Bevor die Grünen zur Dosenpfand-gebremsten FDP mutierten, da nannten sie sich sogar “die Alternativen”. Statt Kommerz-Pop konnte man Hardrock hören, statt zu bechern Hanf rauchen oder statt Daimler Fahrrad fahren.
Hardrock, Haschisch, Fahrräder und die Partei des Außenministers gibt’s zwar immer noch. Aber kein Mensch hält irgendwas davon noch für alternativ. Wär’ ja auch zu albern – bei Rädern, die mehr kosten als damals ein 2CV. Wobei: die Fahrräder haben sich ja wenigstens technisch weiterentwickelt. Aber in der Musik, da gibt’s seit geraumer Zeit eigentlich nur Rückschritte.
Und in der Politik eh. Die Politiker haben den Zeitgeist übrigens genau erfasst. Früher mussten die ja wenigstens noch ein bisschen nachdenken. “Können wir nicht … dürfen wir nicht … wollen wir nicht”, hieß es dann, wenn sie mit Alternativos konfrontiert waren. Heute sagen die dauernd: “Das (was ihnen gerade nicht gefällt) passt nicht in die Zeit”. Das ultimative Argument einer argumentationsarmen Zeit.
Da ist es doch schön, dass es wenigstens in der IT eine Alternative gibt. Der Linux-Tag in Karlsruhe ist ja gerade. Linux ist eine veritable Alternative. Alles, was damit zu tun hat, kommt einem denn auch so bekannt vor – aus der Post-68er Zeit.
Da ist einmal die überzogene Reaktion des Establishments. Linux sei der schiere Kommunismus, hat ja der Microsoft-Chef Steve Ballmer erklärt. Was ganz schön blöd war. Denn zum einen ist Linux im Gegensatz zum Kommunismus ein äußerst stabiles System.
Chruschtschow hat die Theorie von Systemkonkurrenz erfunden. Deren praktischer Ausgang ist bekannt. Wenn aber bei derjenigen auf dem Gebiet der IT etwas zusammenbricht, dann ist es der Westen – Washington, also das Betriebssystem des großen Konzerns aus dem Bundesstaat Washington.
Und außerdem macht man seine Widersacher durch so einen Vorwurf nur interessant. “Wo ist die Oppositionspartei, die nicht von ihren regierenden Gegnern als kommunistisch verschrien worden wäre, wo die Oppositionspartei, die … den brandmarkenden Vorwurf des Kommunismus nicht zurückgeschleudert hätte?” So Karl Marx, der Erfinder desselben, im gleichnamigen Manifest (MEW, Bd. 4, S. 461).
Noch’n Déjà vu: Da gab’s ja auch einmal die Groteske um die Verwertungsrechte an der Internationalen – das Musikstück – kein Hardrock, aber trotzdem ein sehr schönes Lied mit einem guten Text. “Die Müßiggänger schiebt beiseite”, heißt’s darin beispielsweise. Das passt auch nicht mehr in die Zeit. In eine Zeit, in der jeder Müßiggänger sich für einen Leistungsträger hält, bloß weil er fordert, die Leute, die arbeiten, sollten mehr arbeiten.
Von der Internationalen hatte man ja lange gedacht, sie sei Public Domain, quasi ein Stückchen proletarischer Open Source. Dann aber stellte sich heraus, dass ein kapitalistisches Unternehmen der Rechte-Inhaber war.
Und heute gibt’s da halt die Sache mit SCO. Die Firma würde Linux ja gerne reprivatisieren. Und deshalb behauptet sie, sie sei eigentlich die legitime geistige Eigentümerin. Das glaubt ihr allerdings niemand so recht – bis auf Steve Ballmer, versteht sich. Diese Angelegenheit sollte man denn auch sehr gelassen sehen. Schließlich musste damals auch kein Revoluzzer GEMA-Gebühren für die Internationale abdrücken.
Also die Parallelen zwischen der Open-Source und der Arbeiterbewegung sind schon frappierend. Beispielsweise: Wenn der Linux-User einen Bug findet, dann wartet er nicht auf einen Patch von irgendwoher. Weil: Er weiß ja: “Es rettet uns kein höh’res Wesen, kein Gates, kein Kaiser, noch Tribun.” Der User setzt sich dann hin und behebt den Schaden. – “Uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun.”
Das ist doch eigentlich eine prima Einstellung. Und bei Open-Source-Software kann man auch danach handeln. Schließlich hält einem niemand emanzipatorisches Wissen, eben den Quellcode, vor.
Tja, und das sind Signale, die gehört werden – vor allem in Washington.
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