Lange genug gedauert hat’s ja. Beim ersten Mal ging’s noch um einiges fixer: “Und Mose… blieb auf dem Berg vierzig Tage und vierzig Nächte”(2. Buch Mose, Kapitel 24, Vers 18). Dann war das Gesetzeswerk fertig.
Diesmal hingegen brauchte es 121 Jahre – von der Erfindung des Autos durch Carl Benz 1886 bis zu den vatikanischen “Richtlinien für eine christliche Verhaltensweise auf der Straße” diesen Monat. Aber zwischenzeitlich hatten halt nur einige Italiener und ein Pole auf dem Heiligen Stuhl Platz genommen.
Nun ist der Computer uns Deutschen zwar bei weitem nicht so wichtig wie das Auto. Trotzdem hat auch ihn ein Deutscher erfunden: Konrad Zuse anno Domini 1941. Und da wäre es doch schön, wenn unser Mann in Rom auch gleich noch einen Dekalog für den Umgang mit Rechnern aufstellen könnte – zur gefälligen Beachtung durch Hersteller, Software-Häuser und Anwender.
Wer schließlich wäre besser geeignet, um der permanenten Häresie in der Computerei beherzt entgegenzutreten als die heilige Mutter Kirche? Zu allem Möglichen gibt es da schließlich nicht nur einen Standard, sondern mindestens zwei. Und darüber predigen Menschen, die sich Technology Evangelists nennen, und die Visionen haben.
Die Kirche kennt derartiges ja ebenfalls. Aber ungeachtet aller Schismen, Abspaltungen und Neugründungen nennt sie sich seit nunmehr fast 2000 Jahren katholisch, also allgemein.
Soviel postulierte Verbindlichkeit würde doch auch in der IT segensreich wirken. Dann könnte man unter jede Spezifikation schreiben: “Du sollst keine anderen Standards haben.”
Und das 2. Gebot könnte lauten: “Du sollst nicht featuren.” Denn das bringt die arme User-Seele schließlich jedes Mal in arge Bedrängnis: die Icons geheißenen Ikonen eines neuen Betriebssystems. Die sehen gar fremd aus und haben neue, verheißungsvolle Namen. Dahinter aber verbirgt sich stets nur die altbekannte Unvollkommenheit allen menschlichen Tuns, insbesondere desjenigen in Redmond.
“Feature” nennt sich dieses goldene Kalb. Es gereicht dem Anwender weder zum Nutzen noch zum Frommen.
In dem Zusammenhang: “Du sollst nicht stehlen” – dem User die Zeit. Ein passendes 4. Gebot wiederum wäre: “Du sollst…” – gut, den Vater auch, vor allem aber – “die Mutter ehren” – insbesondere deren Sprache, in der sich die Menschen auszudrücken pflegen, so sie ihr täglich Brot nicht in der Marketing-Abteilung eines IT-Konzerns verdienen.
Also rede nicht eitel von “Outsourcing”, ASP (Application Service Providing) und SaaS (Software as a Service) daher, wenn du nur den Mammon – von den Anwendern – begehrst. Dem Herrn ist es “ihre Sprache zu verwirren” (1. Buch Mose, Kapitel 11, Vers 7 – Turmbau zu Babel) und nicht dem Marketing-Menschen!
Dazu gehört auch: “Du sollst nicht spammen” – deine wohlfeilen Worte vom ROI (Return on Investment), von der Globalisierung der Märkte, vom Anwendernutzen, der Bedienerfreundlichkeit, der Skalierbarkeit und vom “on demand”. Denn: “Du sollst kein falsch Zeugnis reden wider deinen Nächsten” (2. Buch Mose, Kapitel 20, Vers 16).
Und noch’n Gebot – diesmal an die Adresse der HTML-Schreiber für deren Web-Sites: “Du sollst nicht aufpoppen.” Denn der Surfer bedarf der Seiten mit Werbung für eitlen Tand nicht. Er ist ein Suchender im Web, der nach Information und Wahrheit dürstet.
Auch sollst du ihn nicht mit marktschreierischem Audio erschrecken, das erst verstummt, wenn er ein Kreuz geschlagen und das in der Flash-Animation angeklickt hat. Das erregt seinen Zorn, nicht aber sein Wohlgefallen.
Das 9. Gebot schließlich müsste heißen: “Du sollst gewissenhaft deine Daten sichern.” Die meisten Anwender befolgen dies zwar, aber es gereicht ihnen trotzdem oft nicht zum Nutzen.
Deshalb bedürfte es noch des 10. Gebots, gerichtet an die Software-Häuser für die von ihnen entwickelten Backup-Programme: “Du sollst ordentlich recovern.”
Ein Segen könnte so ein Dekalog doch sein. Diese Woche erst ist das wieder einmal sehr deutlich geworden. Wären etwa beim “Zentrum für Nachrichtenwesen der Bundeswehr” die Gebote “gewissenhaftes Backup!”, “gesichertes Recovery!” und “kein falsches Zeugnis reden!” befolgt worden, dann wüssten wir jetzt, was unsere Truppe bei ihren Auslandseinsätzen so treibt.
Ach ja, und dann bräuchte man natürlich noch die einschlägigen alttestamentarischen Strafandrohungen für Spammer, Aufpopper und Nachrichten unterdrückende Nachrichtendienste. – Die Welt, sie wäre eine bessere. Darum sollte er sich mal kümmern, unser Mann in Rom.
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