Wenn etwa die IBM dieses und nächstes Jahr auf der Systems und der CeBIT ihre neuen Server präsentiert, dann wird das eigentlich Neue daran ein bisschen Silizium sein, das für Spielzeugcomputer entwickelt worden ist: Der Cell-Prozessor in den Blades. Der stammt aus der Playstation 3 von Sony, die dann schon Tausende von minderjährigen Usern gefunden haben wird. Oder im Dual-Stress-Verfahren gefertigte Power-Chips. Die takten bereits jetzt in Konsolen der Sony-Konkurrenz.
So sehen IT-Roadmaps im 21. Jahrhundert aus: zunächst ins Kinderzimmer und dann erst ins Rechenzentrum. Ja: “Hoher Sinn liegt oft in kindschem Spiel”, wie Friedrich Schiller es dereinst formuliert hat (F.S.: Thekla, 1802).
Oder anders ausgedrückt: Spielen ist kein Spaß. Heutzutage jedenfalls nicht mehr. Denn wenn’s dabei nicht um High Tech und viel Geld geht, dann doch zumindest nur um viel Geld.
Man merkt das immer wieder an den Namen der Fußballstadien: Was früher so schön Franken-, 60er oder Volksparkstadion hieß, liest sich heute wie ein Firmenverzeichnis der I+K-Industrie und der Finanzbranche.
Der aktuelle Tabellenführer der Bundesliga spielt in einer Sportstätte Namens Easy-Credit-Stadion, was doch eher windig klingt und nicht gerade als gutes Omen für die Dauerhaftigkeit des Nürnberger Erfolgs interpretiert werden kann, der HSV in der AOL- und die Münchner in der Allianz-Arena. – Vielleicht nennt sich in der nächsten Saison sogar die ganze oberste Kicker-Klasse in Deutschland Telekom-Bundesliga. Wie sie schon jetzt in Österreich T-Mobile Bundesliga heißt.
Und bevor Klinsmanns Mannen – mit dem neuen Trainer Joachim Löw – das erste Länderspiel nach der WM gegen die müden Schweden zu gewinnen bereit waren, galt es erst einmal, den “Schuhkrieg” friedlich zu beenden. 2 Millionen Euro hätte Miroslav Klose von Nike bekommen, schreiben die Kriegsberichterstatter von Bild am Sonntag. Fürs Kicken in den DFB-Einheitstretern von Adidas gab’s hingegen während der gesamten Weltmeisterschaft nur 50.000 Euro.
Das Schwesterblatt Sportbild bemüht im Zusammenhang mit der Turnschuh-Frage sogar das Grundgesetz: “Laut Verfassung hat jeder das Recht zur freien Entfaltung seiner Persönlichkeit.” Ja, bei den Menschenrechten – zumal, wenn sie so gut dotiert sind – da hört der Spaß einfach auf.
Und die lieben Kleinen? Die, die keine Lust haben, wie der Papa vorm Fernseher zu sitzen und zuzuschauen, wie der vom verfassungswidrigen Schuhwerk schwer gehandicapte Klose trotzdem trifft. Und die statt dessen lieber an der Spielekonsole Monster meucheln. – Die bekommen in Zukunft so richtig Ingame-Werbung um die Ohren gehauen. Damit sie Lernen, dass das Leben kein Spaß ist.
Ingame-Werbung ist ein glänzendes Geschäft, fast so lukrativ wie das mit Fußballschuhen. Die Yankee Group schätzt, dass bis zum Ende des Jahrzehnts eine Milliarde damit umgesetzt wird. Und deswegen sind auch die beiden Experten für gute Geschäfte heuer eingestiegen: Intel beim Branchenzweiten IGA Worldwide. Und Microsoft hat den Marktführer Massive gleich aufgekauft.
Bei der Ingame-Werbung dreht es sich darum, Produkte eines Unternehmens als feste Bestandteile in ein Computerspiel einzubauen. So, wie’s Fußballschuhe in einem Länderspiel sind.
Beispielsweise werden die Kampf-Würmer in Worms 3D schier unbesiegbar, wenn der Spieler sie mit der Brause Red Bull labt. In der realen Welt lässt deren Hersteller Formel-1-Piloten und die Starkicker aus New York und Salzburg unter seinem Namen antreten.
Ein Drittel seines Umsatzes gibt der Konzern für’s Marketing aus. Ja, man muss sich schon etwas einfallen lassen, wenn man einen Viertelliter Dosenlimo für 1,40 Euro verkaufen will. Auch in der Virtualität.
Aber man macht sich halt doch ein bisschen Sorgen um die Jugend. Soll die enden wie ihre Väter? – Als Zielgruppe für kickende, überbezahlte Werbebotschafter bei der Sportschau.
Und wenn jetzt sogar das digitale Ungeziefer in den Computerspielen gesponsert wird, werden künftige Generationen dann wirklich ohne das befreiende Gefühl aufwachsen, ein richtig fieses Ungeheuer vom Bildschirm geputzt zu haben? Und statt dessen mit dem Joystick nur auf virtuelle Litfasssäulen schießen dürfen.
Gut, unsere Kinder kennen ja noch die glibberigen Ekelpakete auf dem Monitor. Aber wie wird es bei den Enkeln sein?
Vielleicht werden die ja zum Opa kommen. Der wird auf seinem Rechner eine DOS-Emulation starten. Und auf einem pechschwarzen Bildschirm wird nur “C:>” zu sehen sein. “Prompt” nennt der Opa das. Dann wird er einige kryptische Zeichen eintippen, ein altes Ballerspiel starten und gemeinsam mit seinem Enkel in jene wunderbare Welt eintauchen, in der Monster sind, wie Monster sein müssen: blutrünstig, gemein und furchterregend – aber nicht korrupt, also nicht: sponsored by irgendwem.
Und die widerwärtigste dieser Horrorgestalten werden Opa und Enkel dann gemeinsam niedermähen, um anschließend zufrieden und sehr vorsichtig die Emulation herunterzufahren, damit die Dateien keinen Schaden nehmen und dem ekeligen, edlen und unbestechlichen Monster nichts geschieht und es sich bis zum nächsten Mal wieder gut erholen kann. Ja doch, so wird es sein.
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