Mit geradezu sprichwörtlicher Arroganz reagiert Oracle-Chef Larry Ellison auf die Reaktionen, die sein feindliches Übernahmeangebot an Peoplesoft am Freitag in der Software-Landschaft ausgelöst hatte. Siegesgewiss schreibt er einen öffentlichen Brief an den Peoplesoft-Vorstand, der die Zusage zu einem der größten Übernahmeschlachten, die sich seit HP/Compaq abzeichnet, eintreiben soll.
Allerdings haben außer den unmittelbar betroffenen Parteien noch andere Schwergewichte ein Wörtchen mitzureden. Analysten und Branchenkenner diskutieren eifrig die Möglichkeiten und die Chancen für die Kunden, die sich aus gewissen Konstellationen ergeben könnten. Schließlich sind IBM und Microsoft als so genannte “White Knights” im Gespräch, die Oracle den Happen von der Gabel stoßen könnten.
Die Zustimmung der Börsenaufsicht und des Kartellamtes zu erringen dürfte sich, aktuellen Einschätzungen zufolge, auch nicht so einfach bewerkstelligen lassen, wie Ellison am Wochenende mehrfach behauptete. Hier steht die Frage, wie man die Sektorengrenzen in einem vielschichtigen Markt denn nun ziehen will und wo dann Microsoft und IBM ins Spiel kommen könnten.
Das liebe Geld in Zeiten der Krise
Doch zunächst ist die Hürde des Preises auszuräumen. Da das Angebot nur 6 Prozent verspreche, so die Wall Street mit einem Blick auf die Fusionsfieberattacken der Vergangenheit, könne man die Anleger zunächst einmal nicht so einfach abspeisen. Wo doch einstmals 37 Prozent und mehr Zuschlag bei feindlichen Übernahmen gezahlt worden war. Fair und großzügig dagegen findet Ellison die insgesamt errechneten 5,1 Milliarden Dollar, die er bereit ist bar auf den Tisch zu legen.
Mit aber nur 16 Dollar je Anteilsschein bei einem veranschlagten Kurswert, der am Donnerstag Abend schon niedriger lag und durch die Meldungen angeheizt bald die Grenze von 20 Dollar überschreiten dürfte, fühlt sich Peoplesoft nicht nur schlecht bezahlt, sondern schlichtweg übers Ohr gehauen. Die New Yorker Börse beunruhigt auch, dass diese Ellison-eigene Art der feindlichen Übernahme ohne vorherige freundliche Absprachen mit den zu übernehmenden FirmenPeoplesoft und J.D.Edwards ein Novum sei, das eventuell Schule machen und das Hauen und Stechen unter den Techniktiteln neu anheizen könnte.
Diabolische Wege gehen
Auch wenn aber, wie Analysten vermuten, die Nachverhandlungen einen Preis von 20 Dollar je Aktie oder mehr erbringen könnten, sieht es bislang nicht so aus, als ob sich Peoplesoft zu einem “Ja” entschließen könnte. Dies sogar angesichts der Tatsache, wie der Oracle-Chef fein
bemerkt, dass die Antwort nicht allein beim Vorstand, sondern zuerst bei den Aktionären liegt. Dennoch wiegen die Worte von Peoplesoft-CEO Craig Conway schwer, der die Methode als “diabolisch”, “anmaßend” und “lächerlich” bezeichnete.
Robert Dutkowsky, CEO des erst letzte Woche von Peoplesoft übernommenen Softwareherstellers J.D. Edwards legte nach: “J.D. Edwards kann die Fusion aus kartellrechtlicher Sicht sprengen, und zwar ohne die Zwickmühle, in die Peoplesoft geraten würde.” Denn, so sagte er, die geplante Übernahme würde in einem entscheidenden Marktsegment der Softwarebranche den Wettbewerb zunichte machen und Oracle würde dabei einen seiner einzig ernsthaften Rivalen schlucken – zum Leidwesen der Kunden.
Roter Alarm für die Kunden
Außerdem hält er die Ansage Ellisons, die Produkte von Peoplesoft würden nicht weiter entwickelt, für eine tückische Maßnahme. Oracle hatte angeboten, die Migration auf gleichwertige Oracle-Produkte gratis vollziehen zu wollen, wenn die entsprechenden Peoplesoft-Erweiterungen oder Updates anfielen. Dutkowsky hierzu: “In der Business-Softwarewelt heißt gratis mitnichten gratis.” Die reinen Softwarekosten machten schließlich nur 5 Prozent bei einer Migration aus, bittet er bei dem “unwiderstehlichen Angebot” zu bedenken. Schulung, Support, Architekturumbau und ähnliches schlügen dagegen so zu Buche, dass sich Ellison hier tatsächlich nur verschwindend geringe Summen entgehen lasse und die Anwender entsprechend draufzahlen würden. Bei der nicht ganz billigen Oracle-Umgebung sicher ein bedenkenswerter Einwand.
Dieser Meinung sind auch die Analysten der Yankee Group in Texas. Sie raten dringend dazu, das Kleingedruckte in den Verträgen mit Peoplesoft bereits jetzt genau zu studieren und entweder dieselben Bedingungen mit eventuell neuen Besitzern auszuhandeln. Sie bemerken bereits jetzt eine starke Unsicherheit am Markt, die Kunden dazu bewegen könnte, schnell und eventuell unüberlegt umzusteigen.
Sie raten dagegen in einer aktuellen Mitteilung den Unternehmen, die Situation durch geschicktes Verhandeln auszunutzen. Derzeit seien sowohl für J.D.Edwards-Produkte als auch für Peoplesoft-Umsteiger Rabatte und Vorteile herauszuholen, weil die starken Fusionspartner in Zugzwang seien. “Sie wollen die Basis an installierten Suiten beibehalten und müssen sich deshalb bewegen”, heißt es.
Um Überraschungen zu entgehen, raten die Experten weiterhin dazu, Upgrades soweit möglich um 12 bis 18 Monate zu verschieben. Das gelte insbesondere für J.D.Edwards-Kunden. Hier seien die Besitzverhältnisse noch ungeklärt, hatte doch Larry Ellison sein Interesse bekundet, während der J.D. Edwards-Vorstand lediglich mit dem Peoplesoft-Kauf einverstanden war und den Aktionären ein Ja empfohlen hatte, aber der Oracle-Kauf für ihn ausgeschlossen scheint. In dieser Frage aber hält sich Peoplesoft-Ceo Conway trotz ablehnender Gesten, wie US-Tageszeitungen treffend bemerken, das ein oder andere Hintertürchen offen. Ein deutliches Nein war von ihm bislang nicht hören.
Gestrichelte Linien an den Markt-Grenzen
So sei von einer Zustimmung der Kartellbehörden in den USA abhängig, wie beispielsweise Microsoft angesiedelt werde. Das Engagement des Betriebssystem-Konzerns im Datenbankgeschäft sei, sollte die Entwicklung so weitergehen wie Microsoft es sich vornimmt, ausreichend, Microsoft ebenfalls im Datenbanksektor anzusiedeln.
Analysten in den USA wägen daher ab, dass es von den dem Kartellamt vorliegenden Beobachtungen und Informationen und ihrem Vertrauen auf Konzernplanungen abhänge, inwieweit eine Fusion ein Übergewicht Oracles im Business-Softwaremarkt nach sich ziehe.
So fasst auch Bill Whyman zusammen, Präsident von der Marktforschungsfirma Precursor Group: “Es hängt alles davon ab, wie die Staatsangestellten den Markt definieren und wie er sich tatsächlich verändert, während die Entscheidung noch aussteht.” Sollte Microsoft zu dem von Peoplesoft besetzten Markt zählen so sei eine Einmischung der Behörden unwahrscheinlicher, als wenn sie es nicht täten und faktisch nur SAP, Siebel, Peoplesoft und J.D.Edwards zu den großen Tieren hier zählen würden.
Big Blue peilt das Ufer an
Für IBM als einem großen Software-Dienstleister stehen einstweilen ganz andere Sorgen ins Haus, sollte der Deal doch glatt über die Bühne gehen. Die umfangreichen Partnerschaften machten Big Blue in der Vergangenheit zu einem beliebten Mitstreiter der Independent Software Vendors. Auch Kompatibilitätsfragen ließen sich einfach lösen. Sollte IBM allerdings, wie die New Yorker Börse derzeit spekuliert, sich als Retter aufspielen und Peoplesoft als “White Knight” jetzt schnell Oracle vor der Nase wegschnappen, würde die ausgependelte Partner-Balance aus dem Gleichgewicht geraten.
IBM hatte bereits enge Verbindungen zu Peoplesoft und J.D.Edwards, würde also Branchenschätzungen zufolge “Hunderte von Millionen Dollar jedes Jahr verlieren”, die durch diese weitreichenden Verträge in die Taschen von Big Blue fließen. Allerdings könnte eine erfolgreiche Ellison-Strategie wiederum IBM zwingen, neue Wege zu gehen. Analyst Paul Denninger von Broadview Holding: “Wenn die Oracle-Übernahme erfolgreich ist, könnte IBM gezwungen sein, eigene Applikationssoftware-Geschäfte entweder zu kaufen oder aufzubauen – was bisher durch die Partnerschaften nicht nötig war.”
Mit anderen Partnern, die sich noch nicht so dauerhaft an den Oracle-Fleischtöpfen laben, könnten sich engere Bindungen ergeben. Trotz betonter Unaufgeregtheit bei einem dieser Unternehmen, der SAP beispielsweise, regt dieser Gedanke die Fantasie an. So kann sich Bill Wohl, Unternehmenssprecher bei SAP USA gut vorstellen, dass “die Verbindungen zwischen IBM und SAP deutlich enger werden” könnten durch so einen Mega-Deal.
Auch mit der immer wieder durch die Gerüchteküche wandelnden Siebel Systems würden die Bande enger geknüpft, sagt die Branche. Nun wird aber erst einmal der nächste Monat spannend. In dieser Zeit wird das Angebot von Larry Ellison kommentiert, für absurd erklärt und befürwortet werden und sicher so manchen anderen Interessenten anlocken, der an dem kapitalstarken Softwarehersteller interessiert ist. Bis dahin wird sich auch der folgende alte Silicon-Valley-Witz wieder großer Beliebtheit erfreuen: “Was ist der Unterschied zwischen Larry Ellison und Gott? – Gott hält sich nicht für Larry!”
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