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Der Jolly Rodger im Cyberspace

Aber kaum, dass man sich im Pantoffelkino einen Piratenfilm anschaut, schon hält man’s sympathiemäßig mit den Gesetzlosen und Freibeutern.

Und anderen geht’s offenkundig genauso: Die Mehrheit der von der schwedischen Tageszeitung Aftonbladet befragten Leser etwa hat sich für die Ziele der örtlichen Piratenpartei ausgesprochen. Deren Anhänger gehen auf Kaperfahrt ins weltweite Netz und bringen ihre Prisen an Orten mit so exotischen Namen wie P2P, Kad oder eDonkey auf.

Es liegt wohl an der Gegenseite. Derjenigen, die das Recht hochhält – oft so hoch, dass es ihr bei der Piratenjagd nicht im Weg ist. So hat die schwedische Polizei, deren Aufgabe es eigentlich ist, die Gesetze des eigenen Landes zu schützen, jetzt unter dubiosen Umständen den Bittorrent-Dienst The Pirate Bay ausgehoben: Das staatliche Fernsehen meldet, dies sei auf Intervention der USA hin geschehen. Der Justizminister des Landes allerdings formuliert es lieber anders. Er sagt, man habe “Gespräche über das Thema Urheberrecht” geführt.

Auf hoher See und im World Wide Web gerät halt leicht einiges durcheinander. Das war schon immer so.

Deshalb lässt es sich auch nur schwer sagen, ob die großen britischen Seefahrer Piraten oder doch eher Gentlemen waren. Sir John Hawkins (1532 – 1595) etwa beteiligte sich wie sein Neffe Francis Drake (1540 – 1596) als Vizeadmiral an der Seeschlacht gegen die spanische Armada (1588). Und beide wurden dafür von Elisabeth I geadelt.

Begonnen jedoch hatten die zwei ihre Karrieren als Freibeuter in der Karibik. Das Gold allerdings, das sie sich von den Spaniern holten, hatten jene zuvor den ursprünglichen Besitzern, den Indios, geraubt.

Und so ähnlich geht’s ja auch heute im Cyberspace zu. Dieselben Medienkonzerne, die über Piraterie auf Tauschbörsen klagen, nehmen erst einmal den Urhebern ihr geistiges Eigentum weg. Durch das neue Urheberrecht, das dieser Tage beschlossen wird, lassen sie sich dessen Nutzung auch in bislang noch unbekannten Formen nachträglich einräumen.

Das Gesetz ist so eine Art TCP/IP basierter Kaperbrief. Mit dem Unterschied, dass man nach Brigitte Zypries, die den aktuellen ausstellen will, – im Gegensatz zu Elisabeth I – wohl nie ein Zeitalter benennen wird.

Den Sir Walter Raleigh (1554 – 1618) wiederum schlug Elisabeth zum Ritter und deren Nachfolger, James I, ihm dann den Kopf ab. Letzteres aber nicht, weil er sich auf See nach Auffassung der englischen Krone in ungehöriger Weise an fremden Edelmetallen vergriffen hätte, sondern umgekehrt deshalb, weil er mit zuwenig davon von seiner letzten Fahrt zurückkehrte.

“Wenn das Herz am rechten Fleck ist, spielt es keine Rolle, wo der Kopf ist”, sollen seine letzten Worte auf dem Schafott gewesen sein. Das ist genau die Haltung, wofür man diese tollen Burschen von damals liebt. Und ihre intriganten Widersacher in den Filmen findet man nur widerwärtig.

Heute wird den modernen Piraten selbstverständlich nicht mehr der Kopf mit dem Schwert vom Rumpf getrennt. Ein Kick tut’s schließlich auch.

So jedenfalls stellt es sich die Werbeagentur Zum Goldenen Hirschen vor, die – wenn sie nicht gerade im Auftrag der Grünen eine bessere Welt konzipiert – für die deutsche Filmindustrie unter dem Motto “Raubkopierer sind Verbrecher” tätig ist. Ihr neustes Video zeigt einen Tauschbörsennutzer, der sich auf der Flucht vor seinen Verfolgern auf einem Fußballplatz eingräbt, den Kopf als Fußball getarnt. Und den schießt dann ein Spieler auf’s Tor. “Drastisch-humorvolle Tonalität” heißen die genauso schöngeistigen wie goldenen Hirsche das.

Ein weiterer “viraler” – so nennen sie es, was immer das auch sein mag – Spot zeigt zwei Software-Piraten, die sich aus Angst als Kuh verkleiden. Der eine beschwert sich noch, dass er immer hinten sein muss, da meint der Bauer schon: “Hol mal den Bullen.”

Ach ja, angesichts solcher Kopf-ab-Kicker und Gaudi-Sodomisten, da werden einem die Piraten halt richtig sympathisch und man wünscht sich, dass die Gesetze der Älteren unter ihnen auch im modernen Weltnetz noch gelten würden. Nein, nicht, dass man solche Gewaltvideo-Produzenten kielholen wollte. Das weiß man schließlich aus den Filmen, dass das äußerst brutal ist.

Aber man wüsste sie doch gerne auf einem einsamen Eiland ausgesetzt. Mit genügend Süßwasser und Pökelfleisch verproviantiert, versteht sich.

Zwar würden diese Hirsche sicherlich auch dann noch versuchen, ihre “drastisch-humorvolle Tonalität” zu übermitteln. – Vielleicht als Flaschenpost. Aber die Wasser der sieben Weltmeere haben schon sehr viel mehr verschluckt als irgendwelche “viralen” Geschmacklosigkeiten.

Silicon-Redaktion

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