Dereinst – 1788 – schrieb er sie nieder – im dritten Teil des bedeutendsten unter seinen Werken. Und eine gute Seele hat jenes Büchlein nun seiner papierernen Form entkleidet und es zum Nutzen und Frommen der Surfer auf einen Platz im Netz der Netze gestellt, welcher nach dem Meister Gutenberg benamst ist (gutenberg.spiegel.de).
Dem Schreiber dünkt, des Freiherrn Worte wären an die I+K-Zunft dieser Tage gerichtet und an all jene, die damit zu schaffen haben. So an die Herren Rechtsgelehrten, die just diese Woche wieder darüber zu Gerichte sitzen, ob’s den feisten Mannesmännern weiland am rechten Maß gemangelt hat.
Vor der Jahren zwei noch belehrte sie ein der Untreue beschuldigter Ackermann mit dreist erhobenem Zeigefinger, “dass Entscheidungen in der Wirtschaft anders gefällt werden als Entscheidungen in der Verwaltung oder Jurisdiktion”. Und alsdann erhob er einen zweiten Finger, um mit derer zweien, der Nike, der Göttin des Sieges, zu huldigen.
Den Herren Richtern sei ans Herz gelegt, was der weise Freiherr über Menschen vom Schlage jenes Ackermanns zu Papier gebracht hat: “Sie sehen sich als Wesen besserer Art an, von der Natur begünstigt, zu herrschen und zu regieren, die niedern Klassen hingegen bestimmt, ihrem Egoismus, ihrer Eitelkeit zu huldigen, ihre Launen zu ertragen” (Knigge: “Über den Umgang mit Menschen, Teil 3, Kap. 1, Abs. 1).
Oder die armen Schlucker, die darauf vertrauten, auch fürderhin bei Siemens Mobile ihr täglich Brot verdienen zu können, und deshalb Verzicht übten. Die Obrigkeit war des Lobes voll über soviel Einsicht. “Jetzt muss man auch anerkennen, dass Betriebsrat und Unternehmensleitung hier eine sehr gute Lösung gefunden haben”, sprach im vorvergangenen Jahr noch huldvoll die nachmalige Kanzlerin.
Allein: Nachdem sie ihrer neuen Herren aus dem fernen Osten verlustig gegangen sind, sollen nur 163 jener unglücklichen 850 in München bei Siemens ihr Tagwerk verrichten dürfen. So jedenfalls schreibt’s die Süddeutsche Zeitung.
Manch einem mag da der Rat des klugen Freiherrn in den Ohren klingen: “Überhaupt darf man auf die Dankbarkeit der mehrsten Vornehmen und Reichen sowie auf ihre Versprechungen nicht bauen. Opfre ihnen also nichts auf!” (ibidem, Abs. 8).
Die mächtige Telekom, die dereinst über ein gewaltiges Heer an Arbeitsleuten gebot, will derer gar Zehntausende der Unbill Nürnbergs preisgeben. So sie sich nicht als fügsam erweisen und auf einen Gutteil ihrer Besoldung verzichten.
Eingedenk der Lockungen des Herrn Ricke und seiner willfährigen Helfer sei auch ihnen die Einsicht des Freiherrn Knigge nahegelegt: “Vertraue ihnen nicht den Kummer Deines Herzens. Sie fühlen ja doch kein warmes Interesse dabei, haben keinen Sinn für freundschaftliche Teilnahme; es macht ihnen Langeweile” (ibidem, Abs. 12).
Ja, und sogar die Feinsten unter den Usern bedürfen des freiherrlichen Rats. Jene, die nicht tagein, tagaus einen gemeinen Rechenknecht malträtieren, sondern vielmehr einen Mac ihr eigen nennen. Stets hat St. Stefan, der den Apfel im Wappen trägt, sie im Glauben gelassen, sie zeichneten sich durch besondere Weitsicht aus.
Gar wohlfeil sind denn auch seine Reden über “Apple and the Global Environment” und “Responsible Manufacturing” auf apple.com. Die Eiferer von Greenpeace aber wurden dieser Tage in London exkommuniziert. Der heiligen Messe der Apple-Gemeinde, der MacExpo mussten sie fernbleiben. Zu ketzerisch war wohl ihre Losung “Green my Apple”.
Sollten sie sich aber gar so sehr darüber grämen, dass sie St. Stefans Lug und Trug aufgesessen sind, so möge ihnen des Freiherrn Wort zur Mahnung gereichen: “Man traue nicht zu sehr den freundlichen Gesichtern der mehrsten Großen, glaube sich nicht auf dem Gipfel der Glückseligkeit, wenn der gnädige Herr uns anlächelt, die Hand schüttelt oder uns umarmt” (ibidem, Abs. 5).
Manch einer möchte da verzweifeln an der Welt und der irdischen Gerechtigkeit, so am Ratschluss jenes Münchner Gerichts, das nach Informationen ebenjener Süddeutschen Zeitung den ehemaligen Infineon-Vorstand Andreas von Zitzewitz gegen eine Geldbuße künftig unbehelligt lassen will. Hat dieser doch nicht nur seine feuerfesten Unterhosen auf Firmenkosten abgerechnet, sondern darüber hinaus auch noch mitgeholfen, Milliarden Verluste anzuhäufen.
Den ihm unterstellten Minderen aber hat er stets das hehre Leistungsprinzip gepredigt. Jenen sei anheim gestellt: “Vor allen Dingen ist … Vorsicht nötig gegen Vorgesetzte, die ungeschickter in ihrem Fache sind als Du… Wieviel werden sie von Dir fordern, das sie selbst nie zu leisten imstande sein würden, damit sie Gelegenheit haben, Dich eines Fehlers zu zeihen” (ibidem, Abs. 13): Jeden Zwanzigsten der Minderen wollte von Zitzewitz und sein Meister Schumacher, der ihm indes heute gar nicht mehr hold ist, seinerzeit alljährlich entlassen.
Ja, so zeitlos klug ist das Werk des Adolph Freiherr Knigge. Und selbst für den Schreiber, der Woche für Woche Mindere wie auch Hochgestellte zu erfreuen sucht, hält er einen Ratschlag bereit: “Übrigens wollen die Vornehmen und Reichen angenehm unterhalten und in fröhliche Laune gesetzt sein. Tue dies auf unschuldige Weise… Aber erniedrige Dich nicht zu ihrem besoldeten Spaßmacher.” (ibidem, Abs.10).
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