Branchengespräch und Branchensprache
“Alles g’schwätzt”, pflegt man in Baden-Württemberg zu sagen, wenn eine Angelegenheit endgültig geklärt ist. Eine nun ist seit dieser Woche wirklich erledigt: Die Deutsche Telekom hat einen neuen Chef.
René Obermann heißt er. Und: “Der kann schwätze”, wie man es im Südwesten Deutschlands formulieren würde. Will sagen: Der Mann ist sehr kommunikativ. Sein erstes Interview in seiner neuen Funktion hat er denn auch nicht einem Finanzblatt gegeben, sondern der Bildzeitung. – Und von der Exegese jener 35 Zeilen nährte sich diese Woche die Wirtschaftspresse.
Die Telekom werde eine “einfachere Sprache finden”, versprach Obermann der diese Sprache gewohnten Bild-Leserschaft. Besorgt wandert da der Blick unter den Schreibtisch zur guten alten NTBA. – Das ist das schöne graue Kästchen zwischen dem DSL-Splitter fürs Internet und dem Telefon.
Gut, “Network Termination for ISDN (Integrated Services Digital Network) Basic rate Access” ist ein etwas sperriger Name. Aber wie sowas funktioniert, ist gut dokumentiert. 419.000 Seiten mit dem Kürzel dafür listet Google, 105.000 mehr als mit René Obermann. Da findet sich dann schon was.
Mit Schaudern hingegen denkt man an die Flash-basierten “Installationsshows”, die die Telekom seit einiger Zeit ins Netz stellt. Aus denen erfährt man im Wesentlichen – in zugegebener Maßen einfacherer Sprache – dass die jeweilige Telefonfamilie “für jede Anforderung die optimale Lösung” biete.
Hinzu kommt, dass sich ja meist mit der Sprache auch die Organisation ändert. Früher beispielsweise ist man, wenn etwas mit dem Fernsprechanschluss nicht in Ordnung war, zum Postamt gegangen. Meist zu Fuß, was leicht möglich war, weil sich in Deutschland seit Alters her in jeder Pfarre ein Postamt befunden hat. Heute hingegen lässt man sich tunlichst erst einmal im Internet anzeigen, ob der nächste T-Punkt 10 oder 20 Kilometer entfernt ist.
“Sie, ich hätt’ da mal ne Frage”, hat man früher dann zu dem meist gelangweilten Schalterbeamten gesagt. Das war schon lästig – für den hinterm Schalter.
Deshalb sorgt die Telekom heute dafür, dass ihre Bediensteten in den T-Punkten nicht so leicht mit derartigen Fragen behelligt werden können. T-Punkte nämlich – der Name kommt von Telekommunikation – sind jene einzigartigen Läden, bei denen man nicht anrufen kann.
Für den Vertrieb von Festnetzanschlüssen in diesen T-Punkten war bis vor kurzem ein gewisser Achim Berg zuständig. Der hat jetzt einen neuen Job. Er wird Deutschland-Chef von Microsoft. Er zumindest wird künftig telefonisch erreichbar sein – für die Direktiven aus Redmond.
“Wir müssen Kosten sparen”, hat René Obermann dann noch im Bild-Interview gesagt. Auch das: sprachlich einfach. Aber falsch. Vielleicht sollte die Telekom Geld sparen und ihre Kosten senken. Kosten sparen hingegen braucht sie nicht. Nach den einschlägigen Analysen hat sie davon eher zu viel.
Aber das wird er schon noch lernen, der René Obermann. Er hat ja lange Zeit dazu. Einen Fünfjahresvertrag hat er bekommen. Vor allem aber will er auch – ausweislich seines Bild-Interviews – die “Verständlichkeit von Tarifen”.
Jene bei T-Mobile nennen sich “Max”, “Basix”, “Relax” und “Relax XL”. Letztere sind jeweils in den Versionen 50, 100, 200, 400 und 1000 erhältlich. Außerdem: “Xtra” in den Varianten “Smart”, “Friends”, “Classic” und “Click”, teilweise mit den aktivierbaren Optionen “Xtra Nummer Eins” und “Xtra Data”.
Die Tarife bei T-Com wiederum heißen “Call Plus”, “Call Time”, “XXL Local” und “XXL Fulltime”, jeweils mit diversen zubuchbaren Erweiterungen. Surfen kann man über T-DSL 1000, 2000, 6000 und 16000 zu den Tarifen “flat” und “start”. Ihre Kombinationsangebote schließlich hat die Telekom “Call&Surf Basic, Comfort und Comfort Plus” genannt.
Insgesamt sind es – grob geschätzt – 100 verschiedene. Und jeder hat einen eigenen phantasievollen Namen, bestehend aus Zahlen, Ziffern und Sonderzeichen. – Das wird schon seine Zeit dauern, bis das alles in eine einfachere Sprache gefasst ist.
Na ja, das sind halt so Themen, die beim Amtsantritt eines neuen Telekom-Chefs angesprochen gehören. Oder wie man sich in Baden-Württemberg so schön ausdrückt: “Dodriwer muss mar amol schwätze.”