So war die Unaufgeregtheit über die Pressemeldungen, dass die großen indischen IT-Dienstleister Tata, Wipro und Infosys die Bücher von T-Systems prüfen würden, bemerkenswert. Natürlich ließe sich dies verkürzend mit der prekären Lage von T-Systems erklären. Doch der Gegensatz etwa zu der Presseöffentlichkeit über die Übernahmeschlacht von Arcelor durch Mittal sticht deutlich ins Auge, auch wenn es sich dort um ganz andere Umsatzdimensionen drehte.
Die oben beschriebene Episode berührt grundlegende Fragen über die Zukunft des deutschen Marktes für IT-Dienstleistungen: Wird die gegenwärtige Konsolidierungswelle auch den deutschen Markt erreichen? Und welche Auswirkungen werden die zunehmend globale Arbeitsteilung sowie die Inanspruchnahme von Ressourcen aus Niedriglohnländern haben?
Die gegenwärtige Konsolidierungswelle trifft vor allem Tier-2-Anbieter. Antriebsfaktoren sind Skaleneffekte, Zugang zu neuen Märkten sowie die Erweiterung des Portfolios. Steria erwarb mit der Übernahme der britischen Xansa vor allem einen signifikanten Offshore-Backbone sowie ein dediziertes Business Process Outsourcing (BPO) Portfolio. Der niederländische Carrier KPN stieg mit der Akquisition von Getronics in den IT-Markt ein, während Fujitsu Services nach der TDS-Übernahme mit der Akquisition der französischen GFI Informatique zwar scheiterte, gleichzeitig aber verkündete, weitere Übernahmen in Kontinentaleuropa zu planen. Von den deutschen Platzhirschen hat Siemens SBS reintegriert und T-Systems ist bei seiner Partnersuche gescheitert. Letztere wird wohl nur noch für die Bereiche Systemintegration und Applikationsentwicklung einen Partner suchen, dementsprechend werden beide nur bedingt im Mittelpunkt der Konsolidierungsdebatte stehen. Die verbliebenen IT-GmbHs dürften wegen ihrer hohen Kostenstrukturen und den nur bedingt transferierbaren IT-Skills wenig attraktive Übernahmeziele bieten (zumal bei unattraktiven Preisvorstellungen). Und wenn Deinvestitionen getätigt werden, wie im Fall von Karstadt, der Dresdner Bank oder der HypoVereinsbank, gehen Teilbereiche als Teil von Outsourcing-Verträgen an Dienstleister über.
Weitaus wahrscheinlicher ist, dass insbesondere IT-Dienstleister aus Indien und China regionale oder branchenspezifisch fokussierte Anbieter übernehmen. So hat Wipro angekündigt, eine größere Akquisition in Deutschland zu planen und mit der 600-Millionen-Dollar-Übernahme von Infocrossing in den USA auch gezeigt, dass man gewillt ist, den Worten Taten folgen zu lassen. Dabei dürfte der Zugang zu potenziellen Kunden eine wichtigere Rolle spielen als die reine Größe des zu übernehmenden Unternehmens. Ebenso verdeutlicht der 250 Millionen Dollar schwere BPO-Vertrag von Phillips mit Infosys, mit dem das komplette Rechnungswesen ausgelagert wurde, dass die Offshore-Anbieter keineswegs nur im Backoffice und bei der Applikationsentwicklung zum Zuge kommen. Und sollte einer der großen indischen Anbieter tatsächlich mit T-Systems eine Partnerschaft eingehen, könnte dies ein entscheidender Katalysator für weitere Übernahmen sein. Dabei bietet der fragmentierte deutsche IT-Dienstleistungsmarkt vielfältige Akquisitionsoptionen. Anders als beim Beispiel der Übernahme des PC-Geschäftes von IBM durch Lenovo, sollte davon ausgegangen werden, dass es sich dabei um gezielte Zukäufe integrierbarer Unternehmen handeln wird. Die Erfahrung der schwer verdaulichen Integrationen von Debis, Systematics oder Ploenzke dürfte dabei wichtige Lernerfahrungen geliefert haben.
Aus Sicht von IDC sind in dem Themenkomplex Globalisierung und Offshoring weitere Aspekte entscheidend: Die Reduzierung der Debatte auf das Thema Kosten-Arbitrage vernachlässigt die wirkliche Dynamik im IT-Services Markt. Anbieter aus Niedriglohnländern werden zunehmend signifikante Verträge gewinnen, die verstärkt auch Transformationsprojekte miteinbeziehen werden. Der grassierende Mangel an IT-Fachkräften, die auch Skills in der Prozessorientierung haben, wird dazu führen, dass Fähigkeiten der Fachkräfte und nicht Kosten allein in den Vordergrund rücken. Und zuletzt ist Deutschland (und auch Kontinentaleuropa) beim Offshoring wie beim Outsourcing sicherlich 4 bis 5 Jahre in der Entwicklung hinter den angelsächsischen Ländern zurück. Allein schon aus kulturellen Gegebenheiten heraus, sind für deutsche Unternehmen die Rahmenbedingungen nicht direkt mit denen ihrer angelsächsischen Wettbewerber vergleichbar. Doch dies wird in der häufig stark US-zentrischen Wahrnehmung der Wirtschafts- und IT-Presse so manches Mal vergessen.
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