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Offshoring wird für Microsoft zum heiklen Geheimnis

Die Rechnung geht auf: Während die ersten Studien belegen, dass die indischen Programmierer nicht nur billig, sondern auch gut sind, wird im Westen die Angst um den Arbeitsplatz und die Kompromissbereitschaft der Arbeitnehmer immer größer. Microsoft-Interna um die Auslagerung von Kernaktivitäten gießen dabei ähnlich viel Wasser auf die Mühlen wie hierzulande die einst kräftig geschürte Diskussion um eine neue Siemens-Zentrale im Osten. IBM hat hingegen erste Erfahrungen als Offshoring-Sündenbock gemacht und rudert nun zurück. Die Schritte der beiden Großen werden einstweilen von der gesamten Outsourcing-Industrie aufmerksam verfolgt.
Anlässlich einer Gartner-Konferenz wurden knapp 70 Outsourcing-Entscheider zu ihrer Ansicht befragt und sie nannten zu einem Viertel die ausgezeichnete Qualität indischer Programmierarbeit als Motivation für Offshore-Outsourcing. Nur knapp davor, mit 31 Prozent, lagen die Kostensparer, die sich vor allem die geringeren Löhne und Gewerbesteuern in Indien auf der Zunge zergehen lassen. Ein bisschen von beidem dürfte Microsoft bewogen haben, auch zukunftskritische Arbeit nach Indien zu geben.

Ein internes Papier, das dem Wall Street Journal zugespielt wurde und dessen Existenz Microsoft nicht dementiert, spricht sogar von Longhorn-Auslagerungen. Dass ist allerdings unvereinbar mit den Bekenntnissen des Konzerns, echauffiert sich die Gewerkschaft WashTech mit Sitz im nordamerikanischen Seattle. So verneine Microsoft immer wieder, dass Kernprojekte an solchen Produkten wie Longhorn oder Server-Ausgaben ausgelagert würden. Dafür würden nur Microsoft-Angestellte beschäftigt.

Soweit richtig, sagt die Gewerkschaft. Doch das Papier lasse den Schluss zu, dass viele der Programmierer, die derzeit an einem Longhorn-Migrationstool für den Übergang vom alten auf das neue Betriebssystem sitzen, gar nicht für Microsoft arbeiten sondern in Wirklichkeit projektgebundene Vertragsarbeiter mit einer Festanstellung bei indischen Firmen wie Infosys oder Wipro seien.

Die Abwehr der Vorwürfe durch Microsoft-Sprecherin Stacy Drake lautet: “Als eine globale Firma betrachten wir es als wichtig, Entwickler und Unternehmen rund um den Globus einzusetzen.” Allerdings bleibt sie dabei, dass “die Entwicklung an unserem geistigen Eigentum” Microsoft-Angestellten vorbehalten bliebe. Zu der von WashTech angesprochenen Schattenwirtschaft in der Personalabteilung sagte sie nur, Microsoft gebe die Zahl der so genannten Contractors, die an Microsoft-Produkten arbeiten, nicht heraus.

In der Regel seien sie aber, wenn sie keine Microsoft-Angestellten sind, nur mit Kompatibilitätstests und Fehlersuche beschäftigt. Die eigentliche Fehlerbehebung sei dann wieder Microsoft-Sache. Sogar weniger als 1 Prozent der Forschungs- und Entwicklungsarbeiten würden vom Budget aus gesehen außerhalb der USA geleistet, weist sie die Vorwürfe von sich. Derzeit arbeiten 1000 Menschen mit Microsoft-Arbeitsvertrag in Indien, 57.000 Angestellte hat der Konzern weltweit. Die Gewerkschaft befürchtet, dass entgegen früherer Versprechungen der Konzernleitung nun ein direkter Wettbewerb der Inder gegen die US-Bürger kommt. In der Regel würden beide, so WashTech in einer Stellungnahme, darunter langfristig zu leiden haben, weil sie sich zwangsweise gegenseitig unterbieten müssten.

IBM geht derweil unter dem Applaus der Analysten ein Stück des selben Wegs zurück und lässt ein neues Programm starten, das die Besetzung freier Stellen nunmehr bevorzugt durch IBM-Mitarbeiter vorsieht. Vor allem die Mitarbeiter, die wegen umfangreicher Auslagerung der Firma auf der Abschussliste stehen, sollen dem Plan zufolge bevorzugt auf freie Posten kommen. Das Programm ist ein Teil der ‘Global Redeployment Principles’ und sieht vor, dass Manager neue Stellen zuerst mit intern abgebauten oder anzubauenden Mitarbeitern besetzen müssen. Erst wenn die interne Suche erfolglos verläuft, darf die Stelle öffentlich ausgeschrieben werden. Das soll die Offshore-Outsourcing-Pläne von Big Blue etwas versüßen.

Während die Mitarbeiter, die derart umbesetzt wurden, gegenüber dem Wall Street Journal anzweifeln, ob sie besonders lange dort bleiben dürfen, lobt sich IBM selbst. Der Konzern werde durch diese interne Besetzung sogar Geld sparen, heißt es: Das Anlernen neuer Mitarbeiter koste Zeit und Geld, die sinnvoller verwendet werden könnten. In der Regel gehen Personalfachleute weltweit davon aus, dass das erste Jahr eines neuen Mitarbeiters als Anlernphase zu betrachten sei, egal wie die Qualifikation des Mitarbeiters aussieht. IBM beziffert die Kosten dafür: Einen IBM-Mitarbeiter schlichtweg umzupolen koste durchschnittlich in diesem ersten Jahr 20 bis 30 Prozent weniger als einen Unternehmensfremden anzulernen. Durch eine durchschnittlich 10 Prozent niedrigere Gehaltszahlung bei erfolgter Umbesetzung spart IBM auch Geld.

Doch die Abwanderung der Arbeit geht inzwischen weiter: Bangalore zählt sich mit 160.000 IT-Profis zur größten IT-Stadt außerhalb des Silicon Valley, das statistisch gesehen mit 170.000 IT-Profis die Weltrangliste immer noch anführt. Die Tendenz in Bangalore ist jedoch steigend, während das Silicon Valley sich gerade mal auf dem erreichten Niveau halten kann. Die US-Wirtschaft kennt schließlich in der ersten Jahreshälfte 2004 um 4,5 Prozent weniger IT-Profis als 2001 – damals waren es 3,6 Millionen Programmierer, Manager, Ingenieure und Admins. Viele von ihnen sagen heute: “My job moved to India.”

Silicon-Redaktion

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