Darum, ob das ein Jahr früher oder später geschehen soll, dreht sich ja in jüngster Zeit die öffentliche Debatte. Und deshalb kamen die schlimmen Geschichten von vor 30 Jahren diese Woche wieder hoch.
Sehr souverän hat der Staat, den die RAF bekämpft hat, im Fall von Brigitte Mohnhaupt gehandelt. Er hat darauf verzichtet, an einer alten Frau billige Rache zu nehmen, nach Recht und Gesetz entschieden und sie freigelassen.
Genauso wünscht man sich einen starken Staat. Ein solcher ist sich seiner Stärke bewusst, reagiert unaufgeregt und lässt sich von seinen Gegnern nichts aufzwingen.
Und eben deshalb tun einem die Ex-Terroristen schon auch ein bisschen leid. Dass dieser Staat eine “faschistische Fratze” zeigt, wollten sie provozieren. Das ist ihnen gründlich misslungen.
Natürlich sind sie nicht etwa deshalb bedauernswert und auch nicht dafür, dass sie jetzt alt sind. Das Alter ist schließlich nicht per se eine Lebensphase, wegen der jemand bedauert werden müsste. Leid können sie einem aber tun, weil sie ihr Leben fast ausschließlich damit verbracht haben zu scheitern.
Anders der ehemalig RAF-Anwalt Otto Schily. Den bekommt man dieser Tage ja auch wieder des Öfteren in Fernsehaufnahmen von damals zu sehen.
Schily ist ebenfalls mittlerweile alt, hat aber bewegte und sicherlich interessante Jahre in der Politik hinter sich. Auf dem Höhepunkt seiner Karriere wurde er Bundesinnenminister und damit der Mann, der für den hiesigen Rechtsstaat eine Zeit lang zuständig war, denselben, den seine früheren Mandanten wegbomben wollten.
Dieser Rechtsstaat ist ein sehr empfindliches Gut. Deutlich wird dies an der aktuellen Debatte um Online-Durchsuchungen. So etwas kann man in einem Rechtsstaat nicht so ohne weiteres machen.
Auch Politiker, die dafür sind, wissen und respektieren das. In der Debatte darüber geht es denn auch darum, ob derartiges nicht doch zumindest durch einen Richter angeordnet werden müsste, ob es einer Änderung des Grundgesetzes bedarf – mit der Zwei-Drittel-Mehrheit des Parlaments, wie der gegenwärtige Innenminister Wolfgang Schäuble es will, oder ob es sich überhaupt mit dem Rechtsstaat verträgt.
Man kann zu Online-Durchsuchungen stehen, wie man mag. Anerkennen muss man, dass die Diskussion darüber meist sehr ernsthaft und verantwortungsbewusst geführt wird.
Der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion Dieter Wiefelspütz etwa erklärte letzten Monat auf einer Veranstaltung des Verbands der Zeitungsverleger: “Wir werden das selbstverständlich machen, allerdings auf klarer Rechtsgrundlage.” – Das ist eine falsche, aber respektable Position.
Wiefelspütz begründete sie mit: “Das Internet ist eine Welt, in der jede Sauerei dieser Welt stattfindet.” Das allerdings war nur die halbe Wahrheit. Sauereien gibt’s schließlich nicht nur im Cyberspace.
Und dass der Abgeordnete von einer solchen – nicht-TCP/IP-basierten – wusste, hat man damals schon geahnt, als er fortfuhr: “Die Bundesregierung ist der Auffassung, dass sie dazu eine Rechtsgrundlage hat.”
Dies – die Ahnung, nicht die irrige Auffassung der Bundesregierung, es existiere eine Rechtsgrundlage für Online-Durchsuchungen – hat sich vorgestern bestätigt: Otto Schily hat solche Online-Durchsuchungen schon vor zwei Jahren als Bundesinnenminister seinem Verfassungsschutz per Dienstvorschrift erlaubt.
Was soll man jetzt dazu sagen? – Da veräppelt ein zwischenzeitlich zu Ministerehren gekommener Anwalt doch tatsächlich den deutschen Gesetzgeber und die Öffentlichkeit und lässt sie ungerührt darüber diskutieren, ob etwas sein darf, was längst schon ist.
Eigentlich nur das: Die jetzt alten Leute von der RAF haben in jungen Jahren dem bundesdeutschen Rechtsstaat nichts anhaben können. Viel gefährlicher ist dem aber ihr ergrauter ehemaliger Anwalt geworden.
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