“Bis wir Radio Frequency Identification (RFID) in Läden und Supermärkten sehen, vergehen noch mindestens fünf Jahre”, prognostizieren die Analysten Pete Abell vom Marktforschungsunternehmen Aberdeen Group und James Weir vom Wettbewerber IDC. Einig sind sich die Experten aber, dass die Technik große Vorteile für Bewältigung von logistischen Aufgaben mit sich bringt.
Auf diesen Weg haben sich bereits Walmart und Benetton probeweise und kurz gewagt. Sie wollten die Vorreiter sein: Funkchips sollten ihre Waren und die Warenketten effektiver gestalten. Doch kurz nach Ankündigung froren sie die Vorhaben schon wieder ein.
Schuld am Stopp einer flächendeckenden Einführung ist die Angst von Verbrauchern vor den smarten Tags und Labeln. Sie fühlen sich durch die Minisender ausspioniert Aber auch die Zulieferer scheuen die Technik. Ihnen sind die Kosten zu hoch, der Nutzen ist unklar. Doch es gibt noch mehr Probleme, die die Revolution in Logistik, Handel und Produktion aufschieben.
Die Technik selbst ist unkompliziert
Im Wesentlichen besteht ein RFID-System aus Empfangs-Antwort-Geräten, den so genannten Transpondern, und den Schreib-Lesegräten, den Readern. Reader gibt es in allen möglichen Ausführungen: als Handgeräte so flach wie Mousepads, als Zusatz für Handhelds, als Drucker oder auch fest eingebaut, beispielsweise in Fabriktoren. Chip und Antenne des Transponders haben Platz auf Kundenkarten und Etiketten fast jeder Art.
Auf den nur sandkorngroßen Chips lassen sich Codes speichern, mit denen sich jedes einzelne Stück Ware identifizieren lässt und nicht etwa nur die jeweilige Warengruppe wie beim bekannten Barcode. Dell China etwa nutzt Transponder in der internen Logistikkette mit 16 verschiedenen Produktionsbereichen des Standorts Xiamen. Die Funkchips ermöglichen nicht nur, dass alle Bauteile zur richtigen Fertigungsstraße gelangen, sondern sorgen auch für die Versandetikettierung. Wenn die Hardware erst einmal zusammengesetzt ist, beschriften Reader dann jeden Produkt-Tag mit den zugehörigen Warenangaben sowie mit Versandinformationen. Somit sind die Produkte praktisch zu einer Selbstauskunft in der Lage und gelangen wie von Zauberhand zum richtigen Versandtort.
Das Lesen und Schreiben der Informationen funktioniert mit Hilfe von Sendefeldern, entweder durch Reflexion von Radiofrequenzsignalen, durch Induktion in magnetischen oder Spiegelladung in elektrischen Feldern. Grundsätzlich gibt es zwei Transpondergattungen: Aktive Transponder, die mittels Batterie über eigene Energie verfügen, erzeugen selbst elektromagnetische Wellen. Passive Transponder werden dagegen von den Readern bei den Schreib- und Lesevorgängen mit Energie versorgt. Es gibt allerdings auch Mischformen.
Ansprüche wachsen mit der Reichweite
Bei passiven Transpondern liegt der aktuelle Stückpreis bei 30 bis 50 Cents. Analysten und Chiphersteller rechnen allerdings in den kommenden Jahren mit einem Preissturz. Die Reichweite der Minisender, die im Frequenzbereich zwischen 125 kHz und 13,56 MHz senden, liegt bei unter einem Meter. Damit eignen sich solche Systeme für die Auszeichnung von Ware auf Stück-Ebene. Sie können sich in Verpackungen befinden, in Etiketten, aber auch in Geldscheinen und, verpackt in Glasröhrchen, etwa zum Implementieren unter die Haut von Tieren.
Aktive Transponder dagegen senden in einem höherfrequenten Bereich, in dem sich Entfernungen überbrücken lassen, die zwischen einem und fünf Metern liegen. In Europa, aber auch weltweit, setzt sich hier der UHF-Standard durch, also 2,45 GHz. Das ist auch der Bereich, der drahtlose Kommunikation mittels Bluetooth und Wireless Local Area Network (WLAN) etabliert. Solche Transponder kosten mindestens einen Euro das Stück und die benötigten flachen Knopfbatterien schlagen mit 10 bis 30 Euro zu Buche.
Die Chip-Preise müssen fallen
Schon allein wegen des vergleichsweise hohen Preises kommen diese Systeme nur für höherwertige Ware oder zur Absicherung der Transportwege in Frage. Weil die Transponder auf einer Frequenz senden, die auch im Wireless-Bereich verstanden wird, ließe sich der Weg einer Ware nahezu lückenlos verfolgen. Ein Container kann dann mitteilen, wo er sich befindet.
Das ist zum Beispiel dann interessant, wenn Behältnisse verliehen werden. Kunden brauchen nur noch die tatsächliche Nutzungsdauer zahlen, der Anbieter weiß, wo sich der Tank oder Transportbehälter befindet, wann er frei wird und was sich zuletzt darin befunden hat. Der Funkchip kann aber auch verhindern, dass jemand unerlaubt unterwegs einen Container öffnet. Daran hat etwa die Versicherungsbranche ein großes Interesse.
Neben Identitätscodes kann ein Chip aber auch den Lebenszyklus eines Produkts speichern. Schon heute gibt es Systeme, die Messdaten aufnehmen können, etwa die von Kühlräumen. Damit sind Kühlketten für Tiefkühlware oder für frische Lebensmittel nahtlos überprüfbar.
RFID kann Kosten sparen
Transponder haben aber auch den Vorteil, dass sie berührungslos lesbar und beschreibbar sind. Zudem können Reader ganze Paletten, Brief- oder Bücherstapel und Warenkörbe auf einmal lesen. Auch verschiedene Informationen wie die einer Ausweiskarte und eines darunter liegenden Lieferscheins lassen sich zugleich erfassen. Es reicht ein Durchschieben, -reichen- -gehen durch eine Schleuse. Die Einsparungen, die Lagerhäuser bereits beim Wareneingang und -ausgang erzielen könnten, sind deshalb enorm.
“Wenn das Ein- und Auspacken sowie das Scannen einzelner Produkte entfallen könnte, reduzierte sich der Aufwand um 8 bis 10 Prozent,” erläutert Bodo Ischebeck, Ident-Spezialist beim Chiphersteller Infineon Technologies. Ist das Lager oder der Verkaufsraum zudem mit Readern ausgestattet, geht auch der Schwund in einem erheblichen Maß zurück. Aber die Verfügbarkeit erhöhte sich. Das Beratungshaus Accenture berechnet, dass sich durch den Einsatz von RFID-Technik die Rate, in denen Ware zum Zeitpunkt des Abrufs fehlt, um ein bis zwei Prozent senken lässt.
Doch die intelligente Auszeichnung der Ware erleichtert nicht nur das Aufspüren, sie ermöglicht auch bessere Erkenntnisse darüber, welche Wege ein Produkt geht. So lässt sich zumindest theoretisch verfolgen, wie oft ein Produkt aus dem Regal genommen wird, bevor es tatsächlich gekauft wird. Durch die Reader lassen sich auch die Wege der Kunden verfolgen, wenn sie über Kundenkarten verfügen, die mit einem Smart-Chip ausgestattet sind. Kaufhäuser, Kleiderhersteller und Supermärkte könnten somit mehr über die Kundschaft erfahren – eine Möglichkeit, die allerdings Verbraucherverbände besorgt. In einer Bibliothek aber würde kein Buch mehr verschwinden und in einem Lager kein einmal angeliefertes Gut.
Kurz bevor es ernst wird
Die praktischen Erfahrungen decken bisher jedoch keine kompletten Lieferketten ab. Die RFID-Projekte befinden sich noch in Pilot- oder Versuchsstadien. Die Ausnahme bildet etwa der Einsatz der Funkchips bei Marathon-Veranstaltungen, wie sie bereits seit dem letzten Jahr beim “Rennsteiglauf” im thüringischen Oberhof im Pilotversuch eingesetzt werden. Wie Helmut Bücherl ausführt, bei Siemens Business Services mit RFID-Entwicklungen beschäftigt, enthalten die wieder verwendbaren Startnummern oder wahlweise auch spezielle Schnürsenkel hierbei Smart Tags.
Die Daten des jeweiligen Läufers kommen aus einer Telnehmer-Datenbank und werden im Vorfeld der Veranstaltung auf den Chip geschrieben. Beim Marathon-Start steht ein Gate, das denen gleicht, die ein Piepen verursachen, wenn die Sicherung noch in der Ware ist. Dieses enthält einen Reader. Wie Bücherl weiß, werden diese Gates an der Strecke immer wieder ab- und aufgebaut, bis die Läufer ihr Ziel erreicht haben. So lassen sich sowohl Zwischenzeiten als auch die Endzeiten festhalten und der Läufer kann seine Laufzeit als Ausdruck mit nach Hause nehmen.
Toyota experimentiert mit RFID in seiner südafrikanischen Fertigungsstätte. Mit Hilfe der Funktechnik will der Automobilhersteller der Produktionsprozess besser überwachen. Gilette etikettiert seine Rasierklingen, übrigens eine gern geklaute Ware, mit den Funkchips. Reader befinden sich zum Teil in den Regalen, die in Versuchsanordnungen bei Walmart aufgestellt sind. Im Future-Store der Metro Group in Rheinberg kleben auch auf manch anderen Produkten intelligente Etiketten. Reader an Informationsständen lesen, um welches Produkt es sich handelt, und der Infostand klärt den Verbraucher auch etwa über die Qualität eines Weins auf. Denkbar wäre es auch, wenn eine dahinter liegende Applikation erkennt, dass sich jemand für ein Produkt interessiert, und daraufhin tageszeitabhängige Preise oder Rabatte vorschlägt.
Noch spielt die Physik der Vision Streiche
Der weiten Verbreitung von RFID stehen neben den Ressentiments von Verbrauchern aber auch technische Restriktionen im Wege. Es gibt noch keine Standards. Zum Beispiel fehlt ein einheitlicher Produktcode. Zwar arbeiten das Massachusetts Institute of Technology, die englische Universität Cambridge, die australische Universität Adelaide und die japanische Hochschule Keito zusammen mit vielen Industrievertretern an einem Electronic Product Code (EPC) mit einer Länge von 96 Bit; bis zu 68 Milliarden eindeutige Seriennummern ließen sich damit pro Produktkategorie vergeben. Doch mit einem Standard ist frühestens ab September, so heißt es, zu rechnen.
Doch es gibt weitere Hürden zu nehmen: Beispielsweise taugen niederfrequente Transponder nicht, wenn Metall im Spiel ist. Die UHF-Transponder hingegen haben bei Flüssigkeiten Probleme. Zudem können Interferenzen etwa durch hohe Luftfeuchtigkeit den Schreib-Lese-Vorgang beeinflussen.
Trotzdem sind sich alle Analysten einig, dass sich RFID durchsetzen wird – auch im Kontakt mit den Endkunden – und zwar viel schneller als beispielsweise der Barcode. Die Möglichkeiten, Abläufe in der Produktion, in der Logistik und im Handel zu rationalisieren, sind schlichtweg immens. Dazu kommen Chancen, ganz neue Prozesse zu definieren: die Verpackung, die mitteilt, wie sie zu entsorgen ist, die Milchflasche, die dem Kühlschrank sagt, dass das Haltbarkeitsdatum demnächst überschritten sein wird, das Paket, das seinen Empfang quittiert, mit Sensorik ausgestattete Schutzanzüge für Feuerwehr und Polizei, das Auto, das den Reifendruck misst – sie sind keine bloßen Visionen mehr. Pilotprojekte gibt es schon lange.
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