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Nicholas Carr nervt mit Abgesang auf Inhouse-IT-Abteilung

IT-Autor Nicholas Carr hat ein neues, sehr provokantes Buch herausgebracht, das die IT-Branche wieder auf die Barrikaden bringt und ebenso lange für Gesprächsstoff sorgen dürfte wie sein berühmter Titel ‘IT Doesn’t Matter’ von 2003. Jetzt schreibt er, dass die IT-Abteilung in Unternehmen überflüssig wird. Sie wird aber nicht ersatzlos gestrichen, so weit will er nicht gehen.

Er schrieb lediglich, dass sie durch zunehmendes Utility Computing, Internet-basierte Lösungen und die Verlagerung von Services ins Web sowie die Simplifizierung komplexer Aufgaben zunehmend zurückgedrängt werde und dass ein hochqualifizierter IT-König mit seinem exklusiven Wissen bald der Vergangenheit in Unternehmen angehören werde.

In ‘The Big Switch: Rewiring the World from Edison to Google’ schrieb er, nach einem Bericht der Zeitschrift Networkworld, dass ein langfristiges Überleben der IT-Abteilung unwahrscheinlich sei. Dies sei auch der Technik geschuldet. Die Abteilung werde schließlich nicht mehr viel zu tun vorfinden. Denn die hauptsächlichen Tätigkeiten würden nach und nach von spezialisierten Dienstleistern übernommen, die ermöglichen, dass ganze Aufgabenbereiche in die Internet-Wolke abwandern.

Demnach werden bald die Fachabteilungen und sogar einzelne Individuen aus der Firma beliebige Aufgaben erledigen können, die zuvor eine ganze IT-Mannschaft erforderten. Carr machte sich aber noch weiter bei den IT-Profis unbeliebt. Er schrieb, dass Utility Computing ihre Aufgabe genauso selbstverständlich und gut übernehmen werde, wie es die öffentlichen Stromversorger mit den ursprünglich firmeneigenen Elektrizitätswerken um die Wende zum 19. Jahrhundert taten. Firmenbesitzer betrieben bis dahin meist auf dem Firmengelände eine eigene Versorgung mit Wärme und Strom. Aber indem die staatlichen Versorgungswerke landesweit zuverlässiger, kosteneffizienter und besser geworden waren, lohnte es sich nicht mehr für die Konzerne, gewissermaßen fachfremde Kapazitäten – die elektrischen Generatoren nämlich – zu halten und zu betreiben. Derselbe Wandel werde die hausinterne IT-Abteilung treffen.

Er schränkte zwar ein, dass die heutigen IT-Anbieter sich in Sachen Sicherheit, Zuverlässigkeit, Konsistenz der Angebote und ähnlichen Dingen noch etwas ins Zeug legen müssten, doch die Richtung hält er für vorgegeben. Schließlich könne das Internet, zusammen mit Computer-Hardware und -Software als Commodity betrachtet werden. Und auch die Arbeit der IT-Abteilungen sei kaum unterscheidbar. Die Aufgaben der IT-Profis in Firma X und Firma Y seien nahezu baugleich, schrieb er. Die meisten IT-Abteilungen absolvierten wegen der gleichartigen Technik dieselben Handgriffe und immergleichen Routinen.

Die Verbindung zu Carrs erster These liegt genau hierin. Damals wurde er berühmt durch die Behauptung, selbst die teuersten IT-Innovationen, die ein Unternehmen einkauft und einsetzt, seien austauschbar, alltäglich wie Wasser und Strom und nur kurzzeitig als Alleinstellungsmerkmal tauglich. Nämlich so lange, bis die Konkurrenz draufkommt und dasselbe tut. Der zweite Schritt ist aus seiner Sicht also nur konsequent. Und er dürfte sich hiermit ähnlich viele Feinde in der Branche machen. Doch diesmal landen nicht nur die Hersteller und Anbieter auf dem Schafott des Ex-Redakteurs der Zeitschrift Harvard Business Review, sondern auch die IT-Arbeiter. Ihre Zukunft, so Nicholas Carr, liege in absehbarer Zeit einzig bei den Serviceprovidern – wenn überhaupt.

Sind Sie auch der Ansicht, dass neben der IT selbst auch der IT-Profi zur Commodity wird? Schreiben Sie uns Ihre Meinung an Redaktion silicon.de .

Silicon-Redaktion

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