Jedenfalls beim Menschen verhält sich’s so. Anders ist schließlich nicht zu erklären, weshalb sich ständig jeweils zwei völlig gegensätzliche, erwachsene Exemplare dieser Gattung zusammentun und so das Werden eines neuen in die Wege leiten. Welcher dann erst einmal zwei Jahre darauf verwendet, Windeln voll und anschließend viele Jahre darauf, seinen Erzeugern Ärger zu machen. Da hat die Natur ganz tief in die Trickkiste gegriffen.
Deshalb ist die schiere Existenz des Menschen untrennbar mit der Lust verbunden. Und so geht’s nicht nur im richtigen Leben zu, sondern auch im Netz.
Die ersten Medien-Downloads hierzulande erfolgten in Form von grobaufgelösten Btx-Grafiken, die die Phantasie anregen sollten, was auch nötig war, denn nur wer über eine sehr rege Phantasie verfügte, vermeinte da etwas erkennen zu können. Von Anfang an wurde die Multimedia-Entwicklung im Web vor allem vom Bestreben vorangetrieben, schöne Körper in lustvoller Betätigung möglichst umfassend in Software abzubilden. Streaming Media und Digital Rights Management wären nicht so weit, wie sie heute sind, gäb’s da nicht dieses omnipräsente Verlangen.
Eine ambivalente Rolle nehmen dabei die Leute ein, die beruflich nur mit Nicht-Körperlichem befasst sind. Früher waren das die Geistlichen. In der Informationsgesellschaft hingegen kommt eher den Informatikern die Stellung eines ersten Standes zu.
Diese Gruppen sind einerseits in ihren Zellen, beziehungsweise im Großraumbüro in ihren Entwicklerboxen meist recht einsam. Weshalb häufig sie es sind, die in ihrer Not auf allerlei Aus- und Abwege kommen.
Andererseits müssen sie oftmals auf Geheiß ihrer Oberen den Leuten ihre persönlichen Wege zur Lust verbauen. So darf die ICANN, der das Gebot des Gehorsams gegenüber der US-Regierung auferlegt ist, keine xxx-Domain im Netz einrichten. Dort hätte sich nach dem Willen der Initiatoren künftig jedwedes sündige Treiben im Web abspielen sollen.
Die gegenwärtige US-Administration allerdings interpretiert den Pursuit of Happiness vergleichbar eigenwillig wie weiland die Heilige Inquisition das Gebot der christlichen Nächstenliebe. Nahe gelegen hätte eigentlich doch: Wer’s mag, surft hin. Wer’s nicht mag, hält sich fern, was umso leichter fällt, wenn allgemein bekannt ist, wo sich der digitale Sündenpfuhl befindet.
Aber das wollten die Sittenwächter über die ICANN nicht. Also muss das Root-Verzeichnis im Domain Name System als Sex-Blocker herhalten.
Sehr dem rein Geistigen zugetan ist auch Microsoft, vor allem der Institution des geistigen Eigentums. Deshalb lässt sich der Konzern – wie jetzt bekannt geworden ist – eine Technik patentieren, die in Echtzeit “nicht erwünschte” Phonem-Kombinationen in einem Audiostream mit einem Index abgleichen und gegebenenfalls durch ein Piepsen überlagern kann.
Was nicht erwünscht wird, ist klar: Über Sechzigjährige (sexagenarians), schwielige (horny) Hände und Schraubenzieher (screwdrivers) wird sich also wohl im amerikanischen Fernsehen bald nur noch unter größten Schwierigkeiten live berichten lassen.
Für so manchen ist es halt die größte Lust, andere davon abzuhalten. Allein all das wird nichts nützen: Bislang jedenfalls konnten weder Verbote noch Indices verhindern, dass Menschen sehen, hören und fühlen, wozu die trick- und facettenreiche Natur sie drängt. Die schiere Existenz der Menschheit ist dafür der schlagende Beweis. Dagegen hilft auch keine High Tech.
Umgekehrt wiederum ist es eigentlich doch sehr gut, dass so intensiv versucht wird, menschliche Lust in Software abzubilden. Der Grad an Interaktivität und Authentizität, der dafür nötig wäre, sowie ein derartiger Benefit lässt sich zwar in der IT nicht erreichen. Aber sicherlich fallen dabei ein paar nützliche Applikationen auf anderen Gebieten ab.
Na ja, und was die Sache selbst anbelangt: Da braucht man die Computerei nun wirklich nicht zu.
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