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Ei, dei, dei, Microsoft

Die promotet das gleichnamige Lernprogramm. Als ob Kinder sprachlich von dem Redmonder Bug&Buck-Konzern irgendwas lernen könnten! Was auch – vielleicht: “SHLWAPI.DLL ist verknüpft mit fehlendem Export GDI32.DLL”?

Man müsste mit den kleinen Plappermäulern ganz streng schimpfen, wenn sie so schlimme und dumme Sachen sagen würden. Du, du!

Aber zum Glück ist das nicht nötig. Schließlich sprechen Kinder die mächtigste Sprache überhaupt. Ihretwegen ist sie ja erfunden worden.

So vertritt etwa die US-Anthropologin Dean Falk die These, die Kindersprache sei nichts weniger als eine Folge der edelsten aller menschlichen Eigenschaften: des aufrechten Gangs. Vor anderthalb Millionen Jahren hätte sich deswegen der Geburtskanal bei den Hominidenweibchen verkürzt. Mit der Folge, dass sie ihre Jungen recht früh zur Welt bringen mussten.

Außerdem bildete sich die Körperbehaarung zurück, so dass die hilflosen Frühgeburten sich nicht mehr richtig an ihren Mamas festhalten konnten. Jene hätten sie deshalb gelegentlich beiseite gelegt, worauf die Kleinen – damals schon – jämmerlich geschrieen haben sollen.

Deshalb hätten die Mamas dann mit “Ei, dei, dei” und Ähnlichem begonnen. Dem halt, was man heute noch zu plärrenden Schratzen so sagt, um ihnen mitzuteilen, dass man ja da ist und alles gut. – Die menschliche Sprache war erfunden.

Angesichts der vorangegangenen Jahrmillionen langen Evolution war es dann – relativ gesehen – bis zu Hegels “Phänomenologie des Geistes” nur noch ein kleiner Schritt. Kinder sind wahre Sprachgenies, die sich – im Unterschied zu den Leuten aus IT-Unternehmen – sehr prägnant auszudrücken pflegen.

Beispielsweise nennt Microsoft seine Einzelhandels-Software eine “kostengünstige und flexible, intuitiv zu bedienende Lösung”. Eine Rotznase würde sagen: “Das ist doch pipi.” Was eine pointierte Formulierung hinsichtlich Usability und Preis des Produkts und gleichzeitig hinsichtlich des Gehalts der von Redmond getätigten Aussage darstellte.

Derart prächtige Begriffe gehören zum kindlichen Wortschatz! – “Pipi” – ein polysemantischer Terminus mit i-orientierten Phonetik – der deshalb genau trifft, was Marketing-Leute gerne sagen wollen, aber nicht können, weil sie ihre sprachliche Verarmung hinter so verquasten verbalen Konstrukten wie “ease-of-use”, “simplicity” oder eben “intuitiv zu bedienend” zu verbergen suchen.

Ein anderes Beispiel: “Der Konkurrenz Lichtjahre voraus” sei es, erklärt selbiges Unternehmen bezüglich seines Spielzeug-Computers Xbox 360. Was banal ist, weil besagte Konkurrenz es noch nicht geschafft hat, ihre neuen Konsolen auf den Markt zu bringen. Die minderjährige Zielgruppe dieser Microsoft-Mitteilung weiß das natürlich längst.

Was also will der Konzern ihr sagen? – Er möchte Schadenfreude ausdrücken – was allerdings kein adäquater Begriff ist. Freude ist im Deutschen etwas Hehres. Da klingt immer ein bisschen was vom Schiller-Gedicht aus dem vierten Satz von Beethovens Neunter mit.

Dafür braucht’s eher ein Wort mit einem langen, gemeinen “ä” wie Häme. Und wenn Microsoft nicht so damit beschäftigt wäre, Kinder belehren zu wollen, und statt dessen bereit, von ihnen zu lernen, dann hätte es hinter den Seitenhieb auf seine Wettbewerber sicherlich ein verstärkendes “Älläbätsch!” geschrieben. Das hätte gesessen. Aber so?

Ja, jenseits des Kindesalters baut der Mensch – und nicht bloß der bei Microsoft – sprachlich nur noch ab. Dann plappert er nicht mehr freimütig, dann kommuniziert er. Was sich oft ganz grausig liest.

Die Internet-Jobbörse Careesma.at etwa klärte diese Woche ihre potentiellen Kunden über die Möglichkeiten ihrer Web-Site auf: “Sie kommunizieren den Kandidaten, in welchem Stadium des Selektionsprozesses sie sich befinden.”

Ja, wenn “kommunizieren” zum transitiven Verb mutiert, dann wird der, mit dem man das tut, notwendiger Weise zum Dativ-Objekt. Wer gedient hat, fühlt sich da doch sehr unangenehm an jene Zeiten erinnert, als der Spieß einem “Stillgestanden!” kommunizierte.

Kinder reden nicht so verquer daher. Die haben es vielmehr sehr schnell drauf, was das mit den Präpositionen “mit”, “an” und “in” so auf sich hat. Und wenn jemand das nicht beherrscht, dann sind sie rasch mit einem “Der ist ja soo doof” bei der Hand. Mit vielen schön runden “o”s.

Erwachsene hingegen lassen sich von gezielt eingesetzten Grammatikfehlern leicht beeindrucken und fragen sich beispielsweise, was einem ein Vier-Sterne-Restaurant wohl kommunizieren will, das “Rehrücken an(!) Feigenjus” offeriert. – Wahrscheinlich, dass man zum auserlesenen Kreis der Gourmets gehören würde, wenn man bereit wäre, dafür 37 Euro hinzulegen.

Wer sonst nix kann: Essen und Trinken, bekommt auch der hin. Wohlstandsbürger, die nur noch äußerlich aufrecht gehen, zu beeindrucken, ist halt leicht – quasi “pipi”, wie die kleinen Verbalkünstler sich auszudrücken pflegen.

Oder das temporale Adverbial: Die Gesamtkosten für Linux-Rechner seien “in 2005” viel höher gewesen als jene für Windows-Systeme, behauptet Microsoft auf seiner – wohlgemerkt – deutschen Website. Der Syntax-Fehler “in” soll wohl Weltläufigkeit signalisieren und die Fragwürdigkeit von Auftragsstudien überdecken.

Ach ja, und Leute, die so daherreden, wollen der nachwachsenden Generation dabei helfen, Sprache zu entdecken. – Also das ist doch… – genau, so heißt das richtige Wort – Bäbäh ist das.

Silicon-Redaktion

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