Microsoft: “Robotics wird zum Milliarden-Geschäft”
Tandy Trower, General Manager der neu gegründeten Microsoft Robotics Group, zählt zu den am längsten dienenden Veteranen des Software-Konzerns.
In seiner mehr als 25-jährigen Geschichte im Unternehmen war er maßgeblich an der Entwicklung von Microsoft-Meilensteinen wie der Programmiersprache Microsoft Basic, den allerersten Windows-Versionen sowie für den MS-Flugsimulator verantwortlich. Im Gespräch mit pte-Redakteur Martin Stepanek erklärt Trower, warum auch ein intelligenter Staubsauger als Roboter durchgeht und wie Microsoft beim Thema Robotics punkten will. Darüber hinaus gibt Trower Einblick in die Denkweise des Konzerns und versucht zu entschlüsseln, was den Erfolg von Microsoft ausmacht.
Martin Stepanek: Microsoft zählt zu den Newcomern im Robotics-Markt. Bevor wir uns mit der Strategie dahinter auseinandersetzen, sollten wir zunächst noch klären, was Microsoft unter Robotern versteht.
Tandy Trower: Die Definition ist in der Tat eine sehr schwierige Frage. Der staubsaugende Roboter Roomba des Herstellers iRobot – mit 2,5 Millionen verkauften Exemplaren einer der erfolgreichsten Geräte der Branche – besitzt viele klassische Roboter-Charakteristika, da er autonom funktioniert und mit einer Reihe von Sensoren ausgestattet ist. Derselbe Hersteller hat aber auch Geräte unter der Bezeichnung Roboter im Programm, die ausschließlich über eine Fernsteuerung von außen gesteuert werden und etwa bei der Entschärfung von Minen in schwierigem Gelände im Einsatz sind.
Stepanek: Die lange Zeit vorherrschende Vorstellung von zukünftigen Robotern in Menschengestalt ist somit endgültig überholt?
Trower: Dass etwa der Roomba keine menschenähnliche Gestalt besitzt, scheint seine Besitzer überhaupt nicht zu stören. Er wird von diesen nicht nur als klassischer Roboter empfunden, sondern darüber hinaus auch als soziale Entität empfunden und von den Inhabern vielerorts mit einem eigenem Namen und einer eigenen Identität versehen – unabhängig von seinem Aussehen.
Stepanek: Da Sie das ferngesteuerte Minensuchgerät angesprochen haben, inwieweit handelt es sich bei nicht autonom agierenden Maschinen tatsächlich um Roboter?
Trower: Einige würden wohl behaupten, dass es sich bei dem Gerät um nicht mehr als ein ferngesteuertes Elektronik-Spielzeug handelt. Der Hersteller iRobot würde dem aber heftig widersprechen. Ich persönlich denke deshalb auch, dass es sinnvoll ist, den Begriff zu erweitern. Dadurch kommen aber plötzlich auch Systeme ins Spiel, die uns bereits heute tagtäglich in unserem Alltag unterstützen – wie eine Reihe von Technologien, die etwa in modernen Autos zum Einsatz kommen.
Stepanek: Angesichts dieser Definition handelt es sich um ein sehr breites Feld, das Microsoft mit seiner Robotics-Abteilung bearbeiten will. Wo liegt folglich der strategische Fokus?
Trower: Das war auch die erste Frage von Bill Gates, als ich an ihn herangetreten bin. Was würden wir als Microsoft tun und in welchem Bereich? Ist es von der Industrie überhaupt erwünscht? Nach mehrmonatigen Recherchen und vielen Gesprächen mit der Industrie lief es immer wieder auf das gleiche Feedback hinaus. Derzeit ist die Hardware und Software im Roboterbereich ein großes fragmentiertes Feld inkompatibler Systeme. Industrievertreter haben uns signalisiert, dass ein Markteintritt Microsofts die weltweite Entwicklung entscheidend ankurbelt.
Stepanek: Inwiefern kann Microsoft eine Initialzündung für die Branche geben?
Trower: Wir werden Software-Technologien und Toolkits anbieten, die es Entwicklern leichter machen, Applikationen zu entwickeln. Im Prinzip ergänzen wir die vorherrschenden Werkzeuge um ein weiteres Set, damit die Branche projektübergreifend ihrer Kreativität freien Lauf lassen kann. Damit folgen wir auch einem Pfad, durch den sich Microsoft historisch gesehen immer schon ausgezeichnet hat. In den späten 70er Jahren war die PC-Hardware ähnlich heterogen und inkompatibel. Mit der plattformübergreifenden Programmiersprache Microsoft Basic haben wir wichtige Vorarbeit für den heutigen Erfolg der PC-Industrie geleistet.
Stepanek: Derzeit besteht die Robotics-Abteilung von Microsoft im Kern aber aus nicht mehr als einem guten Dutzend Leute. Können die das schaffen?
Trower: Vergessen wir nicht, dass auch Windows in seinen Urzeiten gerade einmal von zwölf bis fünfzehn Leuten betreut wurde. Natürlich können zwölf Leute nicht alles machen. Sie können aber ein Tool-Set entwickeln, das die Industrie bei ihrem großen Vorhaben unterstützt. Langfristig gesehen glauben wir natürlich auch an ein großes Business-Modell dahinter, von dem Microsoft profitieren kann. Industrie-Analysten sagen voraus, dass Robotics sich schon in fünf bis zehn Jahren zum Multi-Milliarden-Geschäft entwickeln und auf lange Sicht sogar das PC-Geschäft überflügeln wird.
Stepanek: Sie sind seit über 25 Jahren federführend bei Microsoft tätig. Vermissen Sie die Anfangszeiten, als es als kleines Unternehmen sicherlich noch einfacher war, Innovationen schnell in die Tat umzusetzen?
Trower: Wenn man Millionen von Anwender hat, kann man natürlich keine willkürlichen Entscheidungen treffen, sondern steht man immer auch der existierenden Community sowie dem eigenen Erbe in der Pflicht. Was mich persönlich betrifft, hat Microsoft mir immer die Gelegenheit gegeben, mich beruflich neu zu erfinden und innovative Projekte zu entwickeln. Dass das überhaupt möglich war und ist, spricht meiner Meinung nach auch für das Unternehmen selbst. Google wollte mich einmal mit der Zusage abwerben, dass jeder Mitarbeiter 20 Prozent seiner Zeit für eigene Projekte verwenden darf. Ich lehnte dankend ab, mit dem Hinweis, dass ich 100 Prozent meiner Zeit das machen kann, was ich wirklich will.