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Konvergenz

Das wichtigste IT-Ereignis dieser Woche? – Am Neujahrstag gegen 9 Uhr abends im Ersten befiel irgendein Stück Malware die Rechner eines pharmazeutischen Dienstleistungsunternehmens und löschte teilweise dessen Personaldaten.

Deswegen entdeckte Max Ballauf unter den Angestellten nicht den Giftmischer, der die Ex-Freundinnen des Kölner Tatortkommissars dahinmeuchelte. – Das war schon sehr erhellend!

Wie ja überhaupt, Tatort zu schauen, für Menschen, die mit modernen Informations- und Kommunikationstechnologien zu tun haben, sehr erbaulich ist. Frank Thiel, Ballaufs Münsteraner Kollege, etwa ist es jedes Mal äußerst peinlich, wenn sein Handy zur Unzeit polyphon “Auf der Reeperbahn nachts um halb eins” klingelt.

Wo, außer im öffentlich-rechtlichen deutschen Fernsehkrimi, findet man sonst noch jenes altmodische Gespür dafür, dass es auch Umstände gibt, unter denen ein klingelndes Handy als deplaziert empfunden werden könnte? – Vor allem aber zeigen Thiels Mobiltelefon und der Virenbefall in Ballaufs jüngstem Fall, dass die I+K in den Sendern angekommen ist. Zumindest bei deren Drehbuchschreibern.

Unterhaltungselektronik und digitale Informations- und Kommunikationstechnik beeinflussen sich also wirklich. Irgendwie gibt es sie schon, diese vielbeschworene Konvergenz. Wenn auch selbstverständlich nicht so, wie die Marketing-Schreier sich das ursprünglich ausgedacht hatten.

Und dann existiert da natürlich ebenfalls noch die Konvergenz in der Sprache. Auch in der Medienbranche findet – wie in der IT-Industrie – Innovation ja vor allem verbal statt.

Ein Blick in eine Programmzeitschrift während der Feiertage illustriert das: Was da für imposante Fachbegriffe drinstehen! “Panel-Show” beispielsweise: So nennt man eine Sendung, während der mehr oder weniger prominente Leute einem Moderator gegenüber sitzen und versuchen, witzig zu sein.

Telenovelas heißen die ad infinitum fortgesetzten Serien ohne jedwede Handlung. Wird jene nicht existierende Handlung dann noch in mehrere Stränge aufgeteilt, so spricht man von einer Soap. Für ITler: Eine Soap ist eine multithreaded Telenovela, wobei der Terminus technicus für Thread in dem Fall Storyline lautet.

Wird dabei Unsinn mit richtigen Menschen getrieben, so spricht man von einer Doku-Soap. Was aber nicht mit einer Pseudo-Doku verwechselt werden darf. Denn so nennt man das Format von Sendungen wie “Richterin Barbera Salesch”. Das ist jene ältere Dame mit deutlich überhöhtem Body-Mass-Index, die offenkundig ihr juristisches Staatsexamen seinerzeit eigens abgelegt hat, um heute im Auftrag von SAT 1 den deutschen Rechtsstaat zu verunglimpfen.

Egal, ob es sich um die Kastration promisker Liebhaber, jedwede Form von Inzest, den Missbrauch narkotisierter Frauen oder die schwere Körperverletzung mittels einer mit Sekundenkleber präparierten Erektionspumpe handelt, Richterin Barbera Salesch und ihren Kollegen von den konkurrierenden Sendern entgeht niemand. Und besonders unnachgiebig verfolgt Deutschlands furchtbarstes Richterkolleg Zapper, die nach einem langen Arbeitstag, spät Nachts zur Entspannung einfach noch was Nettes im Fernsehen anschauen wollen. Denen zeigen es die Telejuristen so richtig – nämlich dass sogar nachts im deutschen Fernsehen kein rechtsfreier Raum und – was schlimm ist – auch kaum ein solcher Kanal existiert.

Außerdem gibt es noch Sitcoms – Billigproduktionen mit so genanntem “canned Laughter” – Dramedies, Doramas und Backdoor-Pilots oder Spin-Offs. Letzteres ist der in eine laufende Serie eingebettete Auftakt zu einer neuen. Man ist immer wieder bass erstaunt, wie viele komplizierte und multilinguale Fachtermini doch nötig sind, um Albernheiten zu klassifizieren.

Dass diese Begriffe auch den Menschen hierzulande zunehmend geläufig werden, das verdanken sie Christian Schwarz-Schillig. Der ist eigentlich gelernter Sinologe, wollte aber nicht wie andere Leute dieser Profession, sich still und sozialverträglich mit den kulturellen Errungenschaften der Qin-, der Han- oder der Song-Dynastie beschäftigen.

Statt dessen verkabelte er als vorletzter hiesiger Minister für Post und Telekommunikation das Land mit Kupferkoaxialleitungen, gab die freien Kanäle Privatsendern und half so auch in Deutschland anschaulich den Bruce-Springsteen-Song von 1992 zu illustrieren: “57 channels and nothin’ on”.

Der Schreiber hat sich deshalb entschlossen, bei ihm daheim über die Feiertage Unterhaltungselektronik und IT zu integrieren: Jetzt empfängt ein PC mittels einer TV-Karte das Fernsehprogramm. Und auf den mächtigen Platten eines NAS-Servers speichert er das wenige Interessante, was hierzulande ausgestrahlt wird.

Wunderbare Sendungen von meist quotenschwachen Kanälen sind da dabei. Solche, in denen die Seeschlacht von Salamis als Computeranimation nachgestellt, der Verlauf der Völkerwanderung dargestellt oder die architektonische Hinterlassenschaft der bayerischen Könige gezeigt wird. Und natürlich auch Tatort-Krimis, in denen es altmodischen Kommissaren peinlich ist, wenn ihr Handy klingelt.

Es ist dies der einzig mögliche Schutz davor, dass einen nachts Richterin Barbera Salesch heimsucht. Und es ist natürlich auch wieder diese Konvergenz. Es gibt sie also wirklich.

Was eine übergewichtige Fernsehrichterin und ein irregeleiteter Sinologe doch nicht alles bewirken können! Ach ja, die moderne Technik. Sie bedarf manchmal wirklich seltsamer Helfer.

Silicon-Redaktion

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