Web 2.0 – Nur ein Softwaremodul?
Web-2.0-Technologien werden Kernanwendungen in Unternehmen wie Lotus Notes oder Office effizienter machen. Laut einer neueren Umfrage ist es das, was etwa ein Drittel der befragten IT-Entscheider als Hauptvorteil von Web 2.0 sehen.
Und tatsächlich entwickeln soziale Anwendungen ihr volles Potenzial erst dann, wenn sie untereinander und mit der oft historisch gewachsenen Anwendungslandschaft integrierbar sind. Durch die Migration hin zu IP-basierten Kommunikationslösungen gilt das auch für die Sprachwelt. Integrationsfähigkeit von Web-2.0-Lösungen ist dabei ein zentrales Wertversprechen der großen Softwarehäuser – die schließlich auch die Kernanwendungen liefern.
Die Softwareanbieter bemühen sich daher derzeit, ihre Kernanwendungen um Web-2.0-Komponenten zu erweitern und entsprechend zu vermarkten. So bietet IBM mit Lotus Connections Funktionen wie Blogs, Communities oder Social Bookmarking an. Mit Connections for Partners können auch unternehmensexterne Organisationen eingebunden werden. Dies kann sinnvoll sein, wenn beispielsweise ein neues Produkt gemeinsam mit den Zulieferern entwickelt wird.
Microsoft wartet mit dem SharePoint-Server auf und ermöglicht so beispielsweise den Einsatz von RSS-Feeds, Tagging oder Wikis. Einen etwas anderen Ansatz verfolgt Oracle. Mit der WebCenter Suite, die als Teil der Fusion-Middleware angeboten wird, sollen nicht nur Wikis, Blogs oder Diskussionsforen Einzug ins Unternehmen halten. Durch die Unterstützung des offenen SIP-Standards können zusätzlich VoIP-Lösungen eingebunden werden. Die Ansätze der großen Anbieter erscheinen aus unserer Sicht sehr erfolgsversprechend.
Wissenssilos vermeiden
Denn neben allen Hoffnungen auf verbesserten Informationsaustausch im Unternehmen stellt die Einführung von Web-2.0-Technologien zunächst einige Anforderungen an die ITK-Verantwortlichen. So muss etwa die Schaffung neuer Wissenssilos vermieden werden. Denn mit Weblogs, Wikis oder Social Bookmarking kommt eine ganze Reihe neuer Anwendungen zu den bereits genutzten Instrumenten etwa im Bereich Wissensmanagement hinzu. Nur durch unternehmensweite Integration und eine dadurch ermöglichte zentrale Suchfunktion kann das über die verschiedenen Plattformen verstreute Wissen tatsächlich auffindbar bleiben, wie auch aus dem Berlecon-Report ‘Web2.0 für Unternehmen’ hervorgeht.
Weiter ist ein Effizienzgewinn für Unternehmen erst dann erzielbar, wenn möglichst viele Mitarbeiter die Web2.0-Tools aktiv nutzen. Daher sollten die Web2.0-Anwendungen eng in die gewohnten Arbeitsprozesse und Geschäftsabläufe eingebunden werden. Auch dies spricht für eine Integration in Kernanwendungen, die mit fortschreitender Automatisierung immer größere Teile der Abläufe in den Unternehmen bestimmen.
Dadurch sind die Mitarbeiter auch mit möglichst wenigen Medienbrüchen konfrontiert, d.h. sie müssen nicht mit unterschiedlichen Benutzeroberflächen neuer Anwendungen umgehen. Und je vertrauter der erste Eindruck, umso geringer ist die Berührungsangst mit für viele noch unbekannten Technologien. Schließlich kann nicht bei allen Mitarbeitern davon ausgegangen werden, dass sie schon privat eifrig aus dem Urlaub bloggen oder Bookmarks mit ihren Freunden austauschen.
Die Integration ist eine Herausforderung
Auch eine Integration der Web-2.0-Tools in die IP-basierte Kommunikationsinfrastruktur ist sinnvoll. Denn bei allen Aussichten auf Innovation, Vernetzung und Effizienzsteigerung können Blogs, Wikis und andere Technologien das persönliche Gespräch nicht immer ersetzen. Im Gegenteil: Ist über einen interessanten Blog-Eintrag oder das Profil in einem internen sozialen Online-Netzwerk ein relevanter Kollege oder Geschäftspartner identifiziert, muss dieser (ebenfalls möglichst effizient) kontaktierbar sein. So sollte etwa der Verfasser eines Blog-Beitrags oder der Profilinhaber einen Link einfügen können, durch den er über einen Mausklick telefonisch, per Instant Messaging oder E-Mail für den interessierten Kollegen erreichbar ist – je nach aktueller Erreichbarkeit des Mitarbeiters.
Für CIOs kann die Integration neuer Web-2.0-Tools in die bestehende ITK-Infrastruktur dabei eine erhebliche technische Herausforderung darstellen. Sie müssen bereits jetzt mit einer hohen Komplexität der vorhandenen Infrastruktur und erhöhten Anforderungen etwa in den Bereichen Datensicherheit und Compliance umgehen – da lösen neue Technologien, die auch noch den Nutzern größere Handlungsfreiheit versprechen, nicht gerade Begeisterung aus. Die Einführung von Web-2.0-Anwendungen als Komponenten einer Business Suite hingegen, erleichtert die Interoperabilität zwischen Web2.0-Technologien und den übrigen Anwendungen und bereitet damit weniger Kopfzerbrechen.
Unternehmen, die Web2.0-Technologien nutzen wollen, sollten also prüfen, ob diese als ergänzendes Modul ihrer Kernanwendungen angeboten werden. Neben den beschriebenen Vorteilen für die Mitarbeiter und verbesserte Einbindung in die Geschäftsprozesse ist für den CIO die Integration in die vorhandene ITK-Infrastruktur weniger mühsam. Und so wird aus dem Web2.0-Hype eine nüchterne Investitionsentscheidung.