Mehr als fünf Jahre nach der ersten Liberalisierungswelle auf dem deutschen Telekommunikationsmarkt werden ab heute auch die Ortsnetze für die Konkurrenz der Deutschen Telekom geöffnet. Bisher haben sich nach Medienberichten rund 20 Anbieter mit dem einstigen Staatskonzern auf die notwendige technische Kooperation verständigt. Allerdings wird es anfangs nur wenige Carrier geben, die ihre Dienste bundesweit anbieten.
Dazu gehören nach bisherigem Informationsstand Arcor, Tele 01051 Telecom und 3U. Regionale Anbieter vermitteln Ortsgespräche nur in ihrem jeweiligen Ballungsraum. Die bisher veröffentlichten Preise liegen mit 1,5 bis 4 Eurocent nur knapp über dem Interconnection-Tarif von derzeit 1,1 Eurocent pro Gesprächsminute, die für die Miete der Telekom-Leitung anfallen.
Die Margen sind also wesentlich geringer als bei der Öffnung des Fern- und Auslandstelefonmarkts Anfang 1998. Außerdem hat die Telekom eine Erhöhung der Interconnection-Tarife um 0,6 Eurocent beantragt. Darüber wird die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) Ende des Monats entscheiden.
Der Dumping-Anbieter 01051 will mit seinem Kampftarif von 1 Eurocent sogar die Kosten für die Leitungsmiete unterbieten – zumindest während einer ‘Einführungsphase’.
In den kommenden zweieinhalb Monaten können die Angebote der Ortsnetz-Carrier allerdings nur über das Call-by-Call-Verfahren genutzt werden. Erst zum 9. Juli will die RegTP die Telekom dazu verpflichten, auch eine dauerhafte Voreinstellung des Anbieters für Ortsnetzgespräche vorzunehmen. Arcor, im Festnetz schärfster Konkurrent der Telekom, hatte gegen diese ‘Einführung auf Raten’ erfolglos geklagt.
Wegen technischer Schwierigkeiten war die Öffnung der Ortsnetze ohnehin schon verschoben worden. Ursprünglich sollte der überfällige Liberalisierungsschritt zum 1. Dezember 2002 kommen. Zwischenzeitlich hatte die Europäische Kommission der Bundesrepublik mit Vertragsstrafen gedroht, sollte eine Öffnung nicht in allernächster Zeit über die Bühne gehen.
Auf dem Markt für Ortsnetzgespräche verfügt die Deutsche Telekom nach unterschiedlichen Angaben über einen Marktanteil von 95 oder 96 Prozent. Ein Gespräch kostet je nach Tageszeit derzeit zwischen 1,5 und 6 Eurocent pro Minute. Allerdings ist die Telekom auch der einzige Anbieter auf dem deutschen Markt, der einen festen Tarif für einen “Takt” anbietet, der je nach Tageszeit und Wochentag unterschiedlich lang ist.
Wegen der geringen Preisunterschiede sehen die Marktbeobachter kein besonders großes Interesse der Verbraucher gerade am umständlichen Call-by-Call-Verfahren für Ortsgespräche. Schließlich waren einige Anbieter schon mit dem Umweg über billige 0190-vermittelte Ortsgespräche nicht besonders erfolgreich.
Allerdings will beispielsweise 3U Telecom eine sekundengenaue Abrechnung anbieten. Bei den bisher vorgestellten Tarifen ergäbe sich damit rechnerisch eine Ersparnis von bis zu 90 Prozent gegenüber den Tarifen der Deutschen Telekom.
Josef Brauner, Telekom-Vorstandsmitglied und Chef der Festnetzsparte T-Com, sagte im Interview mit Focus-Money bereits, er erwarte einen Umsatzverlust im “niedrigen zweistelligen Millionenbereich”. Die Äußerungen von Analysten, die Telekom könnte Umsätze im dreistelligen Millionenbereich verlieren, nannte er dagegen “nicht nachvollziehbar”.
Im Ferngesprächsmarkt haben die TK-Anbieter inzwischen 30 Prozent des Geschäfts der Telekom abgenommen. Die Tarife sind seit 1998 um rund 90 Prozent gefallen. Brauner steht unter erheblichem Druck, weil T-Com der einzige gewinnbringende Teil des T-Konzerns ist, derzeit aber auch nicht weiter wachsen kann. Mit ihren 51 Millionen Anschlüssen setzt die T-Com im Jahr 2,7 Milliarden Euro um.
Eine der spannendsten Fragen, zu denen sich die Telekom bisher geflissentlich ausschweigt, ist daher, ob die Tarifstruktur mit ihren überkommenen Takten in Zukunft noch zu halten sein wird. Bisher wurde lediglich angekündigt, dass man auf niedrigere Preise der Konkurrenten “angemessen reagieren” wolle.
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