Die Frage, die jetzt die Nation bewegt, lautet: Was bleibt vom WM-Feeling? Jenes hat ja einen Namen – den, den sich dieser Tage jeder gibt, der sich für erfolgreich hält.
“Wir waren wie Klinsmann”, zitiert Revier Sport den zufriedenen Innen- und Sicherheitsminister Wolfgang Schäuble. Und im Interview des ZDF zur Gefühlslage der Deutschen analysiert Heiko Ernst, der Chefredakteur von Psychologie heute: “Von Klinsmann lernen, heißt siegen lernen.”
Selbst die ansonsten sprachlich eher zurückhaltende Frankfurter Rundschau formuliert beim Thema Klinsmann schnörkellos – nachdem für dessen ehemaligen Käfer bei Ebay zeitweise noch höhere Angebote abgegeben wurden als für Joseph Ratzingers früheren Golf: “Deutschland ist nicht mehr Papst – Deutschland ist jetzt Jürgen.”
Der “Reform-Kommunikator des Jahres” sei er, steht im Marketing-Fachblatt Horizont. Und: “Man versteht ihn.”
Stimmt! Vor allem, wenn man mit IT zu tun hat, versteht man Klinsmann. Er hat ins Geschäft mit dem Fußball die Sprache eingeführt, die im IT-Business üblich ist. Begriffe wie “Key Message”, “Commitment”, “proaktiv”, “Back-up” und “Supervisor”.
Vielleicht sollte man das auch auf anderen Feldern so halten, wo’s nicht so gut läuft wie in den vergangenen Wochen auf dem Rasen. In der Politik beispielsweise.
Da hat jetzt Oskar Lafontaine gefordert, die Sport-Millionäre, die so glänzend am hiesigen nationalen Hochgefühl verdienen, sollten doch auch mal in Deutschland Steuern zahlen und nicht nur in ihren jeweiligen Niedrigtarif-Exilen wie Österreich oder der Schweiz. Eigentlich einleuchtend, möchte man meinen.
Aber der ITler weiß: Es ist ein äußerst proprietärer Ansatz, den Lafontaine verfolgt. Und deshalb hat er keine Chancen, umgesetzt zu werden. Der Hinweis des Linksfraktionsvorsitzenden, dass seine Vorstellungen nicht gleich zum Systemabsturz führen würden, wie man an den USA sehen könne, hilft da auch nichts.
Lafontaine ist Legacy. Der State-of-the-Art sieht anders aus: Weder die IT-, noch die politische Landschaft sind heute heterogen. Die Instanzen im großen Koalitions-Cluster ähneln sich vielmehr so, als seien sie geklont.
Darüber kann auch nicht hinwegtäuschen, dass gelegentlich – beispielsweise gegenwärtig anlässlich der Neuordnung der Krankenversicherung – eine imposante Streit-Emulation auf dem Berliner loosely coupled System gefahren wird.
Das Commitment ist schließlich eindeutig: Die Systemlast soll auf die Versicherten verschoben werden. Die Arbeitgeberbeiträge hingegen werden eingefroren. Quasi ein frozen system.
Ursprünglich wollte der Regierungs-Cluster ja dabei wenigstens ein bisschen soziale Gerechtigkeit simulieren und die Sozialabgaben zunächst sowohl für die Unternehmen, als auch für die Arbeitnehmer senken. Aber das funktioniert jetzt nicht mehr, weil die Mehrwertsteuererhöhung im nächsten Jahr auch die Arzneimittel trifft.
Deshalb entwickeln sich die Beiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleich von Anfang an asynchron: Jene der Arbeitnehmer steigen zum 1. Januar.
Als Deadlock würde der ITler eine derartige Steuer- und Abgabenpolitik bezeichnen. Die Regierung allerdings betrachtet sowas eher als unkritischen Bug.
Gemeinsam ist homogenen IT- und politischen Systemen ja auch, dass sie auf Standards setzen, gewissermaßen auf Komponenten und Politiker off-the-shelf. In dem Zusammenhang: Herbert Wehner wäre diese Woche 100 Jahre alt geworden. Der Mann, der die parlamentarische Debatte um den schönen proprietären Begriff “Düffeldaffel” bereichert hat.
So wie Wehner würde im 16. Deutschen Bundestag niemand mehr einen Abgeordneten einer anderen Fraktion bezeichnen. Das sagt man nicht zu politischen Commodities.
Wirklichen Widerspruch gibt’s längst nicht mehr in der Politik. Da müssen die Politiker schon selbst Widersprüchliches von sich geben.
So wie die Bildungsministerin Annette Schavan etwa. Die hat in gleicher Funktion in Baden-Württemberg ein Kopftuchverbot für moslemische Lehrerinnen durchgesetzt, weil es sich dabei um eine “religiös motivierte Kleidung” handelt, was einem einleuchten könnte. Schließlich sollen Lehrer Schüler unterrichten und nicht Ungläubige missionieren.
Trotzdem hat das Verwaltungsgericht Stuttgart jetzt ihren damaligen Erlass kassiert, weil er Ordensangehörigen weiterhin gestattet hat, ihre Tracht an Schulen zu tragen. War wohl etwas inkonsistent – wie der Datenbanker sagen tät – die Anordnung der christdemokratischen Frau Minister.
Sie hat dann noch nachgeschoben, Mönche und Nonnen kleideten sich eigentlich ja gar nicht wirklich “religiös motiviert”, sondern trügen lediglich eine Art “Berufskleidung”. Das war ihr vorweggenommener Beitrag zum heutigen Integrationsgipfel.
Die Kutte wäre demnach gewissermaßen der Overall der Seelenklempner. Aber das war auch nur ein Argument wie ein Microsoft-Patch. So einer macht’s ja ebenfalls oft nur noch schlimmer.
Fazit dieser Woche: Fatal Errors, und die total cost of ownership (TCO) für die User skalieren mal wieder linear. Das ist die Key Message, wie ‘de Klinsmann sage däd’.
Der setzt sich jetzt wieder ab nach Kalifornien. Zuvor bekommt er allerdings noch vom Bundespräsidenten Horst Köhler das Bundesverdienstkreuz verliehen. Und Robbie Williams will ihm ein Lied singen.
Dies wiederum stimmt einen versöhnlich. Umgekehrt wär’s schließlich schlimmer.
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