Zu den kleinen Freuden des journalistischen Werkeltages gehören Dienstreisen: Man sucht sich im Zug einen Fensterplatz, beugt vor sich fein säuberlich die Ausdrucke und Zeitungsteile auf, die in der jüngsten Zeit ungelesen geblieben sind, und beginnt – aufgeräumt wie jetzt der Schreibtisch daheim – den Stapel abzuarbeiten, während fünf Sitzreihen hinter einem im Abteil ein anderer Reisender anfängt, mit seinem Handy zu telefonieren.
Beim Überfliegen der Headlines konstatiert man dann wieder einmal, zu was für einem allgegenwärtigen Thema sich doch der Datenschutz entwickelt hat. Das heißt: Schöner ist eigentlich der englische Begriff “Privacy”, das Recht, in Ruhe gelassen zu werden, wie’s 1890 der US-amerikanische Jurist Louis D. Brandeis so treffend formuliert hat.
Darum sorgten sich ja diese Woche nach einem Bericht der Süddeutschen Zeitung die Inhaber von VIP-Karten für die Fußball-WM, weil sie wie die ganz gewöhnlichen Olé-Olé-Rufer auch Name und Ausweisnummer angeben müssen, bevor sie in die Stadien gelassen werden. Man wisse schließlich nicht, was mit den Daten anschließend geschehe, hieß es dazu aus den Unternehmen, die die Hopitality-Tickets verschenkt hatten.
Ja, doch, das ist ein Problem. Bemerkenswert daran allerdings ist, dass es erst jetzt Schlagzeilen macht, da es um 300.000 Karten geht, die oft als geldwerter Vorteil (§ 8 EStG) eigentlich versteuert werden müssten, beziehungsweise für die sich wegen des Verdachts der Vorteilsnahme (§ 331 StGB) eventuell die Staatsanwaltschaft interessieren könnte. Wegen der Privacy der übrigen 3 Millionen – auf den billigeren Plätzen – wurde nicht so viel Aufhebens gemacht. Auf was man halt so kommt, wenn man in Ruhe Zeitung liest.
Der Handy-Telefonierer erinnert seine Gesprächspartnerin derweil an ihr “Bäuchlein”, das sie bei ihrem letzten Treffen aufwies. Da er vermutlich nicht gar so ungehobelt ist, wie die rücksichtslose Lautstärke vermuten lässt, in der er das Telefonat führt, liegt der Schluss nahe, dass die Dame nicht unvorteilhaft proportioniert, sondern seinerzeit schwanger war.
Vielleicht sollte man ihm mal erklären, dass beim modernen Mobilfunk die Schallwellen vor der Übermittlung in elektromagnetische umgesetzt werden. Dass also – entgegen eines weitverbreiteten Irrtums – große Distanzen nicht mehr rein akustisch überwunden werden müssen. Darin unterscheidet sich das Handy schließlich von der Buschtrommel. Theoretisch zumindest.
Aber dann liest man doch lieber weiter, was die Zeitungen noch so zum Thema Privacy schreiben: Die Datenschützer warnen vor einer ausufernden Überwachung von Hartz-IV-Empfängern. Auch darüber berichten die Blätter. Weiter hinten, versteht sich.
Im Kern geht es dabei um den Begriff der “Bedarfsgemeinschaft”, den dieses Gesetz eingeführt hat. Dadurch spart der Staat Geld. Eine sexuelle Beziehung begründe eine solche noch nicht, hat unlängst ein Gericht festgestellt, lediglich, wenn sie auf Dauer angelegt ist. Praktisch läuft das darauf hinaus, dass wer ALG II bekommt, die Sache mit der Privacy vergessen kann.
Auch der Handy-Telefonierer ist inzwischen bei Intimem angelangt. Bei Doro sei mittlerweile der Geburtskanal schon stark verkürzt, teilt er seiner Gesprächspartnerin und dem Abteil mit. Doro ist die Frau, die er letztes Jahr geschwängert und – wie sich im weiteren Verlauf des Telefonats noch herausstellen wird – vor kurzem jetzt auch geheiratet hat.
Man erwischt sich in solchen Situationen immer bei dem reaktionären Gedanken, dass früher doch auch einiges besser war. Damals gehörte es sich einfach, dass Kinder frühestens neun Monate nach der Eheschließung das Licht der Welt erblickten. Und wenn es sich doch einmal anders verhielt, dann hat man zu diesem Thema tunlichst geschwiegen. Eine herrliche Ruhe muss da manchmal geherrscht haben.
Warum Eltern immer so laut reden, fragt man sich verzweifelt. Vielleicht, weil sie dem Irrglauben anhängen, dass ihre Kinder dann besser hören. Möglicher Weise ist es auch der soziale Stolz darüber, dass sie den Alterslastquotienten gesenkt haben, der sie annehmen lässt, alles, was ihren Nachwuchs betrifft, sei von öffentlichem Interesse. Besonders schlimm sind sie, wenn sie ein Handy als Megaphon benutzen.
Na ja. – Zum Thema Privacy steht noch in der Zeitung, dass das Europäische Parlament erfolgreich gegen die Übermittlung von Passagierdaten an die US-Regierung bei Transatlantik-Flügen geklagt hat. Um 35 Einzelangaben handelt es sich dabei. Der Gerichtshof in Luxemburg befand, dass es nicht rechtens war, wie das Abkommen zwischen EU und USA zustande kam. Da werden dann halt wohl künftig die 35er Pakete juristisch korrekt übermittelt werden.
Auch der Gatte von Doro – sie hat jetzt übrigens doch seinen Namen angenommen – plant mit seiner Familie eine längere USA-Reise. In drei Jahren. Zuerst wollen sie aber noch ein zweites Kind. Am liebsten natürlich ein Mädchen. Das, weswegen sich Doros Geburtskanal aktuell verkürzt hat, wird nämlich ein Junge.
Aber weswegen er eigentlich anruft: Ein Fest planen sie – Hochzeit, Hauseinweihung, Taufe und seinen Geburtstag – er nennt das Datum – alles zusammen.
Hier gibt man es dann auf, etwas über die Datenschutzproblematik lesen zu wollen, und sieht das ganze statt dessen als Feldbeobachtung zum Thema: Ja, doch, das User-Interface ist meist die gravierendste Schwachstelle bei der Übermittlung personenbezogener Daten, die Luftschnittstelle.
Ein umfassendes Konsumentenprofil, das sich da ergeben hat: Junges Ehepaar – namentlich bekannt, Adresse, Geburtsdatum, Kinder, solvent, Eigenheimbesitzer, reisefreudig… Sowas ist eigentlich viel Geld wert.
Und während man noch darüber sinniert, was schlimmer ist, diese ganze Datenschutzproblematik oder die Leute, die sie lautstark ignorieren, hat der künftige Vater von Doros Kindern schon den nächsten angerufen, um ihm Wissenswertes über seine finanziellen Verhältnisse, seine persönliche Lebensplanung und die primären Geschlechtsmerkmale seiner Ehefrau mitzuteilen.
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