Es ist aber auch eine lasche Branche. In anderen Wirtschaftszweigen gibt man sich da schon erheblich mehr Mühe. Und macht den Leuten engagiert klar, dass es – im ethisch-moralischen Sinne – gut ist, die Produkte der betreffenden Industrie zu kaufen.
So haben beispielsweise deutsche Schnaps-Brenner die DIFA gegründet. Die hiesige “Initiative zur Förderung eines verantwortungsvollen Umgangs mit alkoholhaltigen Genussmitteln”.
Motto: Am Steuer und bei Schwangerschaft ist’s ja nicht so gut. Aber ansonsten: Gib ihm! Auch die PC-Industrie braucht sowas. Ein Ruck muss quasi durch die Branche gehen, aber ein ganz ein ethisch-moralischer.
Und immer, wenn’s um derartiges geht – um Ethik und Moral, dann argumentiert man ja am besten mit “unseren Kindern”. Weil: Jemand, der so redet, der muss einfach ein guter Mensch sein, einer, dem man jeden Unsinn abnimmt. Deshalb bilden Kinder schließlich auch ein konstituierendes Element jeder Politiker-Rhetorik.
Also: PCs sind gut für unsere Kinder. PCs sind nämlich pädagogisch wertvoll. Doch. Wirklich! Entgegen der gängigen Meinung, die besagt, Haustiere seien das. Sind die aber mitnichten. Ein Kind, das einen Hund hat, würde Verantwortung lernen? Unsinn!
Verantwortungsbewusst handelt vielmehr, wer darauf verzichtet, ein – kaum domestiziertes – Raubtier zu halten. Zu dessen bevorzugter Beute so friedvolle Wesen wie Jogger gehören. Das sein Jagdrevier mit seinen übel riechenden Stoffwechsel-Produkten markiert. Und deren Rest geschickt auf den Wegen eiliger Erwachsener oder in den Sandkästen krabbelnder Kleinkinder verteilt.
PCs hingegen beißen und defäktieren nicht. Jedoch bekommen ihre jugendlichen Anwender von ihnen das, was Leute mit gefestigter Moral seit jeher für ein probates Erziehungsmittel halten: Schläge!
Die tun weh! Dazu sind sie da. Aber die vom PC verletzen weder seelisch noch körperlich. Deshalb werden sie auch von Menschen befürwortet, deren Moralvorstellungen leichter zu erschüttern und die deswegen gegen Mitmenschen jedweden Alters nicht gar so unerbittlich sind.
Zweierlei muss eine Rotznase ja lernen, um fit für’s Leben zu sein: 1. seine Naivität und 2. seine Frustrationen zu überwinden. Plug and Play! Vom Konfirmationsgeld einen Rechner kaufen. Und von den 50 Euro von der Oma noch ein blutrünstiges Ballerspiel. Einstöpseln und Loslegen!
Von wegen! Irgendwas funktioniert garantiert nicht. Graphik, Sound, ein Laufwerk … Und genau deswegen ist ein PC ja pädagogisch wertvoll. Während der verzweifelten Stunden, in denen er versucht, den Rechner zum Laufen zu bringen, lernt ein junger Mensch etwas sehr, sehr Wichtiges: Es wird gelogen auf dieser Welt, man möcht’s nicht glauben. Plug and Play!
Unser Youngster hat seine erste Lektion gelernt. Und wenn er das gründlich getan hat, dann wird er nie mehr auf Werbesprüche hereinfallen: “Supergünstig! Kauf jetzt, zahl später” – “eine abwechslungsreiche Tätigkeit in einem tollen Team” – “Eins ist sicher, die Rente …”
Am Anfang aber steht der abgrundtiefe Frust. Dabei schien das Ziel aller Träume so nah: die Abenteuerwelt in 3D, der Zeigefinger am Abzug beziehungsweise an der Enter-Taste der Superwaffe. War wohl nichts!
Wenn einem das zum ersten Mal mit anderen Träumen passiert – der Traumfrau, dem Traumberuf, der glücklichen Familie – dann ist das arg problematisch. Dann geht nämlich meist sehr viel kaputt.
PCs hingegen sind sehr viel robuster als Menschen. Und deswegen kann man mit ihnen ganz hervorragend den Umgang mit Frustrationen üben. Und beispielsweise lernen, dass man weiter machen muss, auch wenn die Situation noch so aussichtslos erscheint.
Und dann wird der Youngster Handbücher und Internet-Pages lesen. Und er wird beispielsweise auch verstehen, wozu man Englisch braucht. Das können Eltern und Lehrer einem ja nie klarmachen.
Nein. Nicht “Peter, Paul and Mary are visiting …” Vokabeln aus der Praxis – “default”, “enabled”, “setting”. Die schulischen Leistungen verbessert diese Erkenntnis mehr als ein vierwöchiger Englandaufenthalt als Austauschschüler.
Vor allem aber lernt der Youngster eines: Man muss selbst was tun. Je nach politischer Präferenz der Erziehungsberechtigten: Jeder ist seines Glückes eigener Schmied. Oder: Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun.
Und in dem Fall stimmt’s ja auch, das Weltbild von Papa und Mama, unabhängig davon, ob’s das linke oder das rechte ist. Sich engagieren lohnt sich. Irgendwann bekommt er heraus, woran’s beim digitalen Massaker gehapert hat.
Und dann hat der Heranwachsende jenes Gefühl, das er zum ersten Mal als Kleinkind beim Defäktieren hatte. Er hat etwas zustande gebracht. Er selbst.
Er blickt’s. Ein mächtiges Gefühl!
Der ihn am drängendsten erscheinende Teil aller Probleme der Welt ist auf einen Schlag gelöst. Ein Jumper war’s, eine BIOS-Einstellung oder ein Treiber.
Und dann können die Eltern, die sich ja auch heute immer noch schwer tun, mit ihren Kindern über die ‘Facts of Life’ im Klartext zu reden, die können dann den euphorisierten und ansonsten pubertierenden Jugendlichen beiseite nehmen und ihm sagen: “Also, es gibt da ja zwei schöne Gefühle im Leben. Das eine ist diese wunderbare Kribbeln im Kopf, wenn man was kapiert hat. Und das zweite …”
So segensreich wirkt ein PC. Und trotzdem gibt es immer noch Eltern die ihren Kindern einen Hund schenken.
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