Das europäische Parlament hat seine Entscheidung über eine europaweite Richtlinie, die
computergestützte Erfindungen wie Software-Codes patentierbar machen soll, um drei Wochen
verschoben. IT- und Wirtschaftsexperten aus ganz Europa sind in den letzten Wochen Seite an Seite
mit der mittelständischen Software-Industrie Sturm gegen den Richtlinienentwurf gelaufen.
Zu groß war offenbar der geballte Ansturm von Kritik und neuen Vorschlägen. Proteste gab es
auch im Web: So blockierten Unternehmer bereits im Vorfeld der Entscheidung etwa 1500 Websites
mit dem Hinweis “Wegen Patenten geschlossen!”. Kurzfristig gaben sich die EU-Parlamentarier jetzt
weitere drei Wochen Zeit, um über den Entwurf zu beraten. Nun soll am 22. September endgültig
über die Patentierbarkeit von Software entschieden werden.
Mittlerweile sind es eher die Argumente der Patentgegner als der reine Widerstand, die ein
Überdenken der bisherigen Richtlinienentwürfe seitens des EU-Abgeordneten bewirkten. Mit dem
Effekt, dass die Debatte auch innerhalb der Fraktionen kontrovers geführt wurde und die
Gegenstimmen im EU-Parlament kontinuierlich lauter wurden. Inzwischen hat sich die Grüne Fraktion
gegen den Entwurf ausgesprochen. Die Position der sozialdemokratischen Fraktion, der auch die
Verfasserin der Richtlinie Arlene McCarthy angehört, ist nicht einheitlich.
In Zeiten, da Europa sich von der technologischen Abhängigkeit der USA zu lösen versucht und
immer mehr Gefallen an der Open-Source-Bewegung findet, rannten Organisationen wie Eurolinux
oder der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) offene Türen ein. Ihnen
gelang es, durch die Anführung einfacher und allgemein verständlicher Beispiele wie das
‘One-Click-Shopping‘-Patent des Online-Retailers Amazon zu veranschaulichen, welche
Konsequenzen die IT-Industrie in Europa durch die Patentierung möglicherweise tragen müsste.
Von der Tatsache abgesehen, dass enorm hohe Kosten (fünfstellige Euro-Beträge), ein immenser
Verwaltungsaufwand und kaum abschätzbare rechtliche Risiken die Software-Entwicklung in Europa
lähmen würden, könnten Industrie-Schwergewichte wie IBM die hiesige Industrie theoretisch nach
Belieben behindern oder blockieren. Insbesondere Big Blue besitzt Patente über eine riesige Anzahl
von Basisfunktionen, die heute praktisch in jedem Software-Programm zu finden sind. Diese reichen
von Download-Methoden über Kompressionsalgorithmen bis hin zur Überwachung verteilter
Systeme.
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