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SMS von Karl Marx

Der eine hat sich das fürs Business mit dem High-Tech-Service notwendige Know-how durch den Vertrieb von preiswertem Toilettenpapier und Haarschampon erworben.

Er startete es am Montag unter dem Branding ‘smobil’. Das “s” steht dabei für Schlecker. Der andere geht eine Woche später als rewecom an den Markt.

Ja, das ist ein dynamisches Geschäft. Ständig sorgen neue Anbieter für mehr Wettbewerb. – Zum Wohl der Verbraucher. So, wie’s im Lehrbuch steht.

Für smobil wirbt eine glücklich dreinschauende, junge Frau. Ganz augenfällig ist sie in ihren Mobilfunkgesprächspartner sehr verliebt. Um die Telefonkosten braucht sie sich derweil nicht zu sorgen, hat sie doch für nur 8 Euro ein Guthaben von 10 auf ihre SIM-Karte geladen oder vielleicht sogar für 30 Euro eines von 50.

Die Frontfrau von rewecom wird nächsten Montag sicherlich genauso gut draufsein. Das sind sie ja alle.

Der Frau auf der Web-Site von Vodafone flüstert ihr Lover auf dem Rücksitz eines Wagens gerade etwas Schönes ins Ohr. Unschwer vorzustellen, was die beiden gleich machen werden: natürlich mit dem Handy telefonieren. Fraglich ist nur, ob nun mit Talk&Web, D2-Young and Professional, Vodafone-Eurocall oder dem CallYa–Special-Tarif. Auch welche Happy-Optionen, sie nutzen, ist nicht ersichtlich: HappyLive!, Happy Abend oder Happy Wochenende?

79 ‘InfoDoks’ zu Preisen, Optionen und Services bietet das Unternehmen auf der Site zum Download an. Als PDFs sind das 4,94 Megabyte.

T-mobile wiederum verschickt Tarifinformationen in Form von hübsch aufgemachten kleinen Heftchen. Auf einem ist ein entschlossen dreinblickender Youngster zu sehen. Er bedrängt gerade die gleichaltrige Schöne vor ihm. Was jene sich aber wohl gerne gefallen lässt: Sie blickt kokett zu ihm zurück und greift sich dabei mit einer Hand lasziv ins Haar. Und mit der anderen macht sie nun wirklich keinerlei Anstalten, den Zudringlichen von sich zu weisen.

“So einfach ist Telefonieren mit der XtraCard”, lautet der Titel der Broschüre. Umfang: 60 Seiten.

Manchmal wünscht man sich da halt doch die Unbeschwertheit seiner Jugend zurück. Nein, nicht wegen der bereitwilligen Schönen. Sondern weil man sich in jungen Jahren eine gewisse Verachtung gegenüber langen Schriftstücken leistet.

In jener des Autors – die schon viele Jahre zurückliegt – machte an der Uni eine Karikatur die Runde: Zwei seltsame Gestalten betreten eine Fabrikhalle, und einer sagt zu den darin werkelnden Arbeitsmännern: “Guten Tag, meine Herren. Ich bin Karl Marx und das ist mein Freund Friedrich Engels. Wir haben uns da ein paar Gedanken zur politischen Ökonomie gemacht und sie auf einigen hundert Seiten knapp zusammengefasst. Wenn Sie’s interessiert…”

Seinerzeit ein echter Brüller! Ist doch auch wahr: Wer soll soviel und so Kompliziertes lesen, wenn er tagtäglich arbeiten muss? Das Hauptwerk der beiden Männer ist schließlich fast so umfangreich wie die InfoDoks von Vodafone.

Trotzdem – so im Nachhinein betrachtet – stehen da kluge Sätze drin – gerade mal in SMS-Länge. Beispielsweise: “In der bürgerlichen Gesellschaft herrscht die fictio juris, dass jeder Mensch als Warenkäufer eine enzyklopädische Warenkenntnis besitzt” (Das Kapital, Marx-Engels-Werke, Bd 23, Seite 50).

Darauf sind die zwei gekommen, lange bevor’s Xtra und los!, debitel Ay Yildiz und Free&Easy Plus gab. Sie haben’s aufgeschrieben und damit war die Angelegenheit, was ihre Theorie der politischen Ökonomie anbelangt, zunächst einmal erledigt. Deshalb passt das Lebenswerk der beiden auch bequem auf eine CD-ROM.

Die InfoDoks aber werden immer mehr. T-mobile vermarktet Gesprächsminuten über den Reseller simply und der wiederum über den Drogeriemarktfunker smobil. Sie alle verpacken diese Minuten in phantasievolle Brandings und heuern hübsche, verliebte Frauen an, die sie unter die Leute bringen sollen.

Und dann gibt’s da noch Unternehmen wie The Phone House, die Mobilfunkverträge von allen möglichen Netzbetreibern zusammen mit Handys und allerlei netten Extras wie 15 Millilitern Eau de Toilette oder einem Akku-Knickschrauber verticken. Letzterer ist erhältlich, wenn man Message Plus von T-mobile, Just Talk Power von Vodafone oder Life Plus von e-Plus bucht.

Alternativ gibt’s statt des Akku-Knickschraubers auch eine Tisch-Zapfanlage dazu. Ob das Telefonieren mit dem mitgelieferten Handy vergleichsweise günstig ist oder nicht, das lässt sich nur schwer sagen. Aber man spare allein schon wegen des Bier-Equipments 99,95 Euro, versichert der Anbieter.

Na ja, und wenn die Zapfanlage erst einmal richtig in Betrieb genommen ist, dann hilft einem das doch sehr, jene fictio juris aufrechtzuerhalten, von der Karl Marx in seinem prägnanten – nur SMS-langen – Satz schreibt.

Silicon-Redaktion

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