IT Services & Outsourcing – Ein Zuliefermarkt entsteht

Bei der Diskussion aktueller Entwicklungen im IT-Dienstleistungsmarkt ist derzeit viel vom “Fressen und gefressen werden” die Rede. Denn Industrialisierung und Globalisierung sorgen – trotz derzeitigen Stimmungshochs unter den Akteuren – tendenziell für fallende Margen und zunehmenden Kostendruck. Unter diesen Vorzeichen werden kritische Masse bei Geschäftsvolumen, internationale Aufstellung und der Zugang zu Offshore-Kapazitäten zum Wettbewerbsfaktor. Die Zeichen stehen – da sind sich nahezu alle Auguren einig – auf Konsolidierung.

Potenzielle Gewinner des Verdrängungswettbewerbs dürften nach dieser Logik die global aufgestellten IT-Services-Riesen sein, also diejenigen, die beim großen Fressen zuerst zuschlagen können. Kleinere Anbieter bzw. solche ohne die notwendige Beißkraft, so der Umkehrschluss, sind die potenziellen Verlierer dieser Entwicklung. Wollen Sie nicht im Bauch eines Riesen landen – so der gut gemeinte Ratschlag vieler Berater – dann sollten Sie ihr Heil als industriebezogene Nischenanbieter suchen.

Diese Marktbewertung, die vor dem Hintergrund aktueller Ereignisse wie der “Partnersuche bei T-Systems” durchaus nachvollziehbar ist, beleuchtet jedoch nur einen Ausschnitt der aktuellen Marktentwicklung. Denn mittelfristig sorgt die Industrialisierung nicht nur für eine Konsolidierung im IT-Dienstleistungsmarkt, sondern bewirkt auch eine zunehmende Fragmentierung der Lieferkette und damit eine Neuordnung der Anbieterlandschaft.

Vorbild Automobilindustrie

So erleichtert die zunehmende Standardisierung von Technologien und Prozessen im IT-Umfeld auch die Zerlegung von IT-Dienstleistungen in einzelne unabhängige Bausteine. Und da diese Bausteine nicht für jeden Kunden individuell geschnitzt werden müssen, kann deren Fertigung an spezialisierte Dienstleister ausgelagert werden. Hinter globalen IT-Services-Brands und lokalen Branchenspezialisten könnte sich also durchaus auch eine starke Zulieferindustrie entwickeln.

Die Auslagerung von IT-Teilleistungen ist auch aus ökonomischer Perspektive sinnvoll. Übertragen die IT-Dienstleister doch damit den Outsourcing-Gedanken, den sie selbst so gerne ihren Kunden predigen, auf ihr eigenes Geschäft. Große Akteure im IT-Services-Markt können sich damit auf die Pflege der Kundenbeziehungen und auf margenträchtige Segmente am oberen Ende der Wertschöpfung konzentrieren. Die von den Branchenführern so gerne als “Commodity” verschmähten Aufgaben im IT-Infrastruktur- Umfeld würden dagegen spezialisierte Zulieferer übernehmen.

Dass ein solches Szenario nicht nur auf dem Reißbrett funktioniert, zeigt die Entwicklung in der Automobilindustrie. Tatsächlich würde heute kein Autobauer auf die Idee kommen, Reifen, Lenkrad oder Kotflügel selbst herzustellen. Dies überlässt er besser spezialisierten Zulieferern – das Baukastenprinzip macht’s möglich.

Fragmentierung der Lieferkette

Auch im IT-Dienstleistungsmarkt gibt es erste Beispiele für eine Fragmentierung der Lieferkette. So kooperiert der Full-Service-Anbieter Capgemini mit dem Datencenter-Spezialisten IXEurope. In der zugehörigen Pressemitteilung verweist der Anbieter genau auf jene konsequente Weiterverfolgung des Outsourcing-Gedankens. Demnach ist Capgemini weiterhin für den geschäftskritischen Betrieb der IT-Applikationen seiner Kunden sowie die Hardware verantwortlich. “Für das Gebäude-Management”, so Peter Henkel, Geschäftsführer der Capgemini Systems GmbH, “nutzen wir jedoch unseren Partner, der darin sein Kerngeschäft hat”.

Dass die Entwicklung einer Zulieferindustrie auch Raum für neue Geschäftsmodelle im IT-Dienstleistungsmarkt bietet, zeigen zwei Fallbeispiele, an denen Berlecon im Rahmen des Forschungsprojektes INTERDIG arbeitet. Eines davon ist die Revacom GmbH, die sich mit Softwarepackaging Services, d.h. Leistungen zur kundenindividuellen Anpassung und Verteilung von Softwarepaketen als Zulieferer großer IT-Dienstleister positioniert. Für dieses normalerweise wenig margenträchtige Teilsegment etablierte Revacom einen nach industriellen Normen gestalteten Lieferprozess, einschließlich der Einbindung von Nearshore-Ressourcen. Offensichtlich trifft dieses Angebot auf Interesse: Auf der Referenzliste des Anbieters, der erst 2004 in den Markt eintrat, finden sich heute schon namhafte Anbieter im IT-Services-Umfeld wie HP, Bechtle, SBS (heute SIS) und Computacenter.

IT Services für IT-Dienstleister

Einen anderen Ansatz wählte die Intact Integrated Services GmbH, die im Herbst 2006 mit dem Slogan “IT Services für IT-Dienstleister” in den deutschen Markt eintrat. Das Unternehmen unterstützt IT-Dienstleister als White-Label-Anbieter bei der Schließung von Kapazitäts- und Know-how-Lücken. Ein typisches Einsatzbeispiel ist die Etablierung von Services für neuartige Netzwerk-, Kommunikations- oder Sicherheitstechnologien. Intact übernimmt in diesem Fall für eine Übergangszeit den Betrieb der Services und arbeitet dabei unter dem Label des Resellers. Dieses Geschäftsmodell wird laut Geschäftsführer Reichert vom Schwesterunternehmen in Großbritannien bereits seit 2004 erfolgreich betrieben.

Alle drei Beispiele zeigen, dass Chancen und Herausforderungen durch Industrialisierung und Globalisierung im IT-Dienstleistungsmarkt wesentlich vielschichtiger sind, als es die einfache Konsolidierungslogik suggeriert. Für große Player dürfte mittelfristig die optimale “Fertigungstiefe” als weiterer Wettbewerbsfaktor im IT-Dienstleistungsmarkt (neben kritischer Masse und internationaler Vernetzung) an Bedeutung gewinnen. Schließlich macht eine konsequente Auslagerungspolitik die erklärten Outsourcing-Spezialisten auch aus der Perspektive der Kunden glaubwürdiger.

Für kleinere Anbieter bietet die Industrialisierung interessante Wachstumsperspektiven – und das nicht nur bei Flucht in die Branchennische, die im ungünstigsten Fall ohnehin schon besetzt ist. Die Etablierung als Zulieferer setzt jedoch voraus, dass die Anbieter – auch das zeigen die Beispiele – zunächst selbst die Industrialisierung und Internationalisierung ihres Geschäfts vorantreiben.

Insgesamt dürfte es sich für die Akteure im IT-Dienstleistungsmarkt also durchauslohnen, den Markt neu zu sondieren und dabei die Konkurrenz nicht nur nach deren Beißkraft oder Nährwert zu beurteilen.

Silicon-Redaktion

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