Indien ruft: Offshore Outsourcing krempelt IT-Wirtschaft um
Tipps und Tricks zum geschickten Auslagern
Bessere Produkte und besserer Service zu niedrigeren Preisen – das geht auch in der IT-Wirtschaft nur mit dem Rückgriff auf Offshore-Outsourcing. Die Analysten von Gartner trommeln deshalb schon vor ihrer IT-Outsourcing-Konferenz Ende des Monats in London für das Thema und sagen dem speziellen Dienstleistungssegment ein Wachstum von 40 Prozent für dieses Jahr voraus.
Schon im kommenden Jahr würden drei von vier Unternehmen nicht mehr umhin kommen, sich mit der Auslagerung von Entwicklungsarbeit oder ganzen Geschäftsprozessen ins Ausland zu befassen, meint Analyst Ian Marriott im Gespräch mit silicon.de. Dazu zählt er durchaus auch Unternehmen ab einer Größe von 1000 Mitarbeitern.
“Die Einsparungen fallen da natürlich dann nicht mehr so sehr ins Gewicht, aber es kann durchaus Sinn machen”, meint Marriott. Voraussetzung sei allerdings, dass es im Haus bereits ein Team gebe, das mit Outsourcing Erfahrung habe. “Dann sollte es eigentlich kein großer Kraftakt sein, die Koordination hinzubekommen.”
Wer die Möglichkeiten des Offshore-Outsourcing nicht nutze, der werde Wettbewerbsvorteile einbüßen und im Vergleich mit der Konkurrenz weniger erwirtschaften. Entscheidend sei auch ein rund um die Uhr verfügbarer Support, der aber praktisch nur noch offshore finanzierbar sei.
Unter Druck geraten nach Informationen von Gartner aber auch die Outsourcing-Partner, die bisher direkt mit ihren Kunden vor Ort gearbeitet haben. Ihnen bleibe über kurz oder lang nichts anderes übrig, als Offshore-Angebote in ihr Portfolio aufzunehmen.
“Offshore” ist hier fast immer noch gleichbedeutend mit “Indien”. Hier seien die höchstqualifizierten IT-Experten zu günstigen Konditionen zu haben. Mehr als 90 Prozent aller Umsätze in der IT-Auslagerung ins Ausland werden auf dem Subkontinent erwirtschaftet.
China und Russland würden zwar aufholen, so Marriott. Aber dort sei zum einen die Infrastruktur noch nicht so weit ausgebaut, zum anderen hinkten die Newcomer auch bei den Qualifikationen noch hinterher. Zu den Verfolgern auf den Marktführer Indien zählt Gartner inzwischen auch die Philippinen, Südafrika, Israel, Mexico sowie Ungarn, Polen, Irland und Kanada.
Den Offshore-Interessierten rät Marriott daher, sich umzusehen und verschiedene Aspekte zu begutachten: Die Gefahr kultureller Missverständnisse sei nicht von der Hand zu weisen, weshalb die Offshore-Anbieter in der “näheren Umgebung” nicht nur wegen ihrer Präsenz in der gleichen Zeitzone Interesse finden dürften. Gerade Unternehmen, die auf der Suche nach einer hochspezialisierten Dienstleistung sind, sollten sich auf den “Nischenmärkten” umschauen.
Die Wahl des Offshore-Partnerlandes sollte bei der Planung an erster Stelle stehen, rät Gartner: Wie stark wird die Offshore-Industrie von der Regierung des Landes unterstützt? Wie stark ist das Bildungswesen und wie viele Absolventen stehen zur Verfügung? Erst dann sollte es um die Auswahl des Serviceproviders gehen, der mit seiner Größe, seinem Protfolio, seiner Ausrichtung auf eine bestimmten Region oder eine bestimmte Branche zu seinem Auftraggeber passen sollte.
Während große Konzerne sich ihr Outsourcing im Ausland selbst organisieren, sind bestehende Serviceprovider für kleinere Unternehmen die erste Wahl. Gartner liefert dazu seine “Vendor Ratings”, die eine Bewertung der Qualifikationen ermöglichen soll.
Und schließlich, merkt Marriott an, sei von entscheidender Bedeutung, für welches “Delivery Model” man sich entscheide. “Reines Offshore war im Zuge des Jahr-2000-Problems die am weitesten verbreitete Herangehensweise”, weiß Marriott. “Weil aber Kommunikation und Projektmanagement so nur schwierig zu bewerkstelligen sind, gab es da immer wieder große Enttäuschungen.”
Gartner favorisiere deshalb ein “Onsite-Onshore-Offshore”-Modell, bei dem die Offshore-Kapazitäten lediglich an die bestehenden Prozesse am eigenen Standort angeflanscht werden. Beste Erfahrungen haben hiermit offenbar die Briten gemacht, die in Europa zu den größten Offshore-Fans gehören. Aufgrund der historischen Bindungen zu Indien hätten sich die Outsourcing-Modelle zwischen den beiden Ländern am besten entwickeln können.
Allerdings weit Marriott auch darauf hin, dass die Einwanderungspolitik anderer Staaten für IT-Fachleute aus Indien durchaus als Hindernis empfunden werde. Gerade Offshore-Outsourcing funktioniere dann am besten, wenn die Fachleute ihre Auftraggeber und deren Arbeitsweise bereits kennen gelernt haben.
Offshore-Outsourcing werde weit reichende Auswirkungen auf dem Arbeitsmarkt haben, warnt der Gartner-Analyst schließlich. Denn die Unternehmen in Europa sollten sich schon jetzt damit befassen, wie sie ihre Mitarbeiter weiterbilden und anderweitig einsetzen, wenn sie durch Offshore-Outsourcing ihre bisherige Aufgabe abgeben. Auf lange Sicht müssten aber auch die Strukturen in den Unternehmen so ausgerichtet werden, dass sich eine Schnittstelle für Offshore-Partner bilden kann.
Und wer sich mit der Verlagerung nach Indien nicht so recht anfreunden kann, dem kommen die IT-Profis aus Bangalore möglicherweise schon bald ein ganzes Stück entgegen. Es gebe deutliche Hinweise darauf, meint Garnter-Analyst Marriott, dass indische Outsourcing-Spezialisten dabei sind, Niederlassungen in Osteuropa zu gründen. Das könne ein Sprungbrett in den wichtigsten Markt Deutschland werden.