Was ist der Mensch? Und wie unterscheidet er sich vom Viechzeug?
Unter anderem dadurch, dass es bei ihm keinen Östrus gibt. – Wer sich mit lateinischen Begriffen in dem Gebiet nicht so auskennt: Das bedeutet, dass der Mensch immer kann.
Das heißt, eigentlich ist da mehr der Konjunktiv angebracht. Schließlich verhindern ja kulturelle Schranken die wahllose Paarung. Was die Sache selbst aber umso schöner macht. Allerdings eben auch komplizierter.
Manche bekommen sie sogar gar nicht anständig auf die Reihe. In der Bundestagsfraktion der Grünen gab’s da etwa vor 20 Jahren einen Abgeordneten, der die mangelhafte Kontrolle über seine Hände mit der Einsamkeit eines Volksvertreters begründet hat.
Klaus Hecker hieß der Mann. Und der hat dann auch gleich sein Mandat niedergelegt. Ein richtig schöner Skandal, made by Bild, war das damals, aber ein noch relativ harmloser Fall.
Unzählige berufsbedingt ehelose Spiritualitätsarbeiter liefern ja seit einiger Zeit weit unschönere Beispiele. Kurz: Man sollte sich vor Leuten vorsehen, die zu ihren – wie oben dargelegt, ganzjährigen – Frühlingsgefühlen ein etwas verdrucktes Verhältnis haben.
Man erkennt die Leute ja meist leicht und kann ihnen dann sagen: “Du bist auch einer von denen, denn deine Sprache verrät dich.” (Matthäus 26, Vers 73).
Denn: Es gibt Leute, die reden so penetrant sexistisch daher. Bei denen muss libidomäßig einfach was schiefgelaufen sein.
Etliche Politiker beispielsweise. So analysierten die Grünen im Münchner Stadtrat die Strategie ihres politischen Gegners mit folgenden abwegigen Worten: “Er wollte die Wahl auf dem Schmusekurs gewinnen – aber niemand wollte mit ihm ins Koalitionsbett steigen.”
Da kommt doch tatsächlich jemand im Zusammenhang mit so etwas Trögem wie einer Regierungsbildung auf Zärtlichkeit und Lustwiese. Welch seelische Abgründe tun sich da auf!
Übermächtige Gefühle verwirren unreife Menschen halt manchmal doch sehr. Die FDP (des Kreisverbands Offenbach-Land) etwa. Im Zusammenhang mit der gleichen pathologischen Erotik-Phantasie rät die doch wirklich – entgegen ihrer sonstigen Art – zu einem verantwortlichen Handeln und warnt, man würde es bereuen, leichtfertig “in ein Koalitionsbett gehüpft zu sein”.
Wenn man schon meint, in der Zweierkiste nach politisch passenden Metaphern suchen zu müssen, dann könnte man doch ein Bild mit dem Begriff “Lebensunterhalt” malen. So eine Ehe ist schließlich nicht nur eine Liebes-, sondern auch eine Wirtschaftsgemeinschaft.
Synonyme sind “Alimentation” beziehungsweise “Alimente”. Und derartiges wollen Politiker aller Parteien heutzutage ja denen verweigern, die darauf angewiesen sind. Wegen der Staatsfinanzen. Die einschlägigen faulen Ausreden halt.
Im Gegensatz dazu passt von den Wörtern, die mit dem Überschwang von Gefühlen zu tun haben, nun wirklich keins zur aktuellen Politik. Allerdings es sind ja nicht nur die Staatsmänner und – frauen, die sich sprachlich gewaltig vergreifen – und deshalb tief blicken lassen.
In der IT geht’s ebenfalls übersteigert sinnlich und deshalb wenig sinnig zu. Die Computerwoche etwa “verheiratet” XML und Cobol, SAN-Inseln, Betriebssystem und Benutzeroberfläche, “potente Industriepartner”, Mainframes und Unix-Recher sowie prozedurale Sprachen und SQL. Und auch darüber hinaus stiftet sie noch etliche Unvernuftsehen mehr.
Die Computer Zeitung wiederum verfährt so mit Legacy-Anwendungen und der Internet-Welt, AIX und Linux sowie Datenbanken und Suchmaschinen. Lediglich silicon.de kommt seiner ehelichen Pflicht weniger nach, als es die lutherische Orientierungsgröße vorsieht (“In der Woche zwier…”). Bloß einmal werden in dieser enthaltsamen Publikation Handy und PDA verheiratet.
Es wird “geflirtet” – AS/400-Entwickler mit dem Reduced Instruction Set Computing – in der CW. “Kinder” werden in die Welt gesetzt: Pandesic heißt in der CZ ein Bankert von SAP. Und bei silicon reichen Mobilcom und die France Telecom die “Scheidung” ein.
Nichts Menschliches ist den IT-Leuten fremd – auch sexuelle Deviationen nicht. So ist die CW längst zu einen Geheimtipp in der Fetischisten-Szene geworden.
Jeder findet hier seinen Fetisch reich und abartig bebildert. Wer auf Geschwindigkeit steht, kommt auf seine Kosten. Und “Integrations-“, “Trocken-“, “Ost-” und “Technik-Fetischisten” werden ebenfalls gut bedient.
Und natürlich Fetischisten, denen der Computer, das Objekt der Begierde ist. Dem hat das Blatt sogar einmal eine Aufklärungsschrift gewidmet. 1977 war das, gerade ein Jahrzehnt, nachdem das große literarische Vorbild aus der Feder von Oskar Kolle erschienen war. Headline in der CW damals: “Mein Computer, das unbekannte Wesen”.
“Oje”, denkt man sich doch da, während man diese Zeilen in die Tastatur hackt und am IDE-Controller Master und Slave ihre lustvollen Spielchen treiben. Es ist schlimm. Die Schreiberlinge haben sich diese Sprache schließlich nicht ausgedacht. In der Branche redet man wirklich so, als sei sie eine Mischung aus bizarrem Szene-Treff und Eheanbahnungsinstitut.
Ob da nicht sehr viel aus dem Non-IT-Bereich sublimiert wird, fragt man sich. Und: Welche Auswirkungen hat das auf die unter solchen Voraussetzungen produzierte Hard- und Software?
Wirklich interessant sind diese Fragen ja allesamt nicht. Aber es hilft bei sommerlich gekleideten Mädels.
Früher stand ja in den Aufklärungsbüchern, man solle – aus Gründen der Moral – bei solchen Anblicken konzentriert über etwas anderes nachdenken oder eine schwierige Kopfrechenaufgabe lösen.
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