Der Mohr hat seine Schuldigkeit getan, der Mohr kann bald verkauft werden. So etwa könnte man die Aussage des CEO von AOL Time Warner, Dick Parsons, interpretieren, dass der Konzern mit Netscape “andere Möglichkeiten” erforsche. Im Manager-Fachjargon ist dies eine unzweideutige Umschreibung der Suche nach einem Käufer.
Immerhin schaffte es die Marke Netscape, dem Konzern im Rahmen einer außergerichtlichen Einigung mit Microsoft Ende letzter Woche einen Umsatz von 750 Millionen Dollar einzubringen. So viel war es dem Software-Riesen aus Redmond wert, nunmehr auch in der Kategorie Web-Browser unangefochten ein Monopolist zu sein. Sein Internet Explorer (IE) kann auf einen Marktanteil von mehr als 90 Prozent zurückblicken, während der von Netscape auf 3 bis 4 Prozent geschrumpft ist.
Bedenkt man, wie stiefmütterlich Netscape seitens AOL nach der Übernahme immer behandelt wurde, wird klar, dass der Rechtsstreit mit Microsoft und die jetzt eingefahrene Entschädigung wohl die einzige Daseinsberechtigung des einstigen Börsenlieblings gewesen sein müssten.
Pikanterweise hatte AOL kurz vor der Übernahme von Netscape einen Lizenzvertrag mit Microsoft unterzeichnet über die Nutzung des Internet Explorer in der AOL-Zugangssoftware. Die Entwicklung des Browsers kam ins Stocken, Netscape-Gründer Marc Andreessen verließ das Unternehmen. Die Weiterentwicklung des Codes ist nun in den Händen der Open-Source-Gemeinde “Mozilla.org.”.
Auch für Microsoft scheint mit dem Ende des Browser-Kriegs das Ende des Browsers als eigenständiges Produkt eingeläutet worden zu sein. Brian Countryman, Microsofts Programm-Manager für den Internet Explorer, erklärte neulich, dass der IE in seiner aktuellen Version (Release 6, SP1), das letzte Produkt seiner Art sei. Zwar soll die Technologie weiter entwickelt werden, doch der IE wird nur noch als Bestandteil des Windows-Betriebssystems leben. Eine wahrlich elegante Art, ein Kriegsbeil zu begraben.
Das macht den Anfang des Jahres bekannt gewordenen Entschluss von Apple, einen eigenen Browser (Safari) zu entwickeln, um einiges verständlicher. Bleibt nur noch die Frage, wer denn in Zukunft noch Browser entwickeln soll. Netscape als eigenständiges Unternehmen? Opera? Apple? Die Open-Source-Gemeinde? Oder sollte die Frage eher lauten, wie lange es noch Betriebssysteme ohne integrierten Browser geben soll …
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