberwindbare sprachliche Barrieren. In der FDP jedenfalls versteht das niemand.
Frage 49: “Welcher Deutsche komponierte in seiner 9. Sinfonie am Schluss die berühmte Ode an die Freude?” Die hat Oskar Lafontaine schon einmal beantwortet – auf dem Mannheimer SPD-Parteitag von 1995. In seiner damaligen Rede, die allgemein als brillant gilt, rief er aus: “In unserer Geschichte gibt es ein Lied. Das ist die Internationale. Darin heißt es: ‘Alle Menschen werden Brüder.'”
Und danach war der Bruder Scharping weg vom Fenster. Für den SPD-Vorsitz hat das gereicht. Im Einbürgerungstest aber würde die Antwort Pierre Degeyter nicht durchgehen.
Die Fragen 78 und 79 stammen aus dem Spezialgebiet des Bundesinnenministers: “Wie heißen die Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland?” – Richtig! “Bundeswehr.” – “Zu welchem Zweck wurden sie gegründet?” Nein, nicht um heuer die WM zu gewinnen. Das lernt der nie, der Schäuble!
Und ganz problematisch ist schließlich die Frage 12: “Welches Ereignis fand am 17. Juni 1953 in der DDR statt?” Damals entwickelten sich Demonstrationen gegen erhöhte Arbeitsnormen zu einem Aufstand gegen das System. Wo kämen wir denn hin, wenn sowas auch im vereinigten Deutschland passierte? Hartmut Möllring, der Verhandlungsführer der Tarifgemeinschaft der Länder, jedenfalls würde die Antwort auf diese Frage sicherlich verweigern.
Also so ein Fragebogen birgt schon Tücken. Und deshalb schlägt auch Bild, das Fachblatt für solche Angelegenheiten, statt dessen einen “Nackt-Test für Ausländer” vor. Mit Hilfe der DVD, die die Niederlande an Einreisewillige verschicken. Darauf sind schmusende Schwule zu sehen und – natürlich noch viel hübscher – eine Frau mit schönem nacktem Busen, die dem Meer entsteigt. Die könnte man doch diesen Ausländern vorab einmal zeigen.
Bild hat davon Screenshots angefertigt und ins Internet gestellt: Das Meer umspielt zärtlich den nackten Busen. – Eine nackte Brust ist ganz zu sehen. – Beide nackten Brüste sind ganz zu sehen. – Beide nackten Brüste sind in ihrer ganzen Pracht zu sehen. Schön!
Wolfgang Schäuble, den Bild zitiert, findet das ebenfalls gut. Schließlich hängen solche Bilder und noch viel schönere auch in den Spinds bei der Bundeswehr, sind also quasi Teil unserer Leitkultur.
Und dann hat Bild noch einen Stresstest gefahren und die DVD Norbert Geis gezeigt. Man muss den Abgeordneten Geis wirklich nicht kennen. Er ist nur einer jener vielen CSU-Hinterbänkler im Bundestag, die ihren Wahlkreis jedes Mal so gewinnen, dass man ihnen nie die Frage 66 aus dem Einbürgerungstest stellen würde: “Erläutern Sie den Begriff Mehrparteienprinzip!” Sowas braucht Norbert Geis gar nicht zu kennen.
Aber er hat einige bemerkenswerte Dinge gesagt. Beispielsweise: “Die Aufdringlichkeit, mit der sich Homosexuelle öffentlich prostituieren, ist nur noch schwer zu ertragen. Sie lassen jede Scham vermissen. Der Verlust der sexuellen Scham aber ist immer ein Zeichen von Schwachsinn…” Und zur Gotteslästerung hat er sich ebenfalls schon geäußert. Die möchte er unter Strafe stellen.
Wenn also eine Redaktion wie die der Bild-Zeitung gerade keinen Taliban zur Hand hat, dann kann sie mit Hilfe von Norbert Geis einen emulieren. Der bringt die wesentlichen Features dafür mit.
Und das Testergebnis: “Man muss akzeptieren, dass es so etwas in Deutschland gibt. Wer dauerhaft bei uns leben will, sollte sich darüber von vornherein im klaren sein”, hat Norbert Geis laut Bild gesagt. Ob er damit auch Leute wie sich meint oder nur Extremisten ohne deutsche Staatsangehörigkeit?
Aber egal. Fest steht, bei einem Test mit Bleistift und Papier würden wir fast unsere gesamte politische Führung verlieren. Bei einem mit einem modernen Datenträger hingegen kann sogar jemand wie Norbert Geis auf der beliebtesten medialen Benutzeroberfläche – eben der Bildzeitung – als Teil des liberalen, demokratischen Rechtsstaats dargestellt werden. Wenn das kein Instrument einer effektiven Integrationspolitik ist!
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